Interview mit Jochen Hauff (BayWa r.e. / SolarPower Europe): Wir brauchen Vereinfachung

Solarthemen 496. Jochen Hauff ist Vize-Präsident der Organisation SolarPower Europe und arbeitet als Leiter Unternehmensentwicklung, Energiewirtschaft & Politik bei der BayWa r.e. renewable energy GmbH. Dort ist er auch für die Strategieentwicklung zuständig. Von 2000 bis 2014 war er bei der Unternehmensberatung A.T. Kearney tätig, u.a. im Bereich Erneuerbare Energien. Vor dem Hintergrund der europäischen Debatte um das Energiepaket sprach Solarthemen-Redaktuer Andreas Witt mit ihm über die Situation der PV in Europa.

Solarthemen: Wie schätzen Sie die derzeitige Situation auf dem europäischen Photovoltaik-Markt ein?

Jochen Hauff: Die aktuellen Zahlen belegen, dass der Zubau im Solarbereich langsam wieder anzieht. Wir sind aber lange noch nicht bei dem Potenzial, das Europa eigentlich hat. Auf Europa entfallen derzeit unter zehn Prozent des Weltmarktes. Insofern muss und kann es noch erheblich besser werden. Die derzeitige Erholung zeigt sich aber nicht so sehr in großen Zahlen, sondern eher strukturell. Wir sehen eine Verbreiterung des Zuwachses, der in den vergangenen Jahren im Projektgeschäft vor allem von Großbritannien getrieben wurde, während die Märkte in anderen Ländern sehr darnieder lagen. Nun geht die Bedeutung Großbritanniens zurück und andere Länder legen mit einem moderaten Wachstum zu.

Wo sehen Sie die Hoffnungsmärkte?

Als Hoffnungsmärkte gelten derzeit Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und eventuell auch neue Märkte wie Portugal und Polen. Dennoch sind dies natürlich eher kleinere Mengen, wenn man sie mit dem Weltmarkt vergleicht, den wir von SolarPower Eu­rope auf 85 bis 90 Gigawatt in diesem Jahr einschätzen.

Wo sehen Sie denn die wesentlichen Hemmnisse in Europa?

Da gibt es je nach Segment eine ganze Reihe. Wenn man sich die großen Anlagen ansieht, dann sind es in Deutschland die Flächenbegrenzungen und die Kappung der Leistung eines PV-Kraftwerkes auf maximal 10 Megawatt. Das ist ein absoluter Hemmschuh. So lassen sich die theoretisch möglichen, sehr günstigen Kosten nicht in vollem Maße erreichen. Das bekommen Sie nicht hin, wenn Sie in komplexen Geländesituationen relativ kleine Anlagen installieren und dabei noch sehr aufwändige Genehmigungsverfahren durchlaufen müssen. Da muss man Quantität reinbringen, damit die Kostendegression dazu führt, dass man auf Niedrigststrompreise kommen kann. Die Flächenkulisse ist also für Deutschland eine wichtige Barriere. Bei Firmenkunden gibt es andere Hemmnisse, wie ich gerade gestern bei einer Veranstaltung der SolarPower Europe erfahren habe. Da waren globale Unternehmen, die sich selbst 100-Prozent-Ziele für erneuerbare Energien gesetzt haben, wie Google, Microsoft, Procter & Gamble oder IKEA. Viele der Teilnehmer bemängelten, dass der bürokratische Aufwand, die Vielzahl der komplexen Regelungen und die Unsicherheiten, mit denen Investitionen in Eigenerzeugungsanlagen behaftet sind, eine massive Barriere darstellen. Das führt sogar dazu, dass große Rechenzentren nicht in Deutschland gebaut werden, weil man sich hier nicht zu geringen Kosten mit eigenem Strom versorgen kann. Das machen die Unternehmen dann in Ländern wie den Niederlanden und Irland, wo es einfacher ist. Die großen Unternehmen wollen für grüne, klimafreundliche Energie durchaus mehr bezahlen, aber sie brauchen eine sichere Kalkulationsbasis für die Kosten. Für das Segment der kleinen und mittelgroßen Anlagen gilt das hingegen nur bedingt. Hier sehen wir eine positive Entwicklung, die sich auch in den Wachstumszahlen für 2017 widerspiegelt.

Nun gab es über viele Jahre hinweg eine auch in der Branche kontrovers geführte Diskussion über die Preissituation in Europa mit Blick auf Mindesteinfuhrpreise für Solarmodule aus China. Nun hat die EU-Kommission einen neuen Beschluss gefasst, die Mindesteinfuhrpreise abzusenken. Ist damit aus Ihrer Sicht alles geklärt?

