Margarete von Oppen: PPA als Mediationsaufgabe

Solarthemen 516. Seit die ersten Photovoltaik-Freiflächenanlagen in Deutschland nicht über das EEG, sondern über Stromlieferverträge, so genannte Power-Purchase-Agreements, finanziert werden, elektrisiert das Thema die Branche. Im Solarthemen-Interview beschreibt Fachanwältin Margarete von Oppen Chancen und Tücken von PPAs aus juristischer Sicht.

Solarthemen: Jetzt werden auch in Deutschland die ersten PV-Anlagen über PPAs finanziert. Hat das EEG seine Schuldigkeit nun im Großanlagensegment getan?

Margarete von Oppen: Nein. Das EEG hat seine Schuldigkeit noch nicht getan. Die PPAs werden im Moment gehypt. Denn alle suchen nach neuen Geschäftsmodellen, während noch zu wenige Menschen konkrete Vorstellungen davon haben. Es werden zwar die ersten PPAs abgeschlossen, aber es ist kein Massenphänomen. PPAs sind kein standardisiertes Produkt. Außerdem ist das Instrument PPA nur für bestimmte Situ­a­tionen und Anlagentypen geeignet. Es müssen schon sehr günstige Umstände zusammenkommen, damit ein PPA interessant wird – vor allem, wenn es um Refinanzierung von Neuanlagen geht. Die Stromgestehungskosten müssen passen, der Börsenstrompreis muss hoch sein und ein Abnehmer muss gefunden werden, der mit der Anlagengröße zurechtkommt. Die Ausschreibungen bieten, mal davon abgesehen, dass die Preise nicht immer ganz kostendeckend sind, eine stabile Basis, mit der man arbeiten kann. Und für die Kleinanlagen sind feste Einspeisevergütungen weiterhin sinnvoll. Dies sieht man auch daran, dass Europa mit der Erneuerbare-Energien-Richtlinie endlich klarstellt, dass kleine Anlagen in der Förderung belassen werden. Die große Linie der europäischen Regeln ist der Erhalt der drei Säulen: feste Einspeisevergütung, Ausschreibung, PPA.

Was darf man denn eigentlich unter einem PPA verstehen und was nicht?

Der Begriff PPA kommt aus Amerika und hört sich einfach cooler an als „Stromkaufvertrag“. Im einzelnen können die Verträge sehr unterschiedlich gestaltet sein, je nachdem, welche Situation ich damit abdecken will. Im Windbereich gibt es Stromabnahmeverträge nur für den Weiterbetrieb von Altanlagen nach 20 EEG-Jahren. Für neue Windräder ermöglichen die EEG-Ausschreibungen derzeit aufgrund der geringen Nachfrage höhere Einnahmen als alles, was die Strombörse zu bieten hat. Bei den PV-Anlagen sieht es etwas anders aus. Dort dienen PPAs einerseits zur Refinanzierung von Neuanlagen. Andererseits können sie geeignet sein, um einen Modultausch bei noch nicht ganz ausgeförderten Anlagen zu refinanzieren. Sie decken dann die Zeit ab, die über den ursprünglichen EEG-Zeitraum hinausgeht.

Kommt das häufiger vor?

Nein. Aber ich habe da schon einen bestimmten Fall im Blick.

Derzeit ist, wenn PPA gesagt wird, meist von sehr langfristigen Lieferverträgen die Rede. Stimmt der Eindruck?

Ja. Zum einen, weil es sehr prominente Beispiele gibt. Der PPA, der zwischen Energiekontor und EnBW für eine 85-MW-Solaranlage bei Rostock abgeschlossen worden ist, hat eine Laufzeit von 15 Jahren. Das ist sehr lang. Mindestens kann man aber von 5 Jahren ausgehen, und über 10-jährige Verträge wird nach meinem Eindruck im Moment viel gesprochen. Beim Thema Laufzeit gibt es einige rechtliche Herausforderung und es kommt auch auf die Art des Abnehmers an. Wenn zum Beispiel ein Stromhändler mit einem Solaranlagenbetreiber einen Abnahmevertrag schließt, dann will der sich den Strom natürlich nicht ins Regal stellen, sondern ihn weitererverkaufen – und zwar möglichst mit Gewinn. Es könnte ihm allerdings passieren, dass der Strompreis an der Strombörse stark absackt, so dass er den Strom zu einem höheren Preis eingekauft hätte, als er ihn verkaufen könnte. Dagegen kann er sich an der Strombörse mit einem Terminmarktgeschäft absichern. Diese Futures kann man aber bisher maximal auf fünf Jahre abschließen. Das heißt: Bis zu fünf Jahren können sich Stromeinkäufer absichern; alles, was darüber hinaus geht, ist spekulativ.

