Interview: Lothar Breidenbach (BDH) und Jörg Mayer (BSW) im Gespräch über die aktuelle Lage der Solarthermie?

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Solarthemen 470.Über aktuelle Erwartungen für den Solarwärmemarkt sprachen die Solarthemen während des Symposiums Thermische Solarenergie im Garten von Kloster Banz mit Dr. Lothar Breidenbach, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Hei­zungs­industrie BDH (links), und Jörg Mayer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft BSW.

Solarthemen: Entspricht der aktuelle Heizungsmarkt auch nur annähernd den Herausforderungen, wie sie der Pariser Klimagipfel formuliert hat?

Breidenbach: Vor allem im Gebäudebestand passiert zu wenig. Von 21 Millionen Heizungen entsprechen 70 Prozent nicht dem Stand der Technik. Hier liegen enorme CO2-Minderungspotenziale brach. In der Realität sieht es aber oft so aus, dass der Kessel erst dann ausgetauscht wird, wenn er defekt ist. Oftmals wird dann auch wieder die gleiche Technologie eingebaut, ohne dass Solarthermie zum Einsatz kommt. Hier müssen Politik, Industrie und Handwerk weiterhin für die Vorteile der Solarthermie werben.

Dänemark verbietet den Einbau von fossilen Heizkesseln, Deutschland fördert ihn seit Anfang 2016 mit erhöhten Fördersätzen. Ist das zeitgemäß?

Breidenbach: Ich bin mir nicht sicher, ob die Kessel in Dänemark tatsächlich schon verboten sind. Außerdem sind die Märkte zu unterschiedlich um sie miteinander zu vergleichen.

Was sagt der BSW dazu: Ist die Förderung noch zeitgemäß?

Mayer: Absolut nicht. Es ist ein Symptom dafür, dass es der Bundesregierung an einem wärmepolitischen Gesamtkonzept fehlt. Was wir jetzt brauchen, ist eine Umsetzung der Pariser Beschlüsse in ein operationalisiertes Wärmekonzept in Deutschland mit klaren Zielvorgaben und Ausbaupfaden. Alte Dogmen müssen abgestreift werden. Zum Beispiel steht im Koalitionsvertrag, dass das Ordnungsrecht nicht verschärft werden darf. Das schließt viele Maßnahmen aus, die in der Vergangenheit zu Verbesserungen geführt haben. Immer noch glauben viele Politiker, dass alles über Freiwilligkeit und Anreize geht. Aber die Förderungen können noch so großzügig sein. Bis der Investor sich bewegt, vergeht zu viel Zeit, die wir nicht haben. Selbst in der Förderpolitik werden aber die falschen Signale gesetzt. Wer heute noch fossile Heizkessel ohne Einkopplung der erneuerbaren Energien fördert, muss sich nicht wundern, dass die Wärmewende nicht kommt.

Breidenbach: Das sehe ich anders. Die Förderung auch von fossilen Systemen halten wir nach wie vor für wichtig, um den Sanierungsstau aufzulösen. Wir haben deutschlandweit noch immer über 14 Millionen alte Heizwertkessel, die dringend zur Modernisierung anstehen. Eine Verschärfung des Ordnungsrechts im Bestand halten wir für absolut kontraproduktiv, das hat das Beispiel Baden-Württembergs deutlich gezeigt. Solche Maßnahmen führen zu Attentismus im Markt.

Mayer: Es gibt natürlich auch noch andere Möglichkeiten, uns von alten Kesseln zu befreien. Es gibt das Bestandsanlagenlabel. Das begrüßen wir sehr und ziehen hier an einem Strang. Eine Förderung darf es aber nur geben, wenn beim Heizkesseltausch der neue Brennwertkessel zumindest mit Solarthermie kombiniert wird. Alles andere springt zu kurz und zementiert für weitere 20 Jahre eine jetzt schon veraltete Technologie.

Sie werden sich aber nicht beschweren, dass die Förderung der Regenerativ-Wärme zu gering wäre, oder?

Mayer: Das stimmt. Die war noch nie so gut wie heute.

Und wo bleibt der Effekt?

Mayer: Wir erleben beim BAFA einen Anstieg der Förderanträge. Und am Horizont zeichnet sich die Hoffnung einer Trendwende ab. Aber leider verunsichert der niedrige Ölpreis viele Verbraucher. Fördern und Fordern wäre ein deutlich wirksamerer Markttreiber. Manch einer sieht den Vertrieb über das Handwerk als Krux der Solarthermie. Bringt das Internet Veränderung?

Breidenbach: Eine solarthermische Anlage stellt als Bestandteil des zentralen Heizsystems eine komplexe Technologie dar. Für den ordnungsgemäßen Einbau und die Wartung brauchen wir das Fachhandwerk. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

Mayer: Ich würde das offener formulieren. Bei der Photovoltaik erleben wir sehr deutlich, dass neue Geschäftsmodelle und neue Anbieter entstehen, die mit Online-Portalen in den Markt treten. Sie beschreiten bei der Suche des Standortes, bei der Angebotserstellung für den Kunden, bei der Auswahl des Handwerkers und bei der Preisfestigkeit ganz neue Wege. Das kann man auch sehr skeptisch beobachten – ich persönlich finde es aber hochspannend, was da passiert. Ich möchte nicht ausschließen, das so etwas auch im Solarthermiegeschäft funktionieren würde. Ich bin da sehr optimistisch, dass dies dem Markt gut tun wird.

