Nedap düpiert ehemalige PV-Kunden

Solarthemen+plus. Der niederländische Elektronikanbieter Nedap legt Garantiebedingungen für sein früheres Power-Router-Sys­tem höchst eigenwillig aus. PV-Betreibern und Installateuren verweigert das Unternehmen Garantiean­sprü­che, weil diese angeblich den Solargenerator ge­mes­­­sen an der Leistung des Wechselrichters überdimensioniert hätten.

„You’re in charge“ – frei übersetzbar als „Du bist am Aufladen“ oder auch „Du bist verantwortlich“. Dieser alte Werbespruch für das seit 2016 von Nedap nicht mehr angebotenen PowerRouter-System kommt manchem Installateur und Großhändler seit geraumer Zeit vor wie ein schlechter Witz. Denn für die PV-Wechselrichter, die mit einem Batteriemanager in einem Gerät angeboten wurden lehnt, der niederländische Elektronikhersteller Garantieansprüche inzwischen serienweise ab. Die umstrittene Begründung ist immer die gleiche: Die Installateure hätten den angeschlossenen PV-Generator gegenüber der Nennleistung des Wechselrichters überdimensioniert. Dieses „Overpowering“ ist allerdings seit den Kindertagen der Photovoltaik ein gängiges Verfahren. Es wird dabei in Kauf genommen, dass bei optimaler Sonneneinstrahlung ein wenig Spitzenleistung vom Wechselrichter gekappt wird, damit bei Teillast des Generators der Wechselrichter einen höherer Wirkungsgrad erzielt, so dass die Solarernte entsprechend höher ausfällt. Auch der günstigere Preis für kleinere Wechselrichter mag bei der Systemauslegung teils eine Rolle gespielt haben. Früher wurde von Auslegungssoftware und Distributoren oft generell ein 15- bis 25-prozentiges Overpowering empfohlen. Overpowering ist ganz normal Obwohl heute Energiemanagementsysteme und sinkende Systempreise und bessere Teillast-Wirkungsgrade eine kleinere Dimensionierung der Wechselrichter weniger interessant machen, gibt es immer noch Fälle – etwa größere eigenverbrauchsoptimierte Anlagen im Gewerbe und besonders ost-west-ausgerichtete Solardächer – in denen eine Überdimensionierung der Modulleistung fast zwingend angeraten ist. Bei Ost-West-Anlagen wäre der Wechselrichter sonst nie voll ausgelastet und würde meist mit schlechten Wirkungsgraden arbeiten. Doch gerade um solche Ost-West-Konstellationen streiten sich seit geraumer Zeit Installateure mit dem Hersteller Nedap, der seine Geräte zumeist mit einer fünf- teils auch mit einer zehnjährigen Garantie verkauft haben. Ein Installateur, der in Norddeutschland dutzende Nedap-Powerrouter verbaut hat, berichtete den Solarthemen über einen Streitfall, in dem er am 5-kW-Powerrouter eine Ost-West-Anlage mit 45 Grad Dachneigung und gerade einmal 5,7 kW Generatorleistung angeschlossen hatte. Obwohl ein derart installierter PV-Generator offenkundig weder die von Nedap im Datenblatt angegebene maximale Eingangsleistung von 5,5 Kilowatt noch überhaupt die Nennleistung des Wechselrichters von 5,0 Kilowatt jemals erreichen kann, beruft sich der Hersteller auf eine unzulässige Anschlussleistung und lehnt Garantieansprüche ab. Negiert Nedap frühere eigenen Aussagen? Dabei sei Installateuren früher in Nedap Schulungen etwas ganz anderes erzählt worden, berichten mehrere Zeugen gegenüber den Solarthemen. Der norddeutsche Installateur, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, weil er für seine inzwischen fünf Problemfälle immer noch auf eine gütliche Einigung mit Nedap hofft, berichtet: „Sämtliche Installateure, die bei Nedap in den Schulungen gesessen haben, erinnern sich, dass es als besondere Qualität der PowerRouter hervorgehoben wurde, dass beide MPP-Eingänge mit jeweils höherer Leistung belastet werden könnten.