Geduld siegt: Dienstleister für Energiegenossen

Foto: DragonImages / stock.adobe.com
Solarthemen 445. Energiegenossenschaften haben sich in den vergangenen Jahren zu einem wesentlichen Investor in die Energiewende entwickelt. Sie wenden sich dabei immer komplexeren Vorhaben zu und fragen damit auch eine Vielzahl an Dienstleistungen nach. Allerdings sollten Unternehmen, die mit Energiegenossen zusammenarbeiten wollen, beachten, dass sie es mit besonderen Auftraggebern zu tun haben und Ungeduld kein guter Ratgeber ist.

Aus Sicht von Florian Voigt, dem Geschäftsführer des Landesnetzwerks Bürger-Energiegenossenschaften Hessen e.V., ist keine Genossenschaft wie die andere. Das hänge davon ab, wer sich darin organisiert habe. Darunter könnten technische Spezialisten, Anwälte und Buchhaltungsexperten sein. Sie kennzeichne meist die ehrenamtliche Tätigkeit, die allerdings häufig mit hohen Qualifikationen verknüpft sei. Klar sei aber auch, sagt Voigt: „Alles, was an Kompetenzen nicht vorhanden ist, wird zugekauft.“ Und während der Bau einer Photovoltaik-Anlage für viele Genossenschaften kein großes Ding sei und gut selbst gemanagt werden könnte, erforderten es Großprojekte wie etwa ein Windpark, dass man Fachplaner und erfahrene Projektierer hinzuziehen müsse. Wichtig sei dabei zunächst natürlich die Kompetenz. Gern griffen Genossenschaften allerdings auch auf regional verankerte Unternehmen zurück. Und wenn Dienstleister selbst aus dem genossenschaftlichen Umfeld kämen und man durch eine gewisse Philosophie verbunden sei, dann werde das als Vorteil empfunden. Allerdings sind etwa genossenschaftliche Ingenieurbüros noch selten. So wie die IngenieurNetzwerk Energie eG (iNeG) mit Sitz in Oldenburg und Hauptniederlassung in Bad Iburg. Sie ging auf eine Initiative des Genossenschaftsverbandes Weser-Ems und von genossenschaftlichen Banken zurück. Die iNeG deckt ein breites Spektrum an Planungs- sowie weiteren Leistungen ab und ist nicht auf Genossenschaften als Auftraggeber beschränkt. Nahwärme als Aufgabe Mit Hilfe externer Fachleute trauen sich Genossenschaften an komplexere Aufgaben heran. Häufig gibt es auch erst die Idee. Und um sie gemeinschaftlich zu realisieren, gründet sich eine Genossenschaft. Mit einer solchen Konstellation ist Georg Stegemann in den letzten Jahren häufig in engem Kontakt. Er leitet bei der Viessmann Deutschland GmbH die Projektentwicklung von Bioenergiedörfern und Systemen. Das Unternehmen bietet von der ersten Machbarkeitsstudie bis zum fix und fertig installierten Nahwärmesystem Komplettpakete für regenerativ versorgte Dörfer an. Dabei sei die Machbarkeitsstudie der erste Schritt, erläutert Stegemann. Hierbei stelle sich bereits heraus, ob eine Genossenschaft fähig sei, ein solches Projekt umzusetzen. Denn ohne den aktiven Einsatz in einem Dorf, um die Akzeptanz für ein solches Nahwär­mepro- jekt zu gewinnen, sei es letztlich nicht realisierbar. „Wir haben es im Prozess des Entstehens mit hunderten von Menschen zu tun, die keine Fachleute sind“, sagt Stegemann: „Die werden das erst noch.“ Das sei anders als bei Projekten, die etwa für ein Unternehmen realisiert würden. Da lägen zwischen dem ersten Kontakt und der Fertigstellung einer Heizzentale häufig nur wenige Monate. Bei Bioenergiedörfern, die von Genossenschaften umgesetzt und betrieben werden, sollte man dagegen eher von mehreren Jahren ausgehen. Ganz persönlich hält Stegemann solche Projekte, die fest über eine Genossenschaft bei den Menschen verankert seien für „eine tolle Sache.“. Allerdings, so Stegemann: „Man muss Geduld haben.