Heribert Sterr-Kölln: EEG-Novelle erhöht Risiken

Heribert Sterr-Kölln ist als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Leiter des interdisziplinären Beratungsunternehmens Sterr-Kölln & Partner, das sich auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz spezialisiert hat. Die Solarthemen sprachen mit Sterr-Kölln über die Auswirkungen der kommenen EEG-Novelle auf die Projektierung von Windparks und die Chancen für neue lokale Projekte.

Solarthemen: Die EEG-Novelle wurde vom Bundestag noch nicht beschlossen, aber Ausschreibungen kommen. Worauf müssen diejenigen achten, die künftig ein Projekt realisieren wollen?

Heribert Sterr-Kölln: Es sind neue organisatorische Prozesse notwendig. Bisher war es so, dass ein Projekt die Baureife und Finanzierungssicherheit in der Regel erreicht hatte, wenn es die Genehmigung nach dem Bundesimmissionschutzgesetz, kurz BImSchG, bekommen hatte und die Grundstücke gesichert waren. Das ist nach Änderung des EEG nicht mehr der Fall. Das heißt, es kommt nach der Genehmigung eine weitere Phase hinzu, weil ich als Investor erst an einer Ausschreibung teilnehmen muss. Ich werde einschätzen müssen, mit welchem Preis ich auf Basis meiner Kosten und mit Blick auf die Wettbewerber eine Chance auf einen Zuschlag haben kann. Vor dem Hintergrund, dass Margen sinken und Risiken steigen, stellt das eine echte Herausforderung für alle Marktteilnehmer dar. Das bringt eine große, gewollte Unsicherheit und verlagert die Machtpotenziale. Wenn man schaut, wer über wichtige Marktkenntnisse für das Ausschreibungsverfahren verfügt, sind das zuerst die Hersteller.

Nicht die Projektierer?

Die größeren Hersteller hätten, die Möglichkeit mitzuentscheiden, welche ihrer potenziellen Kunden zum Zuge kommen können. Der Wettbewerb ist auf ein paar wenige Unternehmen beschränkt. Es ist eine deutlich größere Anzahl von Projektierungsunternehmen, die an diesem Wettbewerb teilnehmen. Insofern verlagert sich das Verfahren dahin, dass ein Projektentwickler im Grunde mit dem Hersteller gemeinsam in die Preisermittlung für die Ausschreibung gehen muss, um am Ausschreibungsverfahren erfolgreich teilnehmen zu können.

Der Projektierer könnte aber die Konkurrenz der Hersteller nutzen.

Nein, das kann er in der Regel nicht. Denn mit dem Antrag auf eine BImSch-Genehmigung hat er sich bereits frühzeitig auf einen Anlagentyp festgelegt.

Dessen Preis er sich aber wohl über einen Vorvertrag gesichert hat.

Der Anlagentyp muss bereits bei Einreichung der Genehmigungsunterlagen feststehen, oft mehr als ein Jahr vor der Genehmigung. Ich müsste also schon zu diesem sehr frühen Zeitpunkt einen Preis festgezurrt haben. Aber das wird schwierig. Bislang konnte ein Projektierer zurück rechnen. Er wusste, mit welcher Vergütung oder Marktprämie er bei Realisierung der Anlagen in einem bestimmten Quartal rechnen konnte. Auf dieser Basis konnte die Ermittlung des Cash Flows und die Projektfinanzierung abgeschlossen werden. Damit war klar, ob ein Deckungsbeitrag erzielt werden kann. Demnächst muss man umgekehrt arbeiten. Das verlangt ein gravierendes Umdenken bei denen, die Projekte zur Genehmigung bringen und realisieren wollen. Und es erfordert eine gute Kooperation mit dem Anlagenhersteller.

Stichwort Akteursvielfalt. Was bedeutet die von Ihnen skizzierte Lage für einen kleinen Projektierer, ein kleines Stadtwerk oder eine Genossenschaft?

Da muss man differenzieren. Wenn eine Kommune eigene Grundstücke hat, wird sie in der Zukunft weiter mitspielen können. Aber die kleineren Projektierungsunternehmen geraten in eine schwierige Position. Die Projektentwicklungsdauer wird sich deutlich um die Phase der Ausschreibung verlängern. Die Projektierer oder Investoren bleiben länger im Risiko. Gleichzeitig werden die Margen für die Projektentwicklung sinken. Die Kombination aus wachsendem Risiko, geringeren Margen und längerer Kapitalbindung kann für kleinere Projektierer durchaus fatal sein. Und sie haben dann auch nicht die Marktmacht, um mit einem Hersteller wie ein großer Projektierer zu verhandeln.

Nun soll es für Bürgergesellschaften Vergünstigungen geben, um die Akteursvielfalt zu erhalten. So muss bei diesen zur Ausschreibung die BImSch-Genehmigung noch nicht vorliegen. Können die Gesellschaften davon profitieren?

Nein, das sehe ich leider nicht. Diese grundsätzliche Reform hin zu mehr Wettbewerb ist ja richtig, auch wenn andere, bessere Wege möglich wären. Die Europäische Union würde eine wesentlich großzügigere Deminimis-Regel erlauben, um Akteursvielfalt tatsächlich zu ermöglichen. Diese Option wird im kommenden EEG wohl nicht genutzt werden. Stattdessen hat die Regierung einen Euphemismus eingeführt, der in der Aussage besteht, man wolle Bürgerenergiegesellschaften bevorzugen, ohne dies in der Realität zu ermöglichen. Ich hoffe, dass dies nicht böser Wille ist, aber es wirkt genau so wie böser Wille. Wie soll eine Bürgerenergiegesellschaft Kosten und Preise kalkulieren, wenn sie die BImSch-Genehmigung nicht hat. Von der hängt ab, welche Auflagen für ein Projekt gelten, etwa aufgrund von naturschutzfachlichen Anforderungen – wie etwa den Schutz von Fledermäusen, Rotmilan, Seeadler etc., der Umfang von Ausgleichs- oder Ablenkflächen und Lärmschutzregelungen. Ohne BImSch-Genehmigung fehlen Informationen, die die Kosten beeinflussen. Damit kann eine Bürgergesellschaft kein seriöses Angebot abgeben.

