BGH ändert den EEG-Anlagenbegriff

Solarthemen 461.Obwohl das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) nach Ansicht von Juristen mas­sive Auswirkungen auf das Recht der Photovoltaik haben wird, wird es sich für Betreiber von Anlagen möglicherweise kaum auswirken.

Unter Energierechtsexperten haben die Karlsruher Richter mit der schriftlichen Begründung ihres Urteils vom 4. November für erheblichen Aufruhr gesorgt. „Böse Überraschung aus Karlsruhe“, titelt der Leipziger Jura-Professor Martin Maslaton in seinem Newsletter. Über „richterlichen Hochmut“ ärgert sich die Energierechtlerin Margarethe von Oppen aus Berlin und vom „Blick in den Abgrund“ schreibt der Herausgeber des juristischen Informationsdienstes „Lexegese“, Peter Nagel, in Frankfurt. Doch nicht etwa wegen der eigentlichen Entscheidung in der Frage des Inbetriebnahmezeitpunkts von Photovoltaikanlagen nach dem EEG 2009 (vgl. Solarthemen 459) echauffiert sich die juristische Szene. Der BGH bestätigte hier die Nürnberger Vorinstanz, dass es nicht OK war, ein paar Solarmodule in einer Lagerhalle provisorisch auf Gestelle zu schrauben, um damit eine Glühlampe zum Nachweis des Inbetriebnahmezeitpunkts zum Leuchten zu bringen, die Module anschließend wieder zu verpacken, um sie zusammen mit 20.000 anderen Monate später an anderem Ort endgültig zu montieren. Das war durchaus zu erwarten. Allerdings hat der BGH – „völlig ohne Not“, wie es Margarethe von Oppen ausdrückt – den seit Jahren anerkannten Anlagenbegriff des EEG, wonach eine Photovoltaikanlage einem einzelnen Modul entspricht, kurzerhand umdefiniert. Laut BGH-Urteil gilt: „Nicht das einzelne, zum Einbau in ein Solarkraftwerk bestimmte Fotovoltaikmodul ist als eine (eigene) Anlage gemäß § 3 Nr. 1 Satz 1 EEG 2009 anzusehen, sondern erst die Gesamtheit der Module bildet die Anlage ,Solarkraftwerk‘“. Es sei nach dem EEG 2009 maßgeblich, nach welchem Gesamtkonzept die einzelnen Einrichtungen funktional zusammenwirken und eine Gesamtheit bilden sollen. Wer als Anlagenbetreiber in Zeiten knapper Montagekapazitäten und fehlender Wechselrichter mit vergleichbarer Chuzpe vorging wie der Kläger, um sich mit einer „mobilen“ Inbetriebnahme einen frühzeitigen Inbetriebnahmetermin und damit eine höhere Vergütung zu sichern, der kann sich nun auf saftige Rückforderungen von Netzbetreibern gefasst machen. Wer allerdings guten Gewissens den damaligen Empfehlungen der Clearingstelle EEG folgte, indem er am endgültigen Standort lediglich einen fehlenden Netzanschluss oder fehlende Wechselrichter hilfsweise durch den so genannten Glühlampentest ersetzt hat, der möge weiterhin gut schlafen, signalisiert von Oppen, die auch den Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) in dieser Frage berät, gegenüber den Solarthemen: „Wer Module am Einsatzort auf die Gestelle geschraubt hat, der muss sich keine Sorgen machen und sollte definitiv von sich aus jetzt nichts unternehmen.“ Sollte ein Netzbetreiber in einem solchen Fall, motiviert durch das BGH-Urteil, Rückforderungen geltend machen, so würde sie raten, dagegen zu klagen, sagt von Oppen. Denn der BGH habe zum Thema Wechselrichter nichts gesagt, wohingegen der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung des EEG 2009 ausdrücklich formuliert habe, dass der Wechselrichter bei Photovoltaikanlagen nicht zur eigentlichen strom­erzeugenden Anlage gehöre. Dennoch entstehe durch das BGH-Urteil auf vielen Gebieten eine große Rechtsunsicherheit, so von Oppen. BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig fordert: „Es ist wichtig, dass der Gesetzgeber schnell Klarheit schafft.“ Text: Guido Bröer

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