Trotzdem werden ja Verträge über 10 Jahre und länger angeboten.

Ja, 10 Jahre zum Festpreis sind oft im Gespräch, weil die meisten erwarten, dass die Börsenstrompreise steigen werden. Neben dem Strommarkt hat aber auch die rechtliche Seite einen Einfluss auf die Laufzeiten. Zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gab es für Bierlieferverträge und Tankstellenverträge Grundsatzurteile, wonach solche Verträge zwischen Kaufleuten maximal auf 10 Jahre geschlossen werden dürfen. Zusätzlich kann es auch eine kartellrechtliche Grenze geben. Wenn ein Stromhändler jemanden verpflich­tet, ihm 10 Jahre lang Strom zu liefern, dann ist das eine so genannte vertikale Vereinbarung. Die kann dem Kartellrecht unterliegen – je nachdem, welche Marktmacht der Stromhändler hat. Dazu gibt es eine Gruppenfreistellungsverordnung, nach der 5 Jahre OK sind. Bei längeren Verträgen müsste man erst nachweisen, ob diese Auswirkungen auf den Markt hätten. Bislang ist dieses Thema noch nicht akut, weil es so wenige PPA gibt. Aber man sollte es bereits im Hinterkopf haben. Wo es nicht um AGB, sondern um individuell ausgehandelte Verträge geht, können die auch eine längere Laufzeit haben – so wie bei dem 15-Jahres-Vertrag zwischen Energiekontor und EnBW.

Welches Interesse hat denn ein Stromkäufer, etwa ein EVU oder ein Industriebetrieb, jetzt einen so langfristigen Vertrag abzuschließen? In 5 Jahren werden neue PV-Anlagen vermutlich noch preiswerter geworden sein.

Industrie und EVU sind ganz unterschiedliche Abnehmertypen. Industrieunternehmen müssen mit langfristig höheren Strompreisen rechnen. Zum anderen geht es ihnen darum, grün zu sein.

PV-Strom für das Jahr 2025 wäre nicht weniger grün, wenn er erst kurz zuvor eingekauft würde.

Richtig. Aber es kann eben auch das Interesse an einem stabilen Strompreis geben. Ohnehin interessieren sich nicht alle Unternehmen für so langfristige PPA. Manche bauen sich auch einfach eine PV-Anlage aufs Firmendach und setzen auf Eigenverbrauch. Aber grundsätzlich ist es für Unternehmen, die einen mittleren Strompreis von vielleicht 17 Cent haben, heute schon interessant, Solarstrom einzukaufen, zumal wenn sie sich damit vor langfristigen Strompreiserhöhungen schützen können. Außerdem könnte man in die Verträge hineinschreiben, unter welchen Bedingungen der vereinbarte Preis sinkt oder steigt.

… also eine Gleitklausel einbauen?

Ja, eine Preisanpassungsklausel. Die würde sich natürlich nicht an den Stromgestehungskosten orientieren, die sich bei einer PV-Anlage normalerweise nicht verändern. Sie könnte sich aber zum Beispiel orientieren an Vergleichspreisen des ortsansässigen EVU oder an einem Strompreisindex oder an einem offiziellen Warenkorb.

Wie sieht‘s aus Sicht eines EVU aus?

Beileibe nicht alle EVU stürzen sich auf das Thema PPA. Einige sagen: Das ist uns zu heiß, das können wir am Strommarkt nicht abbilden; das Risiko ist uns zu hoch; so viel Inflexibilität wollen wir nicht im Portfolio haben. Die anderen, die aktiv sind, glauben, dass PPAs das kommende Geschäftsmodell sind. Vor allem die Größeren reißen sich zurzeit darum, endlich mal so einen Vertrag abzuschließen. Es ist eine strategische Entscheidung, um Märkte zu besetzen und vielleicht pokern sie auch auf höhere Börsenstrompreise, so dass sie an einem heute abgeschlossenen langjährigen PPA perspektivisch Geld verdienen können. Es kann aber auch sein, dass das EVU den PPA-Strom direkt per Langfristvertrag weiterverkauft an einen Gewerbebetrieb und damit mehr Marge realisieren kann als an der Strombörse.