Würde dies die Wettbewerbssituation der Solarthermie denn verbessern?

Mayer: Das könnte ihre Wettbewerbssituation verbessern, und vor allem schließt es Handwerker nicht aus. Bei der Photovoltaik zeigt sich: Die Handwerker entdecken solche Geschäftsmodelle als Chance, neue Zugänge zu Kunden zu finden – ohne Akquiseaufwand Aufträge direkt zugespielt zu bekommen gegen eine kleine Provision. Nach allem was ich höre, sind PV-Handwerker, die mit solchen Plattformen zusammenarbeiten, hochzufrieden. Warum sollte ein solcher Zustand nicht auch im Bereich der Solarthermie eintreten. Da haben wir nur zu wenig Handwerker. Das ist unser großes Problem. Wir müssen dafür sorgen, dass speziell der SHK-Beruf attraktiver gemacht wird. Denn die Anlagen werden nicht aufs Dach gebeamt. Da müssen immer noch Men­schen Hand anlegen.

Breidenbach: Das kann ich nur unterstützen!

Wie haben sich Ihre Erwartungen an das ErP-Heizungslabel erfüllt?

Breidenbach: Grundsätzlich ist das ErP-Heizungslabel ein gutes Instrument, um dem Endverbraucher Orientierung zu bieten. Zudem ist das Label bekannt, etwa von der weißen Ware. Allerdings muss man auch sagen, dass sich das Label seit seiner Einführung im vergangen Jahr noch nicht vollständig im Markt durchgesetzt hat. Das gilt sowohl für den Endverbraucher, als auch für das Fachhandwerk.

Wie ist das zu verstehen? Das Label ist doch Pflicht!

Breidenbach: Ja, es ist Pflicht. Die Hersteller haben ihre Hausaufgaben gemacht. Die Label liegen den Produkten bei. Inwiefern sie angebracht und dem Hausbesitzer erklärt werden, ist eine andere Sache. Man kann es nicht 1:1 mit dem Kühlschrank vergleichen. Die einzelnen Label sind sehr komplex. Dies dem Endkunden zu vermitteln ist sehr schwierig. Dies braucht eine Zeit. Aber wenn das Altanlagenlabel erstmal richtig zur Anwendung kommt, gibt es ja eine Vergleichsmöglichkeit. Dann sieht der Hausbesitzer wie seine alte Heizung zu beurteilen ist und kann dies besser den Werbeaussagen der Hersteller gegenüberstellen. Dann, hoffe ich, tut sich da mal was. Dass das Ganze gewisse Anlaufschwierigkeiten mit sich bringen würde, hatten wir erwartet.

Der BSW hat große Hoffnungen in das Label gesetzt. Wie sieht er es heute?

Mayer: Es war ein Riesenerfolg für die Branche, dass die Solarthermie nach jahrelangem Kampf überhaupt im Energy-Label berücksichtigt wurde. Wir haben es dann geschafft, die Solarthermie über die recht komplizierte Form des Anlagenlabels hineinzubekommen. Immerhin: Wir sind mit drin. Aber der BSW setzt sich dafür ein, dass mit der nächsten Novellierung des Energy-Labels auch ein Produktlabel für Solarkollektoren kommt. Dann kann die Solarthermie sich noch besser in Szene rücken.

Sieht der BDH das auch so?

Breidenbach: Wir favorisieren die Idee nicht. Wir hätten dann ja noch weitere Label, die das Ganze noch komplexer machen. Wenn jede Komponente einer Heizungsanlage ihr eigenes Label hätte, zusätzlich zum Gesamtlabel, würde es keiner mehr verstehen.

Mayer: Genau so ist es doch jetzt schon. Die Wärmepumpe kann sich heute durch ein eigenes Label in Szene setzen und ihre Vorteile ausspielen. Der Kollektor kann das nicht. Ich sage ja nicht, dass wir einen ineffizienten Wettbewerb zwischen den Anbietern auslösen sollten. Aber wir sollten jede Chance ergreifen, um im Marketing besser zu werden und in den Köpfen der Kunden noch besser zu verankern, dass Solarthermie die grünste aller Technologien ist.

Ein ähnliches Dilemma wie bei den Labels haben wir bei der Förderung. Die Zusatzförderung APEE zum Marktanreizprogramm hat dieses nicht gerade verständlicher gemacht. Was erwarten Sie von dieser neuen Förderung?

Breidenbach: Aufwind! Die Hersteller sind in der Pflicht, den Handwerker zu unterstützen. Gerade wenn es beim APEE um die Optimierung des gesamten Heizungssystems geht. Aber man muss auch die hohen Förderbeträge sehen. Für eine einfache Basisförderung Solarthermie mit Kesseltausch gibt es jetzt bis zu 3600 Euro – das ist schon eine Hausnummer. Deshalb sehe ich das Ganze positiv, wenngleich ich keine Riesensprünge erwarte. Ich glaube, dass wir im Laufe des Jahres eine bessere Entwicklung sehen werden – sowohl bei den BAFA-Anträgen als auch bei unseren Verkaufszahlen.

Mayer: Nur jede vierte Anlage wurde 2015 vom BAFA gefördert. Wichtig ist auch, dass wir den ungeförderten Markt in die Nachhaltigkeit bringen, so dass er sich also selbst trägt. Das muss man durch Standardisierung, Kostensenkung, gute Kommunikation und und notfalls auch Ordnungsrecht hinbekommen.

Interview: Guido Bröer

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