Interview mit Hermann Falk (BEE): Ausschreibung bedroht Bürgerenergie
Solarthemen: Stellungnahmen des BEE zu den geplanten EEG-Ausschreibungen klingen meist recht fundamentalkritisch. Glauben Sie denn, dass Sie die Umstellung des EEG auf Ausschreibungen noch stoppen können?
Hermann Falk: Die Ausschreibungen zu stoppen halte ich für relativ unmöglich. Das Schiff hat den Hafen schon verlassen, aber es ist ein Seelenverkäufer. Wir sind sehr skeptisch, dass alle Unternehmen der Erneuerbaren das rettende Ufer erreichen werden.
Werden Sie im Konsultationsprozess, den das Ministerium mit dem Eckpunktepapier begonnen hat, trotz Ihrer grundsätzlichen Kritik nun versuchen, an den Details zu schrauben?
Ja, wir werden konstruktiv mitwirken, obwohl einzelne Akteursgruppen uns sehr nahelegen, uns diesem Prozess zu verweigern, weil sie die Hoffnung aufgegeben haben, in der Politik Gehör zu finden.
Die Eckpunkte des Ministeriums zielen besonders auf die Windenergie. Was halten sie von den konkreten Vorschlägen für diesen Sektor?
Man muss unterscheiden: Im Bereich Offshore ist das Papier ein relativ pragmatischer und naheliegender Vorschlag, dessen Einzelheiten wir noch prüfen. Im Bereich Onshore hätten wir uns gewünscht, dass dort der Aspekt der Akteursvielfalt stärker Raum findet. Beispielsweise halten wir die Schwelle von 1 MW, ab der die Förderung ausgeschrieben werden soll, nicht für ausreichend, um auch die kleineren Bürgerprojekte zum Zuge kommen zu lassen. Die heutigen Windkraftanlagen im Binnenland haben deutlich mehr als 1 MW Leistung. Deshalb werden es Bürgerprojekte schwer haben. Das zeigt ja schon die erste Pilotausschreibung im PV-Freiflächensegment.
Zielt der BEE eher darauf ab, die Ausschreibungsmodalitäten im Sinne der kleinen Akteure zu verändern oder fordern Sie eher weitere Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht?
Die europäische Energiebeihilfe-Richtlinie spricht ja von 6 MW oder 6 Anlagen. Bis zu dieser Grenze müssten Windprojekte nicht ausgeschrieben werden. Also setzen wir uns genau dafür ein. Warum muss Deutschland strenger mit den Beihilfe-Leitlinien umgehen als selbst die europäische Verwaltung dies fordert? Besonders wundert uns dies mit Blick auf die von der Bundesregierung parallel vorgestellten Eckpunkte für die Reform des Kraftwärmekopplungs-Gesetzes. Für KWK hat die Bundesregierung keine Ausschreibung vorgeschlagen, obwohl die Beihilfe-Leitlinien dort ebenso Anwendung finden, sprich: obwohl dort eigentlich auch ausgeschrieben werden müsste. Diese Schizophrenie muss angesprochen werden.
Das Ministerium argumentiert, dass nicht nur kleine Unternehmen, sondern auch große durch eine derartige 6-MW-Grenze begünstigt würden.
Ich habe Verständnis dafür, dass man schaut, wer denn durch das Tor einer etwas erhöhten Mindestschwelle hindurchlaufen würde. Die Sorge im BMWi ist, dass größere Projekte auf einzelne kleinere Rechtsträger aufgeteilt würden, so dass am Ende 60 bis 80 Prozent der Ausbauleistung von der De-Minimis-Regelung Gebrauch macht. Aber wenn man durch die 1-MW-Grenze dieses Tor gänzlich verschließt, dann bleiben Akzeptanz und Bürgerenergie draußen. Man muss also klüger überlegen, wie man die Ausnahmeregelung gestaltet. Wir haben beispielsweise den europarechtskonformen Vorschlag gemacht, den Begriff der KMU, also der Kleinen und Mittleren Unternehmen, zu nutzen. Wenn man die Definition der KMU mit einer bestimmten Leistungsgrenze koppelt, dann kann man zielgenau die entsprechenden Segmente erhalten. Es geht hier ja nicht um eine Sonderförderung, sondern lediglich darum, die Chancen zur unternehmerischen Betätigung der Bürger zu erhalten. Wenn wir die Bundesregierung zumindest davon überzeugen könnten, hätten wir viel erreicht.
