Interview mit Carsten Körnig, BSW: Auch in dieser Legislaturperiode wird uns nichts geschenkt werden.

Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW) sieht im Koalitionsvertrag wenig Licht und viel Schatten. Im Solarthemen-Interview spricht er über die Chancen und die Defizite aus Sicht der Solarbranche.

Solarthemen: Wenn ich mich nicht verrechne, reden wir heute über den sechsten Koalitionsvertrag, den Sie seit zwei Jahrzehnten als Frontmann der Solarbranche zu beeinflussen versucht haben. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis im Vergleich zu den Vorläuferverträgen?

Carsten Körnig: Überfällige Aufbruchssignale blieben leider erneut aus und von Zufriedenheit kann keine Rede sein. Ein wenig Licht am Horizont können wir aber ausmachen.

Gibt es etwas, das Ihnen an diesem Vertrag wirklich gut gefällt?

Nein. Auch vom Ansatz her richtige Punkte bleiben meist zu vage oder kurz gesprungen.

Welche Bedeutung hat ein solches Papier erfahrungsgemäß für das, was an energiepolitischer Praxis in der Legislaturperiode folgt? Nehmen wir mal die Steuerbefreiung für Gebäudesanierung. Der Punkt steht ja nicht zum ersten Mal in einem Koalitionsvertrag …

Viele Leser sehen bei der Betrachtung eines Koalitionsvertrages nur Nebelschwaden, Schlagwörter und Floskeln. Insider dechiffrieren dahinter schnell politische Intentionen und rote Linien. Meist gilt dabei die Regel: Was konkret ausgeschlossen wird, hat auch keine Realisierungschancen. Umgekehrt bleiben Ankündigungen von einer Umsetzung aber meist noch weit entfernt. Beim dritten Anlauf für eine Steuerabschreibung wird es hoffentlich anders laufen.

Wäre eine solche Steuerbefreiung nach dem Gießkannenprinzip denn überhaupt noch zeitgemäß. Wie passt sie zur Forderung der EE-Branche nach einem Förderstopp für reine Fossil-Kessel?

Bei guter Ausgestaltung könnte sie durchaus spürbare Investitionsimpulse auslösen und den Rückgang der Solarthermie-Nachfrage stoppen. Die zumindest anteilige Nutzung Erneuerbarer Energien sollte natürlich Voraussetzung für eine steuerliche Förderung sein.

Zum Wärmemarkt findet sich im GroKo-Vertrag außer den Steuerbefreiungen nicht viel kurzfristig Konkretes und was das Langfristige betrifft vor allem Schlagwörter wie „Efficiency First” und „Sektorenkopplung“. Auf welche Nachbesserungen hofft der BSW konkret?

Strategisch liegt die Politik richtig, wenn sie nicht ausschließlich auf Elektrifizierung setzt, sondern ebenso auf mehr Gebäudeeffizienz, zu denen sie die Solarthermie zählt. Entscheidender noch wären aber wirksame Investitionsimpulse. Die Politik wird die Wärmewende nicht in Schwung bringen, solange sie sich nicht traut, das Marktversagen bei der Raum-, Prozess- und Fernwärme entweder durch einen angemessenen CO2-Preis oder aber durch wirksames Ordnungsrecht zu beseitigen. Da die Türen dafür im Koalitionsvertrag alles andere als offen stehen, müssen wir uns vermutlich leider vorerst weiter mit Förderkrücken behelfen. Im Wärmesektor zumindest „schmerzmildernd“ könnte eine Steuerabschreibung oder die Wiedereinführung einer Solarthermie-Förderung im Neubau sein. Hier besteht zu Unrecht eine Benachteiligung gegenüber der Wärmepumpe.

Für den Stromsektor sind zusätzliche Ausschreibungen geplant – nicht nur für Wind, auch für Solar. Genügt dies, um das in den Koalitionsverhandlungen vorgezogene und angehobene Ziel von 65 % erneuerbarem Strom bis 2030 zu erreichen?

Mit den Sonderausschreibungen wollen Union und SPD zunächst ja nur die „Klimalücke“ bis 2020 reduzieren. Wenn wir klimapolitisch wenig später nicht erneut kapitulieren wollen, dann werden wir den Ausbau der Solartechnik darüber hinaus deutlich beschleunigen müssen!

Die Ausschreibungen betreffen hauptsächlich Solarparks, aber damit kommt kaum ein Solarmodul auf die Dächer. Was müsste passieren um den großen Markt kleinerer und mittlerer PV-Anlagen zu beleben.

Natürlich müssen die Investitionsbremsen auch hier endlich gelöst werden. Gerade in Wohn- und Gewerbequartieren kann Photovoltaik ihre Vorteile ausspielen. Statt immer neue Barrieren für die solare Eigen- und Direktversorgung zu schaffen, müssten dieses beseitigt werden, allen voran die anteilige EEG-Umlage.

Sehen Sie dafür irgendwelche Ansätze im Koalitionsvertrag?

Auch in dieser Legislaturperiode wird uns nichts geschenkt werden, doch es gibt Ansätze: Die Bundesregierung möchte mehr EE-Ausbau – netzsynchron und stärker regionalisiert, mehr Sektorkopplung und Digitalisierung, die Systemkosten dabei gering halten, intelligente Vermarktungskonzepte fördern und Bürgern mehr Beteiligungsmöglichkeiten und klimafreundliche Elektromobilität bieten. Wenn sie diese Ziele wirklich ernst nimmt, dann wird sie Barrieren für dezentrale EE-Systemlösungen beseitigen müssen. Wirklich konkret wird sie dabei kaum. Immerhin sollen Wohnungsbaugenossenschaften keine Steuerprivilegien mehr verlieren, wenn sie Solare Mieterstromtarife auflegen.

Seit langem träumt die Solarbranche davon, unabhängiger von Politik und Förderung zu werden. Was die Kosten betrifft, ist Solartechnik zwar rasant wettbewerbsfähiger geworden. Trotzdem scheint mir die politische Abhängigkeit in den letzten Jahren fast noch zu wachsen. Wie nehmen Sie das wahr?

Die Branche hat ihre Hausaufgaben gemacht und ist längst kein Kostentreiber mehr. Und die Förderabhängigkeit ist in der Tat gesunken. Doch gleichzeitig hat die politische Mikrosteuerung der letzten Jahre zu einer überbordenden Bürokratie geführt. Deckel, Leitfäden nachgeordneter Behörden, Mengen- und Größenbeschränkungen ersticken oft die Bereitschaft zu Investition. Wir werden weiterhin für faire Marktbedingungen kämpfen und die Politik auffordern, endlich den Fuß von der Bremse zu nehmen.

Interview: Guido Bröer, Foto: BSW

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