EEG-Novelle: Um Details wird noch gefeilscht

Foto: Guido Bröer
Solarthemen 475. Am morgigen Freitag dürfte die No­vel­le des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vom Bundestag beschlossen werden. Viele Punk­te waren dabei Anfang dieser Woche noch strittig. Das wurde auch in einer öffentlichen Anhö­rung am Montag im Wirtschaftsausschuss des Bundestages deutlich.

Normalerweise sind Expertenanhörungen in einem frühen Stadium eines Gesetzgebungsverfahrens üblich. Nicht so in der laufenden EEG-Novelle: Am Montag dieser Woche holte sich der Wirtschaftsausschuss des Bundestages den Rat von Expertinnen und Experten ein – nur zwei Tage vor seiner finalen Sitzung am Mittwoch und vier Tage vor der geplanten Schlussabstimmung im Plenum am Freitag. Ob diese Veranstaltung die Meinungsfindung der unmittelbar anschließenden Koalitionsrunde noch wesentlich beeinflussen konnte, bleibt abzuwarten. Jedenfalls zeigte das Frage-Antwort-Spiel zwischen Politikern und Experten nicht nur, worüber zuletzt noch gefeilscht wurde, sondern auch, dass diese EEG-Änderung wohl tiefgreifender sein wird als alle ihre Vorgänger in den vergangenen 16 Jahren. Die Professorin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ließ kein gutes Haar am bisherigen Regierungsentwurf für die Novelle: „Man erreicht die Klimaschutzziele damit ganz sicherlich nicht.“ Das vorgesehene Mengengerüst von 2800 MW brutto bei Wind-On­shore und 2500 Megawatt für Photovoltaik sei dafür viel zu gering angesetzt, argumentiert die Professorin. Zumal wahrscheinlich ein Teil der ausgeschriebenen Erzeugungskapazitäten nicht realisiert werde, so Kemfert. Sie belegte dies anhand von Erfahrungen mit Ausschreibungen im Wind- und Biogas-Sektor anderer EU-Länder wie Großbritannien und Frankreich. Dort seien teils für 30 bis 50 Prozent der gewonnenen Zuschläge nie Anlagen gebaut worden. „Die Gefahr der Zielverfehlung ist sehr, sehr groß“, resümiert die Wirtschaftswissenschaftlerin. Kompensation für Negawatt? Dies war denn auch einer der offenen Punkte, als sich die Fachpolitiker der Koalition am Montagabend hinter verschlossenen Türen zu Verhandlungen über Details der Novelle zurückzogen: Sollen die „Negawatt“ aus bezuschlagten, aber nicht realisierten Projekten bei späteren Auktionen zusätzlich neu ausgeschrieben werden? Im Entwurf des Bundeskabinetts ist dies nicht vorgesehen. Auch der Bundesrat, der beim EEG kein Vetorecht hat, hat sich allerdings dafür stark gemacht. Ins gleiche Horn blies Stefan Kapferer, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Auch er forderte Änderungen bei den auszuschreibenden Mengen, weil nicht alle Projekte, die einen Zuschlag erhalten hätten, tatsächlich auch gebaut würden. Daher müsse die Ausschreibungsmenge höher sein als der angestrebte Zielkorridor. Umstrittene „Synchronisation“ Insgesamt lobte Kapferer den Versuch der Bundesregierung, den Ausbau erneuerbarer Energien mit dem Netzausbau zu synchronisieren. Uwe Nestle vom Büro für Energie- und KlimaPolitik (EnKliP) warnte hingegen davor, den Ausbau der erneuerbaren Energien an den Netzausbau zu knüpfen. Der Ansatz der Bundesregierung, den Zubau von Windkraft- und Solaranlagen in den so genannten Netzausbaugebieten zu bremsen, verfälsche den wirtschaftlichen Anreiz für Netzbetreiber für einen schnelleren Netzausbau. Und es werde auch die Kosten der Windenergie letztlich in die Höhe treiben, warnt Nestle. Volkswirtschaftlich und für die EEG-Umlage sei es jedenfalls die denkbar schlechteste Variante, potenziellen Investoren zu signalisieren: „Da, wo es günstig ist, dürft ihr nicht bauen.“ Die halbe Milliarde Euro, die im Jahr 2015 an Entschädigungen für zeitweilig abgeschaltete Windkraftanlagen gezahlt worden seien, entsprächen 0,1 Cent pro Stromkunde und ließen sich fast ganz auf lediglich zwei Engpässe zurückführen, die beide in absehbarer Zeit durch neue Leitungen behoben sein würden: die schnell voran schreitende Westküstentangente in Schleswig-Holstein und die ebenfalls im Bau befindliche Thüringer Strombrücke zwischen Bayern und Ostdeutschland. Dem Klimaschutzgedanken widerspreche der von der Bundesregierung vertretene Ansatz der Synchronisation von Netzausbau und weiteren Erzeugungskapazitäten ohnehin, so Nestle: „Denn auch Ökostromanlagen, die zeitweise abgeregelt werden müssen, reduzieren in den anderen Zeiten Treibhausgasemissionen.