Elektromobilität treibt PV nur selten an

Solarthemen 454. Elektromobilität und der Einsatz erneuerbarer Energien werden häufig im Zusammenhang genannt. Doch die beiden Technologien haben nur be­dingt miteinander zu tun. Sie profitieren nicht automatisch voneinander.

Für Helmut Lessing, Professor an der Universität Hildesheim, ist der Photovoltaik-Carport ein wichtiger Bestandteil des von ihm verantworteten Projektes an der Universität. Mit dem Solar-Carport zeigt es sich in der Öffentlichkeit, findet einen klaren Platz. Seit etwa eineinhalb Jahren wird hier ein neuer Carsharing-Service für die Mitarbeiter ausprobiert Während der üblichen Dienstzeiten stehen ihnen einige Elektrofahrzeuge für Dienstfahrten zur Verfügung. Rund 100 an der Uni Beschäftigte hätten sich inzwischen zum Carsharing-Projekt angemeldet, dessen Kosten im Rahmen des von der Bundesregierung finanzierten Verbundvorhabens „eAutarke Zukunft“ von der Uni zum Teil getragen werden. Den anderen Teil zahlen einzelne Mitarbeiter als „Tandem-Partner“. Ihnen steht das Fahrzeug nach Dienstschluss, am Wochende und auch während des Urlaubs zur Verfügung. „Alles inklusive kostet sie ein Elektromobil dann 250 Euro im Monat“, sagt Lessing. Alle würden dabei gewinnen, erklärt der Professor. Den Uniangestellten stünden ausreichend viele Fahrzeuge zur Verfügung, die Uni spare Geld, weil sie nur einen Teil der Kosten trage, und die Tandem-Partner kämen sehr günstig an ein Elektrofahrzeug. Dieses Modell ist attaktiv, so attraktiv, dass sich Kommunen, Pflegedienste und andere Unternehmen dafür interessieren. Lessing will es multiplizieren. Später könne eventuell eine Ausgründung daraus werden. Modelle, die sich rechnen Auch das jetzt im Rahmen eines Forschungsprojektes laufende Car-Sharing sei betriebswirtschaftliche genau kalkuliert worden, sagt Lessing, um daraus ein mögliches Geschäftsmodell zu machen: „Es reicht nicht, sich nur um die Technik zu kümmern.“ Der Strom für die Elektrofahrzeuge solle umweltfreundlich sein, meint Lessing. Er müsse nicht von der Solarstromanlage, könne auch vom Öko­strom­anbieter kommen. In Hildesheim allerdings werde der Strombedarf etwa zur Hälfte von der Solaranlage auf dem Carport gedeckt. Der so erzeugte Strom ist billiger als der Strom aus der Steckdose. Dies spiele in der Finanzkalkulation aber keine große Rolle, weil die anderen Kostenbestandteile deutlich größer seien als die Energiekosten. Bundesweit kommt die Verbreitung von Elektromobilen nur schleppend voran. Die Bundesregierung ist von ihrem Ziel von 1 Million Stromautos noch weit entfernt. Die meisten Interessenten ließen sich letztlich von den noch hohen Investitionskosten abhalten, erklärt Psychologe Arne Schmid, der sich am Institut für Transportation Design, einer Einrichtung an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, mit Begleitforschung zu Elektromobilität befasst. Die Studien hätten gezeigt, dass bei den Nutzern von Elektromobilität nicht die Photovoltaik im Vordergrund stehe. Umweltaspekte seien nur ein „Beifaktor“. Allerdings würden Elektrofahrzeuge derzeit eher von Menschen gekauft, die sich für neue Technologien begeistern. Zu einer Überschneidung könne es kommen, wenn sich diese technikaffinen Menschen bereits für eine PV-Anlage entschieden hätten. Aber beide Investitionen gingen selten Hand in Hand. So würden sich diejenigen, die den Eigenverbrauch des in ihrer Anlage erzeugten Solarstroms erhöhen wollten, eher für einen Speicher als für ein Elektroauto entscheiden. Diese fehlende direkte Verbindung zwischen Solarstromerzeugung und E-Mobilität zeigt sich auch in der Praxis. So bietet SolarWorld als Modulhersteller kein eigenes Solarcarport mehr an. Und auch bei Solarwatt als weiterem Hersteller von Solarkomponenten ist das Interesse am dort noch angebotenen Solarcarport gering. Wie Grit Heine gegenüber den Solarthemen erklärt, lasse sich dieses Produkt viel besser durch einen reinen Anbieter von Carports vermarkten. Die Leute kämen nicht, weil sie eine Solaranlage suchten, sondern weil sie einen Carport errichten wollten – in diesem Zusammenhang sei eine Solarstromanlage dann als Zusatznutzen allerdings verkäuflich. Der Vertrieb über den Elektrohandel laufe daher weniger gut als der über Carport-Anbieter. Ebenso führe die Kooperation mit BMW und der Hinweis auf die von BMW angebotenen Elektrofahrzeuge nicht zwangsläufig zu einem Kaufanreiz in Richtung Solarstromanlage, sagt Heine. Manche Menschen konzentrierten sich dann eher auf das Auto. Nutzerprofil ist wichtig In der Begleitforschung zum Elektro-BMW sieht Willibald Prestl, Teamleiter Energiemanagement bei BMW, im Rahmen eines Forschungsvorhabens zur energieautarken Elektromobilität allerdings doch gegenseitige Einflüsse von eigener Solarstromerzeugung und E-Mobilität. Und dies sei durchaus eine emotionale Thematik. Einerseits ermögliche die Solarstromanlage die Eigenerzeugung zum halben Preis, andererseits könne der selbst erzeugte Strom dank des Elektroautos besser genutzt werden. Allerdings hänge dies natürlich stark von den individuellen Bedingungen ab: von der Größe der PV-Anlage sowie eventuell eines Speichers und dem Nutzerprofil. Wie Nutzer, PV-Anlage, Fahrzeug und das Netz zusammengebracht werden können, ist auch Inhalt eines Projektes, das Dominik Noeren am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme koordiniert. Ausgangspunkt ist hier schlicht, dass Fahrzeuge im Schnitt 22 Stunden stehen und daher ein Potenzial besteht, sie netzschonend oder zum Beispiel mit höherem PV-Anteil zu laden. In welchem Maße sich dies private Nutzer erschließen, hängt sicherlich auch von den Fortschritten in diesem Bereich ab. Noeren sieht hier noch Optimierungsmöglichkeiten. So würden die Fahrzeugtechnologien bzw. Ladetechniken noch besser auf die Lade­infrastruktur in den Gebäuden abgestimmt. Wenn möglichst eigener Solarstrom genutzt werden soll, die PV-Anlage aber nur eine begrenzte Leistung liefert, dann sollten Fahrzeuge auch mit geringen Leistungen geladen werden können. Mittelfristiges Ziel solle es auch sein, so Noeren, zu Lösungen zu kommen, die sich rechnen. Dabei sollte man den Blick auf das gesamte System der heimischen Energieversorgung richten, also die Kombination aus PV-Anlage, Wechselrichter und Smart Metering sowie dem häuslichen Energiemanagement mit Steuerung der Verbraucher, darunter dann auch das E-Mobil. Derzeit würden solche Systeme eher von denjenigen gekauft, die mit einer gewissen Technikaffinität innovative Systeme ihr eigen nennen möchten. Text: Andreas Witt

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