Interview mit Hermann Albers: Das EEG verdient seinen Namen nicht mehr!

Hermann Albers, Praesident des BWE e.V. , BWE Geschaeftsstelle in Berlin
Solarthemen 476. Hermann Albers, der Präsident des Bundesverbandes WindEnergie, ist im Berliner Politikbetrieb ebenso zuhause wie in seinem Heimatort Simonsberg bei Husum. Dort leitet er den örtlichen Bürgerwindpark sowie weitere Bürgerwindgesellschaften in der Umgebung. Seine ersten Windkraftanlagen baute Albers vor mehr als 20 Jahren auf dem Land seiner Eltern. Im Solarthemen-Interview spricht er über den jüngst vom Bundestag beschlossenen Paradigmenwechsel im Erneuerbare-Energien-Gesetz und dessen mögliche Folgen.

Solarthemen: Mit dem neuen EEG hat der Bundestag einen Paradigmenwechsel beschlossen. Wie kann die Windbranche damit leben?

Hermann Albers: Eigentlich ist der Titel dieses Gesetzes nicht mehr berechtigt, weil es deutlich abweicht von der Tradition des EEG und völlig andere Zielsetzungen hat. Man hätte dafür einen neuen Namen finden müssen. Wir haben bis zum Schluss in der Präambel all unserer Stellungnahmen die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass alle Ziele der Bundesregierung – Kostensenkung, Akteursvielfalt und Ausbauziele – mit einer Fortschreibung des altbekannten Erneuerbare-Energien-Gesetzes gut und sicher erreichbar gewesen wären. Damit hätten wir eine ganz starke Bewegung im Bereich der Bürgerenergiegesellschaften erhalten können. Das ist für die Akzeptanz sehr wichtig. In allen Ländern, die zum Ausschreibungsmodell übergegangen sind, ist die Akteursvielfalt schnell eingebrochen. Dieses mit dem Systemwechsel verbundene Risiko hätten wir gern ver­mieden. Wir haben da große Sorgen. Billiger wird’s durch Ausschreibungen auch nicht. Mit einer Anspitzung der Degression von Vergütungssätzen hätte man durchaus Kosten senken und die Schmerzgrenze ausloten können. Ein Riesenproblem der Ausschreibungen ist, dass die Ausschreibungsziele nicht erreicht werden. In den heutigen Ausschreibungsländern werden im Schnitt 50 Prozent der bezuschlagten Projekte nicht realisisiert. Auch in den deutschen Photovoltaik-Pilotausschreibungen sind bislang erst 30 Prozent der in den ersten Ausschreibungen erfolgreichen Projekte gebaut worden. Vor diesem Hintergrund ist für uns unverständlich, dass man den Koalitionsvertrag nicht eingehalten hat und die Erfahrungen der PV-Pilotausschreibungen nicht abgewartet hat, ehe man das Instrument auf andere Erneuerbare ausdehnt.

Das Gesetz ist nun beschlossen. Wird die Windkraft als Bürgerenergie damit wirklich so tot sein, wie es teils prophezeit wurde. Birgt die Sonderbehandlung für Bürgerprojekte nicht durchaus eine Chance?

Wir müssen abwarten, wie beweglich und kreativ die Bürgergesellschaften damit umgehen. Für die kommenden Jahre haben wir die paradoxe Situation, dass auf der einen Seite die Bürgerenergiegesellschaften vor Ort die Genehmigungen haben, während von den institutionellen Marktteilnehmern möglicherweise die günstigsten Angebote bei den Ausschreibungen kommen werden. Dieses Paradoxon kann die Ausbauziele gefährden. Das macht mir Sorge. Die Art der jetzt beschlossenen Bevorzugung der Bürgerenergiegesellschaften weicht jedenfalls deutlich von der De-minimis-Regelung ab, die wir gefordert hatten. Selbst Brüssel war der Meinung, dass 18 Megawatt pro Windpark von Ausschreibungen freigestellt werden sollten. Es ist schon interessant, dass die Bundesregierung uns unter Zitat der EU-Kommission viele Türen vernagelt hat, während man dort, wo die Tür sichtbar offen ist, eine solche Freigabe nicht nutzt. Jetzt dürfen die Bürgerenergiegesellschaften zwar früher, nämlich ohne Immissionsschutzprüfung, an der Ausschreibung teilnehmen. Ob das wirklich ein entscheidender Vorteil ist, das würde ich eher bezweifeln.