“ Auch Andreas Stemberg, Elektrotechnik-Ingenieur und Inhaber eines Solarfachbetrieb im ostwestfälischen Lage, der selbst in zwei Garantiefällen Ärger mit Nedap hat, erinnert sich an die Schulungen: „Es wurde uns ausdrücklich angepriesen, dass wir gerade bei Ost-West-Montage den Generator deutlich überdimensionieren könnten.“ Im übrigen, so der Ingenieur, könne ein moderner Wechselrichter aufgrund des MPP-Trackings nur durch eine zu hohe Spannung zerstört werden, nicht durch eine zu hohe Leistung. Nichtsdestotrotz hat ein weiterer Nedap-Geschädigter, Claudio Fischer-Zernin von der Umweltfreundliche Haustechnik GmbH in Göttingen, die Berechnung des original von Nedap angebotenen Auslegungstools für einen Kunden archiviert. Für eine Anlage mit 22 LG-Modulen und einen 5-kW-Powerrouter wurde vom Nedap-Programm eine 117 prozentige Mehrleistung der Module ausgegeben. Die maximal mögliche Leistung („max technical posible with this type of panels“) wurde von der Nedap-Software sogar mit 6,9 kWp angegeben. Fischer-Zernin erreichte bei Nedap immerhin eine kostenlose Reparatur für eines von zwei defekten Geräten in der Garantiezeit. Das Unternehmen verlangte allerdings im Gegenzug, dass die Anlage auf 5,5 kWp reduziert werde. Die Konsequenz hat der Installateur berechnet: „Wir klemmen 2 Module a 265 Watt ab = 530 kWh jährlicher Minderertrag mal 13,9 Ct/kWh Vergütung (2013) = 74 € im Jahr mal 16 Restjahre = 1180 € netto weniger Ertrag für den Kunden für den wir wohl gerade stehen müssten.“ Zernin-Schmidt ließ sich dennoch darauf ein, um das Thema vom Tisch zu bekommen. Inzwischen ist der vor einem Jahr reparierte Wechselrichter ein zweites Mal kaput. Nedap stellt sich stur Der von verärgerten Installateuren der Trickserei beschuldigte Hersteller Nedap ist ein niederländisches Elektronikunternehmen mit 700 Mitarbeitern, das in diesem Jahr aus seinem modernen Firmencampus in Groenlo sein 100-jähriges Bestehen feiert. Von den Solarthemen mehrfach auf die Vorwürfe seiner ehemaligen Kunden angesprochen, brauchte Nedap lange für eine Antwort. Die Pressestelle antwortete schließlich in dieser Woche auf den präzisen Fragenkatalog mit einer recht allgemeinen Antwort: „Ob die Garantieversicherung anwendbar ist oder nicht, hängt von den Produktspezifikationen ab. Diese Produktspezifikationen sind transparent bezüglich der Installationsanforderungen.“ Die Hinweise auf verärgerte Installateure und den Umgang anderer Hersteller mit Overpowering, nehme Nedap zur Kenntnis, schrieb die Pressestelle. Gleichwohl habe Nedap N.V. seine „eigenen Strategien, die wir unabhängig von der Meinung Dritter anwenden.“ Für den Installateur aus Norddeutschland, und seinen Großhändler Malte Clausen von der VEH in Tostedt, heißt das wohl, dass sie entweder tief in die eigene Tasche greifen, einen Prozess gegen Nedap anstrengen oder ihre Kunden verärgern müssen. Für den Installateur kommt letzteres nicht in Frage: „Wir arbeiten zu 80 Prozent mit der Weiterempfehlung unserer Kunden. Wenn ich in so einem Schadensfall keine kundenfreundlichen Lösungen anbiete, sinkt die Quote rapide.“ Dass es sich offenbar um das Problem mit einem einzelnen Hersteller handelt und nicht um ein Branchenthema „Overpowering“ bestätigt indirekt auch Bernd Engel, Professor an der TU Braunschweig, Wechselrichter-Experte bei SMA und Fachgruppensprecher im Bundesverband Solarwirtschaft: „Für SMA und andere Hersteller ist klar, dass der Solargenerator überdimensioniert werden kann.“ Text: Guido Bröer, Foto: Nedap

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