“ Sektoren koppeln So sieht das auch Martin Grundmann, Geschäftsführer der ARGE Netz, eines Zusammenschlusses von 300 Regenerativstrom-Unternehmen in Schleswig-Holstein. Die Abgeordneten versuchte er zu überzeugen, die Möglichkeiten für so genannte zuschaltbare Lasten gegenüber dem bisherigen Gesetzentwurf deutlích auszuweiten. Bislang möchte die Regierung lediglich zulassen, dass Übertragungsnetzbetreiber Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen mit mehr als 500 kW Leistung (vgl. Solarthemen 474) als zuschaltbare Last unter Vertrag nehmen. Ihr Strom würde dann im Falle von Netzengpässen zur Wärmeerzeugung genutzt. Diese Möglichkeit solle „auch für andere bestehende und noch zu entwickelnde Anwendungsmöglichkeiten in den Sektoren Wärme und Verkehr“ geöffnet werden, so Grundmann. Er denkt etwa an Speicher, Power-to-Gas-Anlagen und Elektromobilität. Auch plädierte Grundmann dafür, diese Option nicht nur auf Übertragungsnetzbetreiber zu beschränken, wie es der Regierungsentwurf vorsehe, sondern auch für andere Player zu öffnen. Man möge doch auch direkte Beziehungen zwischen den Regenerativstromproduzenten und Nutzern begünstigen, so dass der ansonsten wegen Netzengpässen abgeregelte Strom das Netz gar nicht erst erreiche. Mit kleinen Änderungen am EEG-Entwurf lasse sich diesbezüglich schon viel erreichen, sagte Grundmann und spricht den Abgeordneten Mut zu: „Man kann damit nicht viel falsch machen.“ Auch Martin Altrock, Rechtsanwalt der Kanzlei Becker Büttner Held, sprach sich für Experimentierklauseln im EEG aus, mit denen erste Schritte in Richtung Sektorkopplung unternommen werden könnten. So sei es eine gute Idee, für einen räumlich und zeitlich begrenzten Bereich für solche Experimente die Stromsteuer aufzuheben. So kritisierte Altrock auch den neu eingeführten § 27 a des EEG-Entwurfs, der die Kompletteinspeisung allen Stroms aus durch Ausschreibungen geförderten Anlagen vorschreibt. Er solle so erweitert werden, dass eine Nutzung des Stroms vor der Netzeinspeisung möglich werde. Ebenso sei dafür der neue § 61 a zu ändern. Dieser hebt die bisherige Doppelbesteuerung von zwischengespeichertem Regenerativ-Strom auf. Jedoch soll dies laut Gesetzentwurf nur gelten, wenn der Strom aus dem Speicher vollständig ins Netz eingespeist wird. Speicher zur Versorgung von Industriebetrieben würden somit ebensowenig profitieren wie die Stromtankstelle eines Fuhrparks. Bürgerenergie Gespannt sein darf man auch, was bei den Verhandlungen innerhalb der Koalition zum oft beschworenen Thema Akteursvielfalt herauskommt. Stellvertretend für etwa 850 Energiegenossenschaften sprach Eckhard Ott vom Deutschen Genossenschaftsverband vor den Abgeordneten. Er hielt sich nicht mit grundsätzlicher Kritik am Ausschreibungsmodell auf, sondern forderte von den Abgeordneten konkrete Änderungen des Gesetzentwurfs, um die Chancen kleiner Bürgerenergiegesellschaften zu verbessern. So sei beispielsweise der Passus aus dem Gesetzentwurf zu streichen, nach dem die Sonderbehandlung für Bürgerenergiegesellschaften entfalle, sobald nur ein Genossenschaftsmitglied auch an einem anderen Unternehmen beteiligt sei, dass sich bei den Ausschreibungen bewerbe. Dies sei kaum zu kontrollieren und deshalb nicht praktikabel. Kommunale Beteiligung Eine Sonderrolle möchte der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) für die Stadtwerke erreichen. Schon heute böten Stadtwerke oft an, sich an Bürgerenergiegesellschaften zu beteiligen, betonte der stellvertretende VKU-Hauptgeschäftsführer Michael Wübbels. Solche Beteiligungsmodelle, die gerade unter den erschwerten Bedingungen der Aus­schreibungen interessant würden, hätten allerdings nach dem bisherigen EEG-Entwurf keine Chance von der Sonderbehandlung für Bürgerenergiegesellschaften zu profitieren. Der SPD-Abgeordnete Johann Saathoff hatte vorgeschlagen, kommunale Unternehmen sogar verpflichtend an Bürgerenergieprojekten gemäß künftiger EEG-Definition zu beteiligen. Regionalstrom-Modell VKU-Experte Wübbels war übrigens der einzige, der das von der Bundesregierung in § 79 a des EEG-Entwurfs vorgesehene System regionaler Strom­nachweise lobte. Das von vielen in der Ökostrom-Szene als wirkungslos und bürokratisch kritisierte Modell eröffnet Versorgern die Option, Strommengen aus einem Umkreis von 50 Kilometern, die per Ausschreibung und Marktprämienmodell gefördert werden, als regionalen Strom aus erneuerbaren Energien zu labeln. Der VKU setzt sich sogar dafür ein, nach dem gleichen Modell im Bedarfsfall auch bundesweit Zertifikate für Regionalstrom einkaufen zu dürfen. Text und Foto: Guido Bröer

Beliebte Artikel

Schließen