Bringt das nicht sogar zusätzliche Unsicherheit, wenn man ohne Genehmigung in eine Ausscheibung geht?

Ja, am Ende sind die Pönalen fällig, wenn das Projekt nicht realisiert wird. Und wir wissen ja, zu welchen Überraschungen es im Zuge von Baugenehmigungsverfahren kommen kann.

In letzter Minute hat die SPD in das Gesetz hineinverhandelt, dass Kommunen eine Beteiligung an Bürgerenergiegesellschaften angeboten werden muss. Ist das eine gute Idee?

Die Wirkung muss man abwarten. Es ist jedenfalls eindeutig eine zusätzliche administrative Hürde für die Projektträger. Und dann gibt es noch das Problem, dass sich Kommunen je nach Bundesland vielleicht nicht wirtschaftlich beteiligen dürfen. Eine direkte Beteiligung der Kommune mit wirtschaftlichem Risiko, das ist nicht unproblematisch für die öffentliche Hand und die Amtsinhaber. Man stelle sich nur vor, ein solches Projekt hätte einen zu niedrigen Preis angeboten und wäre wirtschaftlich nicht erfolgreich. Das könnte ein Querschläger für die Akzeptanz der Windenergie sein. Ich bin nicht sicher, ob man diesen Punkt, der in letzter Minute ins Gesetz gehievt wurde, ausreichend durchdacht hat.

Wenn man sieht, wie oft in Nordfriesland die Windräder stillstehen, klingt es vernünftig, dass Gabriel den Ausbau regenerativer Erzeugungskapazitäten an den Netzausbau koppeln will, oder?

Die Abschaltung in Deutschland beträgt zwischen 1,8 und 3 Prozent der erzeugten Energie – je nach Bemessungsgrundlage. Sie ist nach wie vor ein Ausnahmezustand. Richtig ist, dass sich diese Abschaltungen auf wenige Regionen konzentrieren – insbesondere die Westküste Schleswig-Holsteins. Wir haben gerade wegen dieser Erfahrung den Vorschlag gemacht, die Sektorenkopplung zu stärken.

Dafür sind ja erste Ansätze im EEG jetzt vorgesehen.

Ja. Das ist einer der entscheidenden Erfolge des BWE: Wir konnten erreichen, dass für den sonst abgeschalteten Strom eine Verwendung in anderen Sektoren möglich wird, um so Power to X umzusetzen. Darüber sind wir sehr, sehr froh. Die Betreiber können sich jetzt Gedanken darüber machen, wie man diesen wertvollen, CO2-freien Strom sinnvoll nutzen kann.

Der Netzausbau bleibt aber aktuell?

Ja, allerdings hätte man hier Bedingungen setzen müssen. Wir haben eine ganze Reihe von Techniken, mit denen man Netze besser führen und auslasten kann. Nun hat der Gesetzgeber zwar Entlastung für den Netzausbau geschaffen. Man kann aber befürchten, dass die Netzbetreiber demnächst immer mehr Netzengpassregionen erklären und damit auch in anderen Regionen den Ausbau der Erneuerbaren deutlich drosseln.

Mit den „Netzausbauregionen“ wird der Zubau zugunsten windtechnisch unterentwickelter Regionen gebremst. Das müsste den BWE-Vorsitzenden doch freuen.

