Dirk Hufnagel im Interview: Solarwärme nicht schlechtreden!

Foto: Dirk Hufnagel
Solarthemen 502. Vor zwei Wochen hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) eine Auswertung von bundesweit 1849 Solarwärme-Checks an bestehenden Solarthermieanlagen veröffentlicht und dabei die Mängel an zahlreichen Anlagen betont (vgl. Solarthemen+plus vom 23.3.2018). Solarexperte Dirk Hufnagel, der selbst viele Anlagen auch für die Verbraucherzentrale untersucht hat, findet den Tenor zu negativ. Er meint, dass man die VZBV-Studie auch anders lesen kann. Der Ingenieur hat über 15 Jahre mit dem proKlima-Fonds in Hannover 1500 Solaranlagen gefördert und bundesweit beachtete Qualitätskriterien entwickelt.

Solarthemen: Der VZBV hat Alarm geschlagen: Viele Solarthermie-Anlagen funktionierten schlecht oder gar nicht. Wie erleben Sie das in der Praxis?

Dirk Hufnagel: Das kann ich in diesem Umfang nicht bestätigen. Ja, ich bestätige Problempunkte, die aber nicht allein solarwärmetypisch sind, sondern die generell in Energieerzeugungsanlagen vorkommen. Beispielsweise werden Rohrleitungen und Speicheranschlüsse oft nicht gedämmt. Das ist schlecht und das ist ein Optimierungspotenzial, aber das stellt nicht das Funktionieren einer Anlage grundsätzlich in Frage. Das hatten wir aber bei proKlima mit der TEsA-Studie bereits vor rund 14 Jahren herausgefunden – und durch gezielte Schulungen anschließend verbessert. Ich sehe aber auch sehr viele Anlagen, wo es gut gelöst ist und die sehr hohe Einsparungen erzielen.

Laut VZBV-Studie funktionieren 7 Prozent der Anlagen überhaupt nicht. Das ist aber schon erschreckend, oder?

Wenn 7 Prozent nicht funktionieren, heißt das auch, dass 93 Prozent funktionieren. Wenn Ihr Sohn in seiner Mathearbeit 93 Prozent richtig gemacht hat, dann steht eine Eins darunter. Die Aussage, dass 7 Prozent nicht funktionieren, bezieht der VZBV auf die Temperaturkurven, die wir als Solarwärme-Checker aufzeichnen: Wenn eine Solarthermieanlage auch an sonnigen Tagen keine Temperaturen von 40 Grad erreicht, muss der Kessel nachheizen. Das ist natürlich schlecht. Aber vielleicht könnte eine solche Anlage schon mit gedämmten Rohren mehr leisten.

Also kein Totalausfall?

Es ist vollkommen richtig zu sagen, wenn eine Solarwärmeanlage bei Sonneneinstrahlung nicht mal 40 Grad im Vorlauf schafft, so dass der Speicher vielleicht nur auf 35 Grad erwärmt wird, dann ist das kein Komfort- und kein Energiesparmerkmal. Allerdings gibt es viele Anlagen, die Temperaturen von 70 bis 90 Grad schaffen. Dann fände ich es gut, wenn der VZBV das auch sagen würde und er nicht nur sagt, 7 Prozent schaffen es nicht.

Könnte man denn die positiven Merkmale quantifizieren oder geht das nur im Umkehrschluss?

Es ist ja ein berechtigter Kritikpunkt der Studie, dass nur in einem Viertel der Anlagen Wärmemengenzähler vorhanden sind. Wenn aber in den meisten keine Wärmemengen erfasst werden, dann fehlt mir bei diesen Anlagen das entscheidende Kriterium, um zu sagen, ob und wie gut die Anlage funktioniert.

Sie machen doch selbst diese Solarwärme-Checks für die Verbraucherzentrale und kommen für jede besichtigte Anlage zu einem Qualitätsurteil.

Ja, das ist richtig. Wenn ich vor Ort eine vielleicht gut funktionierende Solaranlage vorfinde, bei der ein Wärmemengenzähler fehlt, dann muss ich mir ein Urteil bilden, funktioniert die Anlage oder nicht. Unter anderem werden dazu auch die Anlagenbesitzer befragt. In der Auswertung kann man dazu lesen, dass 83 Prozent der Leute mit ihrer Solaranlage hochzufrieden sind und Schulnoten von 1 bis 3 dafür vergeben. Das ist ein gewisser Widerspruch zum Tenor der VZBV-Veröffentlichung. Wenn ich mei­ne Kunden gefragt habe, warum sie eine gute Note vergeben, dann berichten sie oft von 25 bis 35 Prozent Einsparung durch die Solaranlage. Das ist das, was sie auf dem Gaszähler sehen. Und das ist natürlich klasse – unabhängig davon, ob sie einen Wärmemengenzähler haben oder nicht.

Was meinen Sie: Sollte jede Anlage obligatorisch Wärmemengen erfassen?

Unbedingt! Bei jedem Auto ist selbstverständlich, dass es einen Kilometerzähler hat. Ich finde es wichtig, dass ein Wärmemengenzähler Bestandteil aller Energieerzeugungsanlagen – auch Solaranlagen – ist. Und er muss ganz einfach sein, so dass auch Lieschen Müller mit einem Blick erkennen kann, ob die Anlage sehr gut oder nicht so gut funktioniert.

