Insektenschutz und Windkraft

Solarthemen 513. Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben errechnet, dass möglicherweise 1200 Tonnen Insekten jährlich von Windkraftanlagen in Deutschland beschädigt werden. Die Windbranche kritisiert die Studie.

Könnten nach Rotmilan und Fledermäusen bald auch Mücken, Käfer und Schwebfliegen zum ernsten Hindernis für die weitere Windenergieentwicklung werden? – Eine DLR-Studie sieht jetzt einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Insektensterben und der zunehmenden Nutzung von Windenergie in Deutschland. Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Berechnungen zwar schon im November – auf politischer Ebene schrillen allerdings erst jetzt die Alarmglocken, nachdem das erfolgreiche Münchener Volksbegehren das Insektensterben zum politisch relevanten Thema gemacht hat. Problemverursacher oder Problemlöser? Der Bundesverband Windenergie (BWE) sah sich deshalb am Montag dieser Woche zu einer Pressemitteilung veranlasst. BWE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm betont darin: „Windenergieanlagen sind im Zusammenhang der Artenentwicklung von Insekten als Problemlöser zu verstehen, nicht als Problemursache. Die deutsche Windenergie trägt nachhaltig zum Klimaschutz bei und leistet einen wichtigen Beitrag zur Populationserhaltung.“ Der BWE bezweifelt die wissenschaftliche Seriösität der Untersuchung. Weder seien darin das tatsächliche Artenaufkommen noch die geographischen Verteilungen berücksichtigt. Das allerdings behauptet der DLR-Systemanalytiker Franz Trieb auch gar nicht, der die Studie geleitet hat. Gegenüber den Solarthemen sagte Trieb: „Nach unserem sehr einfachen physikalischen Modell werden wahrscheinlich 1200 Tonnen Insekten pro Jahr an Windkraftanlagen in Deutschland beschädigt. Diese Zahl ist nicht klein. Wir wissen nicht, ob dies bestimmte Populationen ernsthaft bedroht, aber ausschließen kann man es auch nicht. Unsere Ergebnisse sollten empirisch verifiziert werden.“ Hintergrund der Studie ist, dass viele Fluginsekten den Wind in größeren Höhen, wo sie durch Flügel von Windkraftanlagen gefährdet sind, nutzen, um sich über weite Entfernungen in neue Brutgebiete tragen zu lassen. Trieb sagt: „Wir können davon ausgehen, dass 5 Prozent der Insekten, die durch einen Rotor fliegen, von diesem beschädigt werden.“ Erschwerend komme hinzu, dass sich vor allem trächtige Weibchen mit dem Wind auf die Reise machten. Es sei wichtig, so Trieb, dass die Windbranche sich des Themas annehme und nicht die Augen davor verschließe. Dies scheint schon deshalb angeraten, weil es laut DLR 30 Prozent Ertragsverlust bedeutete, wenn Windkraftanlagen im Sommer bei mehr als 10 Grad Celsius stets abgeschaltet werden müssten. Trieb selbst will sich nicht zum Kronzeugen gegen Windkraft machen lassen: „Ich befasse mich seit 30 Jahren mit erneuerbaren Energien. Wir haben hier im DLR einiges dazu beigetragen, dass die Windkraft heute da steht, wo sie steht. Wir haben uns aber früher zu wenig mit diesen möglichen Nebenwirkungen auseinandergesetzt.“ Text: Guido Bröer

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