Leider nein. Wir begrüßen zwar, dass die Kommission etwas getan hat und es nicht hat so schlimm werden lassen, wie es gedroht hat. Aber es ist aus unserer Sicht grundsätzlich falsch, diese Zölle weiterhin zu erheben und uns diesen Aufwand weiter treiben zu lassen. Ein weiterer Grund ist, dass die alte Regel durch die gewollte Verbesserung zwar ausgehoben, die neue aber nicht gleichzeitig spezifiziert wurde. Die Frage also, wie nach den neuen Bestimmungen ein rechtssicherer Import möglich ist, welche Unterschrift auf welchem Formular wann von wem zu leisten ist, wird den nationalen Zollbehörden überlassen. Dazu gibt es inzwischen eine Handreichung der EU, die wir gerade analysieren und wir hoffen, dass diese möglichen Unsicherheiten in der konkreten Ausführung vorbeugen kann.

Das ist für die Importeure derzeit problematisch. Aber wird sich das nicht in den nächsten Monaten klären?

Es ist die Frage, wie lange das dauert. Wir befinden uns in Europa in einem sich erholenden Markt. Der globale Markt aber boomt, das heißt, die Ware Solarmodul ist knapp. Wir müssen jetzt Ware sichern und sie auf den Weg bringen. Wir können nicht später bestellen, wenn wir Kunden zufrieden stellen wollen. Auch so kann man einen Markt kaputt machen. Für einen Großhändler, der von großen Mengen bei geringen Margen lebt, ist es keine valide Option abzuwarten.

Auf europäischer Ebene wird ein ganzes Energiepaket diskutiert, darunter die Erneuerbare-Energien-Richtlinie und die Gebäuderichtlinie. Geht das in die richtige Richtung?

Grundsätzlich ja, das Paket der Kommission spricht wichtige Punkte an. Es ist zu begrüßen, damit das Thema ganzheitlicher zu regulieren. Dass man versucht, Themen, die zusammen gehören, auch zusammen zu diskutieren. Das ist komplex und so verwundert es nicht, dass im Detail noch erheblich nachgeschärft werden muss. Das eine wichtige Detail ist zunächst die Zielsetzung: Einen 27-Prozent-Erneuerbare-Energien-Anteil, der aber nicht verpflichtend ist, lehnen wir als SolarPower Europe ebenso wie andere Verbände klar ab. Wir brauchen 35 Prozent, damit es überhaupt ambitioniert ist und nicht nur ein Minimalkonsens. Es wird schwierig, das durchzusetzen, auch wenn das Parlament sich wohl dafür einsetzt. Denn einige Mitgliedsländer sind dagegen. Ein anderer Aspekt, wo die Kommission Impulse setzt, ist der Bereich des Eigenverbrauchs. Hier wird klar gesagt, dies solle ermöglicht werden, die Länder sollten eine Ermöglichungsstrategie fahren. Privathaushalte, Gewerbebetriebe und Industrie sollen in die Energiewende investieren und zu Prosumern werden. Und da kann es nicht angehen, dass Deutschland hier zu den Blockierern zählt. Alle, mit denen ich in Brüssel gesprochen habe, sagen: Das Problem sind die Deutschen. Vieles, was jetzt von deutscher Seite gefordert wird, ist für Kunden nicht mehr nachvollziehbar. Hier muss es einen Paradigmenwechsel geben. Wir brauchen eine veränderte Perspektive: Die Energiewende muss vom Kunden bzw. Bürger her gedacht werden. Die Leute müssen die Energiewende in all ihren Facetten auch wollen und ihre Überzeugung umsetzen können. Dafür brauchen wir keine zehn Prozent Rendite. Es muss vernünftig und vor allem einfach sein. Aber einfach – da tut sich die Politik Stand heute noch immer schwer.

Was wäre denn aus Ihrer Sicht besonders wichtig, um den PV-Markt nachhaltig zu beleben?

Wenn es tatsächlich gelingt, Endkonsumenten – Privathaushalte, Gewerbe und Industrie – zu Prosumern zu machen, dann wird es laufen. Die zentralen Punkte sind: Vereinfachung, Transparenz und ein marginal profitabler Business Case. Wir müssen das Gestrüpp aus komplizierten Regelungen und Unsicherheiten beseitigen.

Interview: Andreas Witt
Foto: BayWa r.e.

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