PV in Europa nach Ende der Mindestpreise

Solarthemen 507. Seitdem am 3. September die Mindestimportpreise und Anti-Dumping-Zölle für Solarzellen und -module aus China ausgelaufen sind, sortiert sich die Solarbranche in Europa neu. Die noch verbliebenen Hersteller wollen mit ihren jeweils eigenen Strategien dem zu erwartenden Importdruck trotzen.

Ende August hatte sich die EU-Kommission entschieden, die Anti-Dumping- und Anti-Subventionsmaßnahmen gegen den Import chinesischer Solarzellen und -module nicht fortzusetzen (siehe auch SolarthemenPlus vom 31. August 2018). Sie lehnte einen Antrag der in EU ProSun organisierten Solarunternehmen ab, die Fortführung der Strafzölle und Mindestimportpreise zu prüfen. Dies jedoch stößt bei Milan Nitzschke, den Präsidenten von EU ProSun, weiterhin auf Widerspruch: „Die Kommission verstößt hier eindeutig gegen geltendes EU-Recht“. Sie hätte zumindest erneut prüfen müssen, ob unzulässige Subventionen vorlägen und die chinesischer Hersteller mit Dumpingpreisen in den Markt drückten. Es werde nun eine Klage gegen die Entscheidung der Kommission erwogen, so Nitzschke, doch selbst wenn sie Erfolg habe, könnten die nun ausgelaufenen Maßnahmen damit nicht reaktiviert werden. Er habe nicht erwartet oder erhofft, dass die EU-Kommission die Maßnahmen verlängert, sagt Detlef Neuhaus, Geschäftsführer der Dresdener Solarwatt GmbH. Er halte die Entscheidung aber inhaltlich nicht für nachvollziehbar. So sei es nicht stichhaltig, dass der Ausbau der Photovoltaik durch das bislang bestehende Preisniveau behindert werde. „PV ist schon wirtschaftlich”, betont Neuhaus. Statt zu sinken, müssten die Preise eigentlich moderat steigen, weil alle betriebswirtschaftlichen Indikatoren dafür sprächen. Kaum Chancen mit Commodity Es sei ihm zwar nicht egal, dass die Kommission ihre Entscheidung jetzt so getroffen habe, so Neuhaus: „Aber dies dominiert unsere Planungen nicht, entscheidet nicht, wie wir uns aufstellen.” Der Chef von Solarwatt ist froh, schon vor einigen Jahren einen neuen Weg mit dem Unternehmen eingeschlagen zu haben. Einen Weg weg von Großanlagen hin zu PV- und Energiesystemen. „Bei den Commodity-Anlagen tobt der Kampf um das reine Überleben, ein Krieg”, bekräftigt Neuhaus.Der werde jetzt noch einmal angeheizt, weil es in China massive Überkapazitäten gebe, die chinesische Regierung gleichzeitig die Förderung hart gekappt habe und für chinesische Module nun andere Märkte gefunden werden müssten. „Für diejenigen, die auch bisher schon die Nase nur knapp über dem Wasser hielten, wird es nun noch schwerer.” Der systemische Ansatz habe Solarwatt geholfen, sich vom größten Preisdruck zu befreien. „Aber nicht komplett”, räumt Neuhaus ein: „Auch wenn wir mit unseren Glas-Glas-Modulen Premiumprodukte bieten, darf der Preisabstand nicht zu groß werden.” Die Öffnung für chinesische Produkte hilft aber auch, den Preisdruck etwas zu kompensieren. Denn jetzt gehen die Preise für Solarzellen nach unten. Das helfe Solarwatt, günstiger einzukaufen, sagt Neuhaus. Gerade mit Blick auf die nächsten Jahre ist Neuhaus zuversichtlich. Der Trend zu Systemen mit Modul, Wechselrichter, Energiemanager, Speicher und Ladestation werde sich fortsetzen. Die meisten Installateure würden es dann vorziehen, das komplette System möglichst aus einer Hand zu beziehen. Und hier könnten europäische Anbieter ihre Stärken ausspielen. So weit ist es jetzt aber noch nicht. Oliver Klein, Geschäftsleiter der SF Solar Fabrik, spürt den Druck, für den gerade die kleineren Hersteller aus China gerade sorgen. „Die versuchen, per Mail mit Preisen von 19 Cent je Watt zu verkaufen”, so Klein. „Die haben kein richtiges Vertriebskonzept und bieten ihre Ware containerweise im Hafen von Rotterdam an.” Für manche Kunden seien diese Preise dennoch eine Marke, an der sie die Preise anderer Anbieter messen würden. Große Chancen räumt Klein solchen chinesischen Verkäufern aber nicht ein. Denn anders als vor einigen Jahren gebe es keine Modulknappheit und da seien Absatzkanäle, die schon in der Kommunikation schwierig sowie im weiteren Verlauf riskant seien, nur für sehr wenige Abnehmer attraktiv. Die Chance europäischer Hersteller sieht Klein im Vertrieb. Man spreche die Sprache der Kunden, biete Service, während viele chinesische Unternehmen nur mit sehr kleinen Teams, wenn überhaupt, im europäischen Markt präsent seien. Gegen die Giganten habe die Solar Fabrik