Wie beurteilen Sie Detailregelungen im EEG – so etwa die Anforderung, dass die Vergünstigungen bei den Ausschreibungen nur gelten, wenn kein Mitglied zum Beispiel einer Genossenschaft bereits an einem anderen ausgeschriebenen Projekt beteiligt ist?

Das ist nicht zu handhaben. Diese Regelungen rund um Bürgerenergiegesellschaften müssen von einem Menschen stammen, der noch nie sein Büro verlassen hat. Das ist völlig unrealistisch. Dazu kommt, dass diese Einschränkung nur gelten wird, bis ein Projekt errichtet ist. Theoretisch könnten das große Spieler problemlos ausnutzen und umgehen. Die Spezialität, die Sie ansprechen, dass geprüft werden müsste, ob nicht ein einzelner Gesellschafter an einem anderen Projekt beteiligt sein könnte, müsste durch Eigenerklärung abgesichert werden – das ist völlig praxisfremd. Hier habe ich aber die Hoffnung, dass es möglicherweise noch Nachbesserungen im Gesetzgebungsverfahren geben wird.

Was würden Sie einem lokalen Projekt empfehlen? Muss man ihnen raten, dass sie sich einen großen Projektierer suchen sollen?

Das ändert sich gegenüber der jetzigen Situation kaum. Wir haben Kommunen und kleinen Gesellschaften immer davon abgeraten, ein doch relativ großes Projekt wie einen Windpark allein stemmen zu wollen. Zum einen fehlt häufig die Erfahrung und zum anderen trägt jedes Projekt das Risiko des Scheiterns in sich. Daraus folgt, wenn ich nur ein Projekt entwickle, das Risiko des Totalverlustes. Eine Kommune in unserer Region, der das egal oder nicht bewusst war und die selbst einen größeren Gewinn erwirtschaften wollte, hat dann einen Verlust von rund 500000 Euro hinnehmen müssen, bis sie wusste, dass zwar Wind an dem geplanten Standort weht, aber ein Windpark nicht realisierbar sein würde. Bürgerenergiegenossenschaften waren auch bisher schon in den meisten Fällen auf Kooperationen mit Profis angewiesen. Hierfür gibt es gute und bewährte Modelle. Der Weg für die Bürgerenergiegesellschaften wird auch künftig darin bestehen, sich für größere Projekte zusammenzuschließen und geeignete Partner zu suchen. In solche Kooperationen können die vergleichsweise kleinen Bürgerenergiegesellschaften einen großen Vorteil einbringen: die Akzeptanz vor Ort.

Welche Kriterien kann eine Bürgerenergiegesellschaft anwenden, um den passenden Projektierer zu finden?

Wir begleiten auch Kommunen, die einen Projektierer suchen. In der Regel nutzen wir dafür ein Ausschreibungsverfahren. Vorher besprechen wir mit der Kommune – oder Bürgerenergiegesellschaft, welche unverzichtbaren Ziele mit der Kooperation erreicht werden sollen. Diese werden bereits in der Ausschreibung transparent gemacht. Die Projektierer präsentieren sich dann mit ihrem Angebot. Nach meiner Erfahrung kommen dabei nicht immer die selben zum Zuge. Dabei kann ein wichtiges Kriterium sein, ob der Projektpartner bereit ist, das Projektentwicklungsrisiko im Wesentlichen alleine zu tragen. Das kann für kleine Gesellschaften und Kommunen ele­mentar sein. Damit erzielen sie zwar am Ende weniger Gewinn, wenn es gelingt. Aber sie vermeiden das Risiko eines großen Verlustes. Natürlich hängt die Zusammenarbeit auch davon ab, wie glaubwürdig die potenziellen Partner erlebt werden. Da geht es dann nicht nur um das Papier und Geld, sondern auch um die Menschen.

Wir hatten zu Beginn über Auswirkungen der EEG-Novelle gesprochen. Wird es zu einer Konzentration der Projektierer kommen?

Ja, hier sehe ich eine deutliche Tendenz. Das ergibt sich auch durch eine deutliche Mengenreduzierung. Wegen des Widerstandes gegen Projekte und höhere naturschutzfachliche Anforderungen hat sich die Entwicklungsdauer für Windprojekte ohnehin schon deutlich verlängert. Jetzt wird sich dies wegen der Ausschreibungen noch einmal verlängern. Zudem werden, verglichen mit den letzten Jahren, aufgrund der mit dem neuen EEG verbundenen gesetzlichen Mengenbeschränkung Projekte mit einem Volumen von ca. 1000 Megawatt pro Jahr auf der Strecke bleiben. Also müssen nun Investoren und Projektentwickler damit rechnen, dass sich ihr Projekt nicht realisieren lässt oder deutlich verzögert. Das wird für viele zu einem Finanzierungsproblem. Projektentwicklungen müssen in der Regel aus Eigenkapital finanziert werden. Ich würde davon ausgehen, dass wir in zwei bis drei Jahren bis zu einem Drittel der heutigen Akteure verlieren werden.

Interview: Andreas Witt
Foto: Sterr-Kölln & Partner

Beliebte Artikel

Schließen