“ Auch für Dominik Fröhler, Geschäftsführer der renerco plan consult GmbH, sind Energiegenossenschaften eine besondere Kundengruppe. Es mache einfach richtig Spaß, wenn Energieprojekte in Kooperation mit Genossenschaften und regional verankert umgesetzt würden. Allerdings habe man es als Dienstleister häufig in Energiegenossenschaften mit ehrenamtlich tätigen Menschen zu tun. Diese seien sehr engagiert, könnten aber nur begrenzte Zeitressourcen einbringen. Gleichzeitig würden sich Vorstände von Genossenschaften ungern „das Zepter aus der Hand nehmen lassen“ und wollten sehr tief in die Projektentwicklung mit involviert sein. Nach Fröhlers Erfahrung gehe es auch darum, die Kosten für ein Projekt im Rahmen zu halten. Da sei dann manchmal sensible Überzeugungsarbeit erforderlich, um zum Beispiel bei einem mehrere Millionen Euro teuren Windkraftprojekt die Genossenschaft dazu zu bewegen, einen Anwalt hinzuzuziehen, was natürlich zusätzliche Kosten nach sich ziehe. Die renerco plan consult ist hauptsächlich in den Geschäftsfeldern Photovoltaik, Geothermie und Wind aktiv. Mit einigen Genossenschaften wurden Windkraftprojekte realisiert. Diese seien, so Fröhler, sehr komplex. Und diese Komplexität sei von den Genossenschaften zumindest in der Frühphase eines Projektes häufig unterschätzt worden – wobei dies auch von der Zusammensetzung der Genossenschaft abhänge, so Fröhler. Hier sei es die Aufgabe eines Planungsunternehmens wie der renerco, die Genossenschaften an die Hand zu nehmen und Sensibilität für den Aufwand zu schaffen, der mit einem solchen Projekt verbunden ist. Dafür habe man in den Regionen weniger mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen, weil Energieprojekte über die Genossenschaften dort verankert seien. Derzeit beobachtet Fröhler jedoch, dass zumindest im Windkraftbereich in Bayern die Nachfrage zurückgehe, was auch auf den Erlass zu Mindestabständen im Freistaat zurückzuführen sei, der viele potenziele Projekte von Genossenschaften verhindere. Neue Herausforderungen Ebenso wurden Genossenschaften in den vergangenen Monaten durch andere politische Entwicklungen verunsichert. Angefangen bei der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes bis zu Unklarheiten beim Kapitalanlagegesetzbuch, die nun allerdings weitgehend ausgeräumt werden konnten. Andreas Wieg von der Bundesgeschäftsstelle der Energiegenossenschaften in Berlin weiß davon ein Lied zu singen. Er sieht seine beim Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V. angesiedelte Geschäftsstelle im weitesten Sinne auch als Dienstleister für Genossenschaften. Dabei gehe es in erster Linie um Interessenvertretung und um die Vermittlung von Informationen, sagt Wieg, dies jedoch auch in Kooperation mit den jeweiligen Genossenschaftsverbänden. Energiegenossenschaften sind allerdings auch dabei, sich über die Pflichtmitgliedschaft hinaus zu organisieren. So hat sich die Bürgerwerke eG als Dachverband einer wachsenden Zahl von Energiegenossenschaften gegründet. Vorstandsmitglied Kai Hock erläutert, es gehe hier darum, die Wertschöpfung über den Verkauf des selbst produzierten Stroms an Mitglieder, aber auch andere Kunden zu erhöhen. Die Arbeit als kompletter Energieversorger könne eine einzelne Genossenschaft kaum leisten. Zwar sei es auch möglich, sich einem Ökostromunternehmen anzuschließen, doch als Dachgenossenschaft arbeiteten die Bürgerwerke selbst nicht gewinnorientiert, sondern im Dienste ihrer Mitglieder. Damit hätten die Genossenschaften sowie weitere Bürgergesellschaften ihren eigenen Dienstleister in diesem Bereich geschaffen, der sich nun darum kümmern könne, selbst im Markt aktiv zu sein und unabhängiger vom EEG zu werden. Text: Andreas Witt

Beliebte Artikel

Schließen