Erkenntnisse über den PV-Speicher-Markt

Solarthemen 472.Mit dem zweiten Evaluationsbericht zum Photovoltaik-Speicherprogramm der Bundesregierung liefern Aachener Wissenschaftler neue Einblicke in den hochdynamischen Markt der PV-Speichersysteme. Im Intensiv-Monitoring zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Systemen.

Das Fachpublikum der PV-Speicherbranche hat auf den zweiten Evaluationsbericht der Wissenschaftler des Instituts für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe (ISEA) der RWTH Aachen sehnsüchtig gewartet. Denn belastbare Informationen sind rar in der jungen Branche, die nirgends mehr Pionierarbeit macht als derzeit in Deutschland. Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums beobachtet das ISEA-Team seit dem Start des KfW-Förderprogramms vor drei Jahren die ökonomische und die technische Entwicklung bei den PV-Speichern. Grundlage sind einerseits die gemeldeten Daten der Kreditnehmer bei der KfW, die unter www.speichermonitoring.de einige Daten ihres Systems für die Evaluatoren offenlegen müssen, wenn Sie den Tilgungszuschuss kassieren wollen. Zum anderen sind einzelne Systeme einem genauen Messprogramm, alias „Intensiv-Monitoring“, unterzogen worden. Erstmals konnten die Aachener Experten jetzt Ergebnisse dieser Messungen an ausgewählten Systemen der vier marktführenden Hersteller Sonnen, Senec, SMA und E3/DC präsentieren. Jeweils ein System dieser Hersteller wurde im Labor und jeweils drei weitere der gleichen vier Modellreihen wurden bei realen Anwendern auf Herz und Nieren vermessen und im Betrieb beobachtet. Die Wissenschaftler haben damit Neuland betreten. Und ihre Ergebnisse sind durchaus heikel, besonders was die ermittelte Effizienz der Systeme betrifft. Beispielsweise zeigen sich in einem Zyklus von Ladung und Entladung eklatante Unterschiede zwischen den Wirkungsgraden. Diese variieren je nach Modell und je nach elektrischer Last zwischen 83 und 99 Prozent für einen so genannten „Round-Trip“ (Grafik 2). Stand-By-Verluste Ähnlich differenziert zeigt sich der Eigenverbrauch der untersuchten Speichersysteme in verschiedenen Modi der Inaktivität. Während die vier Modelle im so genannten Schlafmodus zwischen weniger als 10 und 15 Watt Eigenverbrauch noch relativ nah beieinander liegen, spreizt sich das Feld im Standby-Modus bereits zwischen weniger als 10 und 30 Watt. Und im Bereitschaftsmodus, in dem die Anlagen zur sofortigen Stromaufnahme oder Abgabe bereit sind, liegt zwar das beste Gerät immer noch unter 10 Watt, das schlechteste verbraucht hier allerdings 50 Watt, ohne dass Strom ein- oder ausgespeichert wird. Im typischen Teillastbetrieb, der im Privathaushalt der Regelfall ist, fällt dieser Bereitschaftsstromverbrauch also prozentual besonders ins Gewicht. ISEA Abteilungsleiter Dirk Magnor sieht hier deutlich Handlungsbedarf bei den Herstellern: „Wenn schon Systeme von Marktführern solche Defizite zeigen, liegt die Vermutung nah, dass es bei kleineren Herstellern nicht viel besser aussieht.“ Magnor hat allerdings kein Interesse daran, die Ergebnisse der Messreihen zu skandalisieren. Er setzt vielmehr auf den Dialog mit der Herstellern, um diese bei der Verbesserung ihrer Systeme zu unterstützen. Auch deshalb werden die Ergebnisse des Messprogramms den einzelnen Herstellern nicht namentlich zugeordnet. Aufgrund der technischen Unterschiede wird es Experten trotzdem nicht schwerfallen, die Ergebnisse den einzelnen Sytemen zuzuordnen. Die Autoren möchten ihre Studie ausdrücklich nicht mit Stiftung Warentest verwechselt wissen. Zum einen, weil die untersuchten Geräte aus dem Jahr 2014 stammen und inzwischen von den Herstellern teils mehrfach überarbeitet wurden. Zum anderen sei weder die junge Branche noch die Wissenschaft bislang so weit, erläutert Magnor: „Es fehlt an Vergleichbarkeit, weil wir die Standards dafür teilweise erst noch entwickeln müssen. Wir versuchen dies allerdings voranzutreiben, damit es zu mehr Transparenz für die Kunden kommt.“ Schwierig sei dies vor allem, weil die Effizienz eines Speichersystems sehr stark vom Nutzerverhalten abhänge. Träge bei Lastwechseln Genau hier sensibilisiert der ISEA-Bericht für einen weiteren bislang wenig beachteten Aspekt: Die verschiedenen Speicher zeigen ein sehr unterschiedliches Verhalten bei schnellen Lastwechseln. Das ist nicht nur ein Thema in Industrie- und Gewerbebetrieben. Gerade in Privathaushalten takten die meisten Geräte im Bereich von 500 bis 3000 Watt jeweils nur für einen kurzen Zeitraum. Wenn eines der vermessenen Speichersysteme dann bis zu 13 Sekunden benötigt, bevor es aus dem Schlaf erwacht und ein anderes bis zu 50 Sekunden braucht, um sich auszuregeln, dann hat der Thermostat von Bügeleisen, Herdplatte oder Kühlschrank vorher wieder abgeschaltet. „Durch dieses extrem träge Regeln werden dem Haushalt nennenswert Energiemengen (…) als lokal nutzbare Solarenergie entzogen“, kritisieren die Forscher. Der Markt macht’s Solche technischen Erkenntnisse sind vielleicht der größte Wert des aktuellen Evaluationsberichts. Interessant sind allerdings auch seine Aussagen zur Marktentwicklung. Dokumentiert wird beispielsweise die Verschiebung der Marktanteile von Blei zu Lithium (Grafik 1) aufgrund der massiven Kostendegression bei Lithiumspeichern seit Beginn der Förderung 2013 (Grafik 3) Wenig Änderung gab es derweil in der von den Aachener Wissenschaftlern zum zweiten Mal nach 2015 veröffentlichten Top-Liste der Markt­an­teile (gelber Kasten). Einschränkend betonen Sie, dass hier nur die von der KfW geförderten Systeme erfasst sind – und von den laut KfW bis Ende März bewilligten 19000 Systemen wiederum nur diejenigen, deren Besitzer ihre Anlage bereits zum Monitoring angemeldet haben. „Wir haben hier durchschnittlich eine Verzögerung von 6 bis 9 Monaten“, berichtet Magnor. Den Anteil der ohne Förderung installierten PV-Speichersysteme schätzt das ISEA im Tenor mit dem Bundesverband Solarwirtschaft auf 55 Prozent, so dass man insgesamt von rund 34000 installierten Systemen in Deutschland ausgeht. In der Bilanz von Steuern und Abgaben haben die Speicher übrigens laut Evaluation der ISEA-Studie bislang für die öffentliche Hand nur einen minimalen Effekt. Nicht erhaltene EEG-Vergütung für die PV-Betreiber, Umsatzsteuern und entgangangene Netzentgelte gleichen sich in etwa aus. Positive Effekte auf Arbeitsplätze, Netzintegration der PV und Binnenwirtschaft werden in der Studie benannt, aber nicht beziffert. Text: Guido Bröer

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