Kritik des Rechnungshofs die Aufforderung zum großen Wurf?

Solarthemen+plus. Der kürzlich vorgelegte Sonderbericht des Bundesrechnungshofs zur Energiewende übt massive Kritik am Management des Bundeswirtschaftsministeriums. Er wirft aber auch die Frage auf, ob jetzt der Zeitpunkt ge­kom­men ist, energierechtliche Regelungen radikal umzukrempeln und die Instrumente für die Energiewende komplett neu aufzustellen.

Der Bundesrechnungshof stellt sich mit seinem Sonderbericht an die Seite der Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“, die sich klar für eine Bepreisung von CO2-Emissionen ausspricht (siehe auch Interview mit Prof. Andreas Löschel , dem Vorsitzenden der Expertenkommission, in Solarthemen 505). Kay Scheller, der Präsident des Bundesrechnungshofs, betont: „Die Bundesregierung sollte den Ansatz aufgeben, die Energiewende mit einer Vielzahl komplizierter Gesetze und Verordnungen zu regeln. Vielmehr sollte sie einen rechtlichen Rahmen und ökonomische Anreize zu umweltverträglichem Verhalten setzen. In Betracht käme dafür z. B. eine allgemeine CO2-Bepreisung.“ Gesetze zu komplex In seinem Sonderbericht nennt der Rechnungshof beispielhaft einige Paragrafen in Energiegesetzen, darunter auch im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Besonders greift er hier § 9 mit den technischen Vorgaben, § 28 zum Ausschreibungsvolumen, § 38a zur Ausstellung von Zahlungsberechtigungen für Solaranlagen im Rahmen der Ausschreibungen und § 39f zur Einbeziehung bestehender Biomasseanlagen heraus. Interessanterweise nennt der Bun­des- ­rech­­nungshof nicht den § 61 mit seinen vielen Unterpunkten zur EEG-Umlage und den – teilweisen – Befreiungen davon. Auch innerhalb der Branche der erneuerbaren Energien stößt die wachsende Regelungsdichte in den Energiegesetzen auf Unmut. Sogar spezialisierte Anwälte äußern die Sorge, ihre Klienten angesichts dessen nicht mehr absolut rechtssicher beraten zu können. Und einige Unternehmer denken, dass die Geschäfte ohne EEG vielleicht sogar besser laufen könnten. Für die Bundesregierung lässt sich die hohe Komplexität des Energierechts darauf zurückführen, dass es sich um ein dynamisches Rechtsgebiet handele. Die technischen Anforderungen und Lösungen entwickelten sich ständig fort. Der Rechtsrahmen reagiere darauf entsprechend. Kurz gesagt: Die Regierung rechnet damit, dass das Energierecht immer komplizierter wird. Gesetze, die ursprünglich eine Entwicklung, den Ausbau der erneuerbaren Energien, voranbringen sollten, werden so selbst zum Bremsklotz. Schellers Abrechnung mit den Energiewendebemühungen der Regierung, vor allem mit dem Bundeswirtschaftsministerium, könnte so auch als Aufruf verstanden werden, das ganze Energierecht vollständig neu zu justieren. Energiewende eine Sammlung von Misserfolgen Relativ nüchtern listet der Rechnungshof in seinem Bericht auf, wo die Energiewende aus seiner Sicht ein Misserfolg ist. Dabei bezieht er sich auf den Monitoringbericht der Regierung für das Jahr 2016. Das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu verringern, werde nicht erreicht. Gleiches gelte für das Ziel eines Anteils der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch von 18 Prozent. Es sei fraglich, ob die Ziele für die Sektoren Wärme und Verkehr überhaupt noch zu schaffen seien. Und auch die Ziele zur Reduktion des Primärenergieverbrauchs sowie Bruttostromverbrauchs und zur Steigerung der Endenergieproduktivität dürften verfehlt werden. Bei Gebäuden sei der Primärenergiebedarf gegenüber dem Jahr 2014 sogar wieder angestiegen. Der Regierung lastet der Rechnungshof an, die Energiewende nicht richtig oder auch gar nicht zu steuern. Wie schon in seinem Bericht 2016 mahnt er eine bessere, koordinierende Steuerung, einen zuständigen Staatssekretär und einen speziellen Bund-Länder-Ausschuss an. Diese Vorschläge habe das Bundeswirtschaftsministerium zurückgewiesen, stellt Scheller fest. Das BMWi sehe keinen Handlungsbedarf und halte die Energiewende für effektiv und effizient koordiniert. Fast 300 Ministeriumsmitarbeiter in vier Abteilungen und insgesamt 34 Referaten seien im BMWi mit energiewendebezogenen Fachaufgaben befasst, hat der Rechnungshof zusammengezählt. Das BMWi habe aber nicht festgelegt, welche Tätigkeiten koordiniert werden müssten und wie die Koordination auszugestalten sei. So liege es im Ermessen der Fachreferate und einzelner Beschäftigter, selbst über die Koordination der Energiewende zu entscheiden. Das BMWi entgegnet, bei rund 680 Einzelaufgaben sei es kaum möglich, die zu koordinierenden Tätigkeiten zu regeln. CO2-Bepreisung als New Deal? So mag es fast verwundern, dass überhaupt etwas vorangeht. Und sicherlich ist es nicht leicht, irgendwo in diesem Geflecht anzusetzen. Die CO2-Bepreisung könnte hier nach Meinung Schellers einen Ausweg bieten: „Dadurch könnten verschiedene derzeit zu zahlende Umlagen und Steuern entfallen und auch das bisherige Regelungsdickicht könnte erheblich gelichtet werden.“ „Der BEE begrüßt den Vorstoß des Bundesrechnungshofs für eine CO2-Bepreisung“, sagt Simone Peter, die Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE) Mit mehreren Gutachten habe der BEE in den vergangenen Jahren belegt, dass sie ein effektives Instrument zur Reduktion der CO2-Emissionen ist, weil sie die saubere Energieerzeugung durch erneuerbare Energien im Strom- und Wärmesektor gegenüber fossilen bevorzuge. Allein durch Steuern und Abgaben auf Treibhausgase würden aber erneuerbare Energien nicht vorangebracht, warnt Hans-Josef Fell, der in seiner Zeit als bündnisgrüner Bundestagsabgeordneter zusammen mit dem SPD-Parlamentarier Hermann Scheer das erste EEG initiiert und geschrieben hatte. Eine CO2-Steuer sei ein generalisierendes Instrument, das keine spezifischen Anreize für Investitionen in Nullemissionstechnologien schaffe, zum Beispiel ein Windinvestor könne damit nicht kalkulieren. Der Bundesrechnungshof hat recht klar vor Augen geführt, wo es bei der deutschen Energiewende derzeit klemmt und mit der CO2-Bepreisung auf einen möglichen neuen Ansatz hingewiesen. Fraglich ist aber, ob dies zu einer ernsthaften und zielführenden politischen Diskussion führen wird. www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/sonderberichte/energiewende/2018-sonderbericht-energiewende Text: Andreas Witt  

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