Energiewende nicht im Zielkorridor

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Solarthemen+plus. Das Bundeskabinett hat gestern seinen zweiten Fortschrittsbericht zur Energiewende vorgelegt. Das Berichtsjahr ist zwar 2017, doch geht der Bericht in wesentlichen Teilen auch auf die aktuelle Entwicklung ein. Er dokumentiert Erfolge aus Sicht der Regierung, offenbart aber auch Defizite. Klare Strategien, wie diesen begeg­net werden soll, bleibt dieser Bericht schuldig.

Der Zuwachs bei erneuerbaren Energien ist einer der Bereiche der Energiewende, bei denen die Regierung derzeit ihr Soll noch nicht erfüllt hat. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier erklärt: „Auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien liegen wir voll auf Zielkurs.“ Das selbst gesetzte Ziel der Regierung beim Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch liegt für 2020 bei 18 Prozent. Erreicht werden laut Fortschrittsbericht voraussichtlich 18,4 Prozent (bei einer möglichen Bandbreite von 17,9 bis 18,8 Prozent). Doch das Ziel von 30 Prozent bis 2030 wird deutlich verfehlt werden. Die Referenzszenarien, auf die sich die Regierung beruft, lassen nur 22,6 Prozent erwarten.

Im Strombereich sieht es derzeit besser aus. Dem Regierungsziel eines Anteils der Erneuerbaren von mindestens 35 Prozent im Jahr 2020 steht ein Schätzwert von 43,4 Prozent gegenüber. 2030 rechnen die Begleitforscher der Regierung entsprechend in ihren Szenarien mit einem Anteil von 52,9 Prozent. Das im Erneuerbare-Energien-Gesetz gesetzte Ziel von mindestens 50 Prozent würde damit leicht übertroffen, doch das im Koalitionsvertrag formulierte Ziel von 65 Prozent würde deutlich verfehlt.

Der „Fortschrittsbericht“ enthält kaum Aussagen, wie die Regierung ihre Ziele erreichen möchte. So stellt die Regierung fest, dass der Ausbau der Windkraft sehr deutlich hinter den Zielen zurückbleibt und auch die Zahl der genehmigten Anlagen sinkt. Eine Strategie, wie dem begegnet werden kann, zeigt der Bericht jedoch nicht auf. Die Regierung erklärt lediglich, es sei erforderlich, weitere Flächen für die Windenergienutzung auszuweisen. Zudem verweist sie auf die AG Akzeptanz der Regierungskoalition.

Zweites Beispiel: Voraussichtlich wird im Frühjahr kommenden Jahres der 52-Gigawatt-Deckel erreicht, der im EEG für die Förderung der Photovoltaik festgeschrieben ist. Das würde einen fast sofortigen Stopp der derzeitigen Unterstützung bedeuten. Im Fortschrittsbericht wird dieses Thema jedoch mit keinem Wort erwähnt, obwohl es doch erhebliche Auswirkungen auf den Ausbau erneuerbarer Energien haben kann.

Weitaus größere Defizite werden im Verkehrs- und Gebäude- bzw. Wärmebereich sichtbar. Auch die Regierung erkennt im Gebäudebereich eine Baustelle – die Ziele für 2020 werden hier deutlich verfehlt werden. Dem setzt die Regierung aber nur die neu konzipierte derzeitige Förderstrategie entgegen. Das Gebäudeenergiegesetz möchte sie offenbar in der kürzlich vom Wirtschaftsministerium vorgelegten Form beschließen lassen, also ohne strengere Energieeffizienzstandards (siehe Solarthemen+plus 515/3)

Damit bleibt Altmaier hinter seinem eigenen Anspruch zurück. Bei der Vorlage des Fortschrittberichts sagte er: „Die Energiewende ist nicht nur ein zentrales energiepolitisches Projekt, sie ist zugleich eines der größten Modernisierungsprojekte für den Wirtschaftsstandort Deutschland.“ Die Regierung hat aber auch zu erklären, was sie unter Modernisierung versteht.

Hier sehen die Verbände im Fortschrittsbericht noch keine ausreichenden Vorschläge. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), sagt: „Die Bundesregierung muss nun zügig konkrete Maßnahmen auf den Tisch legen, um aufzuzeigen, wie die Energiewende in allen Sektoren gelingen soll.“ So fordert sie für den Gebäudebereich ambitionierte gesetzliche Standards.

Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft, fordert schnelleres Handeln: „Eine Maßnahme, die keinen weiteren Aufschub mehr duldet, ist die Einführung eines wirksamen CO2-Preises für alle Sektoren.“

Text: Andreas Witt / Foto: were / stock.adobe.com

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