Interview mit Schornsteinfeger-Vorstand Stehmeier: Das neue Label wird helfen

Solarthemen 454. Dr.-Ing. Dieter Stehmeier ist bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger in Langenhagen bei Hannover und Vorstand Technik des Bundesverbandes des Schornsteinfegerhandwerks – Zentralinnungsverband (ZIV). Mit dem von der Bundesregierung geplanten Label für alte Heizkessel kommt auf die Schornsteinfeger eine neue Aufgabe zu. Stehmeier hofft, dass Hausbesitzer damit stärker für Beratungen und den Austausch ineffizienter Heizungssysteme sensibilisiert werden. Er beklagt Vollzugsdefizite bei den bereits gültigen Regeln der 1. BImSchV und der EnEV.

Solarthemen: Wird das geplante Effizienzlabel für Altheizungen ihre Kundengespräche verändern?

Dieter Stehmeier: Es wird sie nicht direkt verändern, aber es wird vielleicht zu häufigeren Gesprächen führen, weil die Nachfrage bei den Kunden sicherlich dadurch steigen wird. Wir bieten ja heute schon eine vielfältige Beratung an. Künftig wird wahrscheinlich von den Kunden häufig die Bitte kommen, dass wir zu dem Label etwas erzählen.

Werden sich dadurch viele Hausbesitzer motivieren lassen, ihren Kessel zu erneuern?

Das kann ich nicht vorhersagen. Aber ich könnte mir schon vorstellen, dass der eine oder andere ins Nachdenken kommt, der eigentlich mit seiner Hei­zung zufrieden ist und auch die ge­setzlichen Anforderungen erfüllt. Ich könnte mir vorstellen, dass so jemand überlegt, was vielleicht verbessert werden könnte. Das wird dann sicherlich auch zu neuen Heizungen oder auch darüber hinaus gehenden Maßnahmen führen. Bevor eine alte Heizung verpflichtend vom bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger gelabelt wird, besteht jeweils ein Jahr lang die Möglichkeit, dass Energieberater, SHK-Handwerker oder auch Schornsteinfeger ein solches Label auf freiwilliger Basis ausstellen. Wird diese Option fleißig genutzt werden? Ich kann mir das kaum vorstellen, denn ab dem Jahr 2017 beginnt das für Verbraucher kostenfreie Pflichtlabeling. Es gibt also kaum einen Grund für Schornsteinfeger, das Label vorher anzubieten. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass andere Gewerke das Label im großen Stil vorziehen werden, es sei denn ein Handwerker erhofft sich einen Folgeauftrag dadurch.

Das Bundeswirtschaftsministerium möchte aber offenbar genau dies erreichen, dass Handwerker das Label nutzen, um damit gezielt Marketing zu betreiben.

Das wird bestimmt bei einer gewissen Anzahl an Handwerkern zutreffen. Der Schwerpunkt für Schornsteinfeger wird jedoch meiner Meinung nach im Bereich und Zeitraum des Pflichtlabelings liegen. Jemand, der eine Anlage verkaufen will, wird wohl auch andere Möglichkeiten haben, den Kunden auf Mängel und Verbesserungsmöglichkeiten hinzuweisen.

Noch ist das Gesetz ja nicht beschlossen. Gibt es Punkte, die ihr Schornsteinfegerverband im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gern noch verändern möchte?

Wir haben die Gelegenheit genutzt und im Vorfeld ausreichend Stellung bezogen. Im Übrigen stehen wir der Sache sehr positiv gegenüber. Wir glauben, dass das Altanlagenlabel einen Beitrag zur Energiewende im Heizungskeller leisten kann, und dies kommt auch der Umwelt zu Gute. Kommen sie mit den 8 Euro zurecht, die Ihnen vom Bundesamt für Wirtschaft für jedes vergebene Label gezahlt werden sollen. Ja, damit kommt man zurecht, wenn die Abwicklung sehr rationell durchgeführt werden kann. Der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger ist ja aufgrund der vorhandenen Daten recht einfach in der Lage, schon im Vorfeld festzustellen, welche Art von Label, die Anlage bekommen wird, die er im Rahmen der Feuerstättenschau sowieso besucht. Man muss dann nur nochmal klären, wie umfangreich die Beratung im Rahmen dieser 8 Euro sein kann. Wenn das eine weitergehende Beratung sein soll, wird sicherlich noch geklärt werden müssen, wie die gegebenenfalls durch Fördermittel unterstützt werden kann.