zwar keine Chance, aber er sieht die Möglichkeit, Nischen zu besetzen. Bei den Hausbesitzern und bei kleinen sowie mittleren Unternehmen wirke sich im Gesamtangebot ein etwas niedrigerer Modulpreis kaum aus. Wenn es bei einer 5-kW-Anlage absolut nur um ein paar hundert Euro gehe, seien andere Faktoren als der Preis wichtiger. Auch die Solar Fabrik wolle Vorteile nutzen, die der Wegfall der Zölle bietet, sagt Klein. So könne sie nun Zellen günstiger einkaufen. Und das Unternehmen fahre zweigleisig. Neben der Produktion in Freiburg nutze sie OEM-Produzenten für größere Projekte, um nach vorgegeben Kriterien Module fertigen zu lassen – bislang in Vietnam, künftig auch in China. Diesen Weg beschreitet die IBC Solar AG schön länger. Module der Eigenmarke habe IBC bereits vor dem Wegfall der Mindestimportpreise in China produzieren lassen, berichtet Sebastian Geier, der Leiter der IBC-Produktentwicklung. Wie sich jetzt zeige, sei das eine sehr richtige Entscheidung gewesen. Jetzt profitiere IBC von den schon bestehenden Kontakten und Erfahrungen. Andreas Grey, Bereichsleiter Vertrieb Deutschland ergänzt: „Wir haben mit dieser Entscheidung der EU-Kommission gerechnet.” Geier erklärt, IBC rechne nun für das eigene Unternehmen und den Gesamtmarkt mit einer zweistelligen Entwicklung der Absatzahlen. „Ich sehe den Wegfall der Mindestpreise extrem positiv.” Das Interesse der Kunden an Photovoltaik wachse wieder und dieser Trend werde durch die jüngsten Entscheidungen gestützt. Ein limitierender Faktor seien jedoch Installationskapazitäten bei den Hand­werkern, die schon jetzt am Limit seien. Dies schaffe auch Konkurrenzdruck, weil der Markt nicht unendlich viel aufnehmen könne. Wichtig sei in diesem Zusammenhang ein kompetenter Vertrieb, betont auch Geier. IBC sieht er in der Kombination aus der gewachsenen Präsenz am Markt und der nun einfacheren OEM-Produktion in China gut aufgestellt. Konkurrenz mit Ideen begegnen Diesem Trend müssen sich vor allem Unternehmen entgegen stellen, die in Europa als reine Modulproduzenten agieren, wie die CS Wismar GmbH bzw. Sonnenstromfabrik. Deren Geschäftsführer Bernhard Weilharter setzt auf Innovation und Qualität. Und zu dieser zählt er auch eine CO2-arme Produktion, die sich das Unternehmen für einzelne Produktlinien zertifizieren lasse. Hinzu kämen Produkte, mit denen sein Unternehmen in bestimmten Märkten gut bestehen könne. Das sind Glas-Glas-Schneelastmodule, Repowering-Module und neue sehr dünne Glas-Glas-Module, die laut Weilharter nur etwas mehr als 5 Kilogramm pro Quadratmeter wögen und voraussichtlich ab Sommer kommenden Jahres verfügbar seien. Und Weilharter will mit weiteren Produktideen Märkte besetzen. Den Wegfall der Mindestpreise sieht er mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Er fürchtet einen gravierenden Preisverfall. Doch andererseits sei der Mindestpreis in der vorherigen Form für einen Modulhersteller nicht optimal gewesen. So seien schon in den vergangenen 18 Monaten die Mindestimportpreise für Module aufgrund des Beschlusses der EU-Kom­mission kontinuierlich gesunken, während dies bei den Zellen kaum der Fall gewesen sei. Das habe die Wettbewerbsposition chinesischer Anbieter kontinuierlich verbessert. Zudem belasteten Strafzölle auf Glas und Aluminium weiterhin Unternehmen wie die Sonnenstromfabrik. Die Unternehmen werden sich auf den Wegfall der Mindestpreise einstellen. Auch EU ProSun will hier keinen aussichtslosen Kampf führen. Nitzsch­ke erklärt, es gehe jetzt darum, die Wettbewerbsposition der europäischen Hersteller zu verbessern. Es gehe um Qualität und auch um Nachhaltigkeitskriterien sowie darum, dies gut zu kommunizieren. Und es sei auch weiterhin wichtig, politische Barrieren auszuräumen. „Die Nachfrage nach PV-Anlagen ist in Deutschland schon in den letzten Monaten erfreulich angezogen”, sagt Carsten Körnig, Geschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft: „Nur mit einer schnellen Beseitigung des 52-Gigawatt-Deckels und einer deutlichen Anhebung der jährlichen PV-Ausbauziele für PV-Dächer und Solarparks kann diese Entwicklung jedoch von Dauer sein und die klimapolitisch notwendige Dimension annehmen.” Mittels intelligenter und WTO-konformer Industriepolitik sei sicherzustellen, dass Europa als PV-Produktionsstandort nicht den Anschluss verlierte. Text: Andreas Witt,Foto: Heckert Solar

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