Die ganze Debatte um die Ausschreibungen scheint sich – auch in den BMWi-Eckpunkten – fast nur noch um die Frage Akteursvielfalt zu drehen.
Ja, das ist wirklich paradox. Verbal betont dieses Papier die Bedeutung der Bürgerenergie. Real macht es überhaupt keinen Vorschlag, obwohl der gesetzgeberische Auftrag lautet, die Akteursvielfalt zu erhalten. Diese Aufgabe wird einfach der Branche zugeschoben nach dem Motto: „Machen Sie doch mal bitte Vorschläge“. Das kann doch nicht die richtige Rollenverteilung sein. Das BMWi muss eigene Vorschläge unterbreiten, wie die Akteursvielfalt erhalten bleibt, wenn es das Gesetz nur halbwegs ernst nimmt.
Aus klimapolitischer Sicht ist es zweitrangig, wer künftig noch Anlagen betreibt. Müsste es in der Debatte nicht stärker um die Frage gehen, ob das geplante Ausschreibungsmodell das Ausbautempo gewährleisten kann, das Deutschland mit dem bisherigen EEG erreicht hat? Andererseits: Sehen Sie überhaupt noch einen Unterschied zwischen der festen Mengensteuerung im Ausschreibungsmodell und den jetzt schon im EEG geltenden Ausbaukorridoren?
Sie haben recht – beides ist eine Mengensteuerung. Die jetzige Rechtslage zeigt allerdings einen liberaleren Geist: Man kann auch jenseits des Korridors bauen – dann eben zu den Preisen, die im gesetzlichen Mechanismus gesetzt werden – während man in der neuen Welt der Ausschreibungen nicht mehr bauen darf. Die unternehmerische Freiheit finde ich einen Wert an sich, der von den Ausschreibungen gänzlich erstickt wird. Abgesehen davon: Diese präzise Mengensteuerung per Ausschreibung würde jeweils eine Punktlandung auf den Korridormengen bedeuten. Allerdings reichen die nicht aus, um unsere verbindlichen Klimaschutzziele zu erreichen – wenn überhaupt alle diese Anlagen gebaut werden.
Kommen wir mal zur Photovoltaik. Wie gut können Sie dort mit den BMWi-Vorschlägen leben? Wenn die Förderung erst für Anlagen oberhalb von1 MW ausgeschrieben werden soll, wäre der Großteil gar nicht betroffen.
Unser großer Mitgliedsverband BSW zeigt sich zufrieden mit diesem Teil der Eckpunkte. Ein Pferdefuß liegt allerdings darin, dass große Eigenverbrauchsanlagen ausgeschlossen werden. Dabei könnte man gerade hier zeigen, dass günstige Förderkosten durch Kombination von Eigenverbrauch und Einspeisung möglich wären. Mir scheint hier Ideologie am Werke.
Betrifft dieser Einwand neben dem klassischen Eigenverbrauch auch Vertriebsmodelle, wo der Solarstrom direkt an Kunden verkauft wird?
Ja, diese Diskriminierung innovativer Modelle ist kontraproduktiv und widerspricht sogar dem Willen des Bundestages.
Kurz und bündig: Was ist nun die wichtigste Botschaft Ihrer Lobbyarbeit?
Die drei Ziele des BMWi – die Erhaltung der Akteursvielfalt, der Ausbaugeschwindigkeit und Wirtschaftlichkeit – werden nicht erreichbar sein mit diesen Eckpunkten. Wir werden insbesondere darauf achten, dass die Akteursvielfalt erhalten bleibt, indem Bürgerenergie die Möglichkeit behält, auch über 1 MW ausschreibungsfrei zu bauen. Und die Mengenziele müssen erreicht werden, die uns verpflichtend von der EU ins Stammbuch geschrieben worden sind.
Interview: Guido Bröer
Foto: BEE