Die Industrie hat sich stets dagegen gesträubt, Wärmemengenzähler in Förderprogrammen vorzuschreiben und damit die Anlagen zu verteuern.

Ohne Frage verursacht ein Wärmemengenzähler Kosten. Standardisierte Produkte sind für unter 400 EUR zu haben – und genau genug. Die Industrie sollte sich nicht hinter dem Argument verstecken.

Was macht eine gute Solarthermieanlage aus?

Dass sie Energie einspart. Das klingt banal, aber darum geht’s. Wenn anschließend merklich Energie eingespart wird, dann ist eine gute Solarheizzentrale eingebaut worden. Technische Details sind zweitrangig, wenngleich nicht unwichtig. So wird die Bedeutung des Reglers oft unterschätzt. Der muss in der Lage sein, Solarenergie zu verwalten, und nur wenn es nicht reicht, sollte er etwas anderes dazuschalten. Typischerweise haben wir es aber immer noch mit Heizungsanlagen zu tun, die Solarenergie nur dazuholen. Wir müssen lernen, umgekehrt zu denken.

Wenn es ums Lernen geht, schieben sich Industrie und Handwerk gern gegenseitig den schwarzen Peter zu.

Das ist ein wichtiger Punkt. Es gibt ohne Frage gute Produkte. Aber wir brauchen auch Leute, die diese gut einbauen können. Das ist dann der Fall, wenn sie es häufig und regelmäßig tun, so dass sich ein Übungseffekt und eine gewisse Sicherheit einspielt. Was wir deshalb am dringendsten brauchen, ist Nachfrage. Darum finde ich es schlimm, dass aktuell eine negative Stimmung gegenüber der Solarthermie entstanden ist. In Beratungen für Hausbesitzer höre ich mitunter, dass ausgerechnet ihr Heizungsbauer von einer Solarthermieanlage abrät und stattdessen Photovoltaik empfiehlt. Das empfinde ich als Alarmsignal. Nichts gegen PV – aber wenn eine Heizungsanlage erneuert wird, dann gibt es nur ganz wenige Fälle, in denen es nicht sinnvoll wäre, Solarthermie mit einzubauen.

Da beißt sich die Katze aber in den Schwanz: Mangels Nachfrage fehlt es an handwerklicher Qualität. Und mangelndes Vertrauen in die Qualität bremst die Nachfrage.

Deshalb ist kaum zu korrigieren, wenn gerade der Heizungsbauer als Vertrauensperson von Solarthermie abrät.

Wer hat es in der Hand, die Einstellung gegenüber der Solarthermie positiv zu beeinflussen?

Wenn der Handwerker Überzeugungstäter in Sachen Solarenergie wäre, bräuchten wir alles andere nicht. Aber es kommen viele Probleme zusammen. Das Handwerk hat große Schwierigkeiten, gute Mitarbeiter und Nachwuchs zu gewinnen.

Können Förderprogramme in dieser Situation helfen?

Ja, ein klares Förderprogramm könnte helfen. Zwar wäre es gut, wenn der Markt ohne sie auskäme, aber wenn es eine deutschlandweite Förderung gäbe, die Qualitätsmerkmale fordert, die bekannt und leicht anzuwenden ist, dann wäre das schon eine Hilfe.

Das BAFA-Programm wird aber jetzt schon von vielen als zu kompliziert empfunden. Kann man das vereinfachen, aber sich gleichzeitig weitere Qualitätskriterien wünschen?

Neue Kriterien bedeuten immer zusätzlichen Informationsbedarf. Wichtig ist deshalb, dass etwas Neues dann viele Jahre am Markt Bestand hat, so dass es durchsickern kann, akzeptiert und verinnerlicht werden kann.

Immer mehr Leute halten die Photovoltaik für die bessere Solarthermie. Vielleicht nicht zuletzt, weil der Handwerker weniger Fehler machen kann.

Ist das wirklich so? Viele Probleme, die auch die VZBV-Studie aufzeigt, sind nicht unbedingt Solarwärmeproble­me, beispielsweise, dass Rohre nicht isoliert sind, vertauscht werden oder Speicher schlecht angeordnet sind. Wer mit Wärme zu tun hat, der muss sich mit Hydraulik, Wärmedämmung und Speichern auskennen. Der größte Teil dessen wird nicht plötzlich obsolet, wenn eine Wärmepumpe oder ein Heizstab mit Solarstrom versorgt wird.

Was bleibt als wesentliches Argument für thermische Kollektoren, wenn die PV weiterhin rasant billiger wird.

Auf normalen Schrägdächern hat Solarthermie eine um den Faktor 2 bis 3 höhere Flächeneffizienz. Wenn die Photovoltaik nicht nur den Haushaltsstrom abdecken, sondern zunehmend auch die Mobilität mit Auto und Pedelec ermöglichen soll, dann braucht sie viel Fläche auf dem Dach. Dann ist es gut, wenn eine relativ kleine Fläche auf dem Dach von vielleicht 15 Quadratmetern den Wärmebereich schon massiv unterstützt, so dass eine große Fläche des Dachs für klassische Stromanwendungen in Verbindung mit ei­nem Batteriespeicher nutzbar bleibt.

Interview: Guido Bröer

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