Der BWE wünscht den dezentralen Ausbau in ganz Deutschland. Das Instrument dafür ist das Referenzertragsmodell. Damit erhalten windschwächere Regionen eine höhere Vergütung und windstärkere eine geringere. Das ist selbst bei den Erneuerbaren einmalig. Damit haben wir ein sehr intelligentes Instrument. Auf der anderen Seite wird uns ständig die Prämisse des am günstigsten erzeugten Stromes vorgehalten. Wenn man das ernst nimmt, hätte die Bundesregierung schon vor zehn Jahren mehr tun müssen, um in diesen Regionen den Netzausbau zu beschleunigen. Mit diesem EEG könnten sich Netzbetreiber ermutigt fühlen, ihre Ausbaupläne noch ein bisschen weiter nach hinten zu schieben.

Beschlossen wurde nun ein Windkraftzubau von 2800 respektive 2900 Megawatt pro Jahr brutto. Früher war von 2500 MW netto die Rede. Was ist aus Sicht der Branche die bessere Zahl?

Ganz klar besser war der frühere Bund-Länder-Kompromiss von 2500 netto. Nach Zahlen des Wirtschaftsministeriums hätte dafür der Bruttozubau im Durchschnitt der kommenden Jahre bei 4000 bis 4500 Megawatt liegen müssen, wenn man das Repowering berücksichtigt. Damit wären wir viel dichter an den Pariser Klimaverträgen. Mit 2800/2900 Megawatt brutto wird Repowering nicht attraktiv sein.

Ist es nicht genau andersherum: Die sehr guten Standorte, die repowert werden können, werden bei Ausschreibungen die Nase vorn haben. So würde aus 2900 brutto ganz wenig netto.

Ja sicher. Auch dieses Risiko steht im Raum. Wenn das Repowering aktiv vorangetrieben wird, dann wäre der Netto-Zubau noch viel geringer. Aber ich glaube, dass die Inhaber dieser Projekte, die als Bürgerenergiegesellschaften vor Ort angesiedelt waren, sich genau überlegen werden, ob sie diese Projekte vorzeitig repowern. Wenn der verschärfte Wettbewerb dazu führt, dass die Erlöse nicht attraktiv sind, dann werden die Inhaber lieber ihren alten Windpark weiterbetreiben als in das Risiko einer Ausschreibung zu gehen.

Wird es in den nächsten Jahren, bevor die Ausschreibungen richtig greifen, einen großen Vorzieheffekt geben?

Zunächst mal: Der hohe Zubau der vergangenen Jahre hatte zwei Gründe. Der eine ist die Entlastung durch die europäische Niedrigzinspolitik. Dadurch konnten wir die Degression, die im EEG 2014 eingebaut war durch niedrige Zinsen kompensieren. Das ist ein Grund dafür, dass der Zubau sich auf einem erfreulich stabilen hohen Niveau bewegt hat. Der zweite Grund ist der Fukushima-Effekt: Mit der Erklärung der Bundeskanzlerin zum Ausstieg aus der Kernenergie und dem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien haben sich die Bundesländer um neue Flächenausweisungen bemüht und diese Flächen wurden mit einem Verzug von zwei bis fünf Jahren wirklich bebaubar. Inzwischen ist der Zubau schon wieder stark zurückgegangen. Auf der anderen Seite bemühen sich die Firmen natürlich, ihre Projekte noch vor dem Beginn der Ausschreibungen zu bauen. Wie weit die kurzfristig ins EEG aufgenommene Sonderdegression dabei hemmend wirkt, müssen wir abwarten. Einige Projektierer haben öffentlich erklärt, dass die Hälfte ihrer Standorte durch die Degression und die Sonderdegression nicht mehr wirtschaftlich sind. Ich bin sehr gespannt, wie die Branche damit umgeht und inwieweit sie in der Lage sein wird, Kosten in bereits laufenden Projekten zu senken.

Interview: Guido Bröer
Foto: BWE

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