Wie sehen Sie die Rolle der Schornsteinfeger im Zuge der Energiewende?

Das ist ein nahtloser Übergang aus unserer heutigen Tätigkeit. Dadurch, dass wir uns mit den Feuerungsanlagen der Kunden in Bezug auf Umwelt, Sicherheit und Energieeffizienz auseinandersetzen, sind wir schon lange an der Energiewende beteiligt. Wir beraten unabhängig und genießen deshalb bei unseren Kunden ein großes Vertrauen. Zumal sich Schornsteinfeger gerade bei der Energieeffizienz sehr stark weitergebildet haben. Es gibt heute in fast jedem Schornsteinfegerbetrieb mindestens einen „Energieberater des Handwerks“, der zum Beispiel den VDZ-Heizungscheck anbieten kann. Durch diese Kenntnisse, durch unser flächendeckendes Auftreten und durch das Vertrauen der Kunden haben wir Schornsteinfeger sehr gute Möglichkeiten, die Energiewende mit voranzutreiben.

Wird nicht der Schorn­steinfeger sogar oft zum Bremser der Energiewende, indem er alten Kesseln, die zwar die Emmissionsgrenzen noch einhalten, aber deren Effizienz längst nicht mehr dem Stand der Technik entspricht, kraft seines Amtes Jahr für Jahr grünes Licht gibt? Beim Hausbesitzer kommt an: Deine Heizung ist völlig OK!

Der Schornsteinfeger kann natürlich nur das tun, wofür er den gesetzlichen Auftrag hat. Wir können zum Beispiel im Rahmen der 1. BImSchV nur das überprüfen, was uns der Verordnungsgeber vorgibt. Allerdings können wir dem Kunden im Zuge der Beratung sicherlich auch weitergehende Informationen geben, zum Beispiel zur Energieeinsparung und Effizienz – und tun das auch.

Werden als stilllegungsreif deklarierte Kessel denn tatsächlich ausgemustert?

Hier besteht in einigen Bundesländern Nachholbedarf. Der Schornsteinfeger kann eine Anlage nicht stilllegen. Dazu haben wir keine Befugnis. Wir können lediglich Anlagen, die die Bedingungen nicht erfüllen, an die zuständige Behörde melden. Wie diese dann mit der Information beziehungsweise dem Vollzug umgeht, entzieht sich unserem Einflussbereich.

Wie arg sind denn die Vollzugsdefizite?

In Bezug auf die 1. BImSchV ist das Vollzugsdefizit eher gering – was aber auch daran liegt, dass viele Anlagen die Werte einhalten. Bei der Energieeinsparverordnung und dem Energieeinspargesetz, das ja die Austauschkriterien durch ein Wirtschaftlichkeitsgebot relativiert, ist der Vollzug verbesserungswürdig. Wenn die EnEV sagt, ein bestimmter Jahrgang ist auszutauschen, aber zugleich Ausnahmetatbestände festschreibt, gibt es hierfür sicherlich berechtigte Gründe.

Mal Hand aufs Herz: Was hält ein Schornsteinfeger von Heizungen, die gar keinen Schornstein brauchen – Stichwort: Wärmepumpe?

An einer Wärmepumpe ist der Schornsteinfeger tatsächlich nicht beteiligt. Aber da, wo ich im öffentlich-rechtlichen Bereich tätig bin, werde ich natürlich im Zuge der Beratung auch Dinge darlegen, von denen ich keinen wirtschaftlichen Vorteil habe. Andererseits gibt es in Häusern mit Wärmepumpen meist auch noch eine zusätzliche Feuerstätte. Ein weiterer Bereich, der unsere Aufgabe betrifft, sind die vielen Nahwärmekonzepte, die entstehen. Auch dagegen kann man nichts sagen, wenn es gute Argumente gibt. Kritisch betrachtet werden diese von uns und anderen Gewerken – zum Beispiel dem SHK-Handwerk –, wenn die nötige Objektivität beziehungsweise Sachkenntnis der Entscheidungsträger fehlt.

Interview: Guido Bröer

Beliebte Artikel

Schließen