In EEG-Zeiten haben oft reine Finanzinvestoren Solarparks gekauft und sind so in die Betreiberrolle geschlüpft. Wird sich dies in PPA-Zeiten ändern?

Ich kann mir vorstellen, dass sich die Betreiberstruktur etwas ändern wird. Es kann sein, dass sich Betreiber mit Finanzinvestoren im Rücken für PPAs interessieren. Wobei es freilich auf deren Renditeerwartung ankommt. Die Renditerwartung der Betreiber insgesamt wird sich im Zusammenhang mit PPAs möglicherweise nochmal verringern müssen. Denn die PPAs müssen sich einerseits am Börsenstrompreis messen lassen und haben andererseits auch eine Versorgungsfunktion. Anlagenbetreibern, die über einen PPA verhandeln, muss klar sein, dass sie es nicht mit Abnehmern zu tun haben, die eine gesetzliche Pflicht zu erfüllen haben oder die sich den Strom ins Regal stellen wollen. Die Lieferungen sind Teil eines Versorgungskonzeptes, das der Allgemeinheit dient. Ich bin mal gespannt, wohin das führt. Klar ist jedenfalls, dass die Trennung von Finanzprodukt und Versorgungsaufgabe aufgehoben wer­den muss. Da muss etwas zusammenfinden, was bislang noch getrennt ist.

So neu dieses Thema PPA nach zwei Jahrzehnten EEG hierzulande erscheint, so ein alter Hut ist es doch anderswo, etwa in den USA. Ist bei der Vertragsgestaltung überhaupt so viel Neuland zu beschreiten?

Sich an einem kalifornischen Stromliefervertrag zu orientieren, wäre keine gute Idee, weil das deutsche Recht viel schöner ist als das amerikanische. Stromlieferverträge gibt es natürlich auch in Deutschland schon – zum Beispiel im Rahmen der Direktvermarktung nach EEG. Aber so einen typischen Direktvermarktungsvertrag als Grund­lage zu nehmen, reicht nicht. Zumal die nicht alle so schön, sondern zum Teil wirklich hässlich sind.

Um Paragraphen als „schön“ oder „hässlich“ zu empfinden, muss man wohl Juristin sein.

Einige Themenkreise muss man sich jedenfalls genauer anschauen. Als Juristin muss ich die Sachverhalte, die sich aus einem so langfristigen Stromliefervertrag ergeben, so gut verstehen, dass ich sie angemessen und ausgewogen in dem Vertrag abbilden kann. Aus Sicht der EVU stellt sich zum Beispiel die Frage: In welcher Projektreife sollte ich einen PPA abschließen? Und wann ist der richtige Zeitpunkt, um zusammen mit der finanzierenden Bank den Strompreis festzulegen? Denn die Börsenstrompreise sind ja wie ein Fähnchen im Wind. Da müssten EVU noch Prozesse entwickeln, um den richtigen Zeitpunkt zu finden.

Es ist aber immer ein Zeitpunkt, der vor dem Bau der Anlage liegt, oder?

Auf jeden Fall – jedenfalls bei Neubauanlagen. Ein zweites Thema ist aus Sicht des EVU das Mengenrisiko. Wenn sie den Strom langfristig weiterverkaufen, aber dieser dann nicht kommt, ist das ein Problem. Ein Ansatzpunkt für die Vermeidung des Mengenrisikos und der Schadensersatzansprüche, denen sich der Anlagenbetreiber aussetzt, ist möglicherweise, nicht 100 Prozent des von der Anlage erzeugten Stroms, sondern nur eine vielleicht 90-prozentige Verfügbarkeit zur Vertragsbasis zu machen.

Warum überhaupt Prozentanteile? Kann man nicht einfach auch eine feste Strommenge über PPA verkaufen?

Das geht auch – klar. Es gibt alle Spielarten. Die Liefermenge muss man jedenfalls risikobewusst definieren, so dass der Abnehmer nur geringe Prognoseprobleme bekommt. Bislang habe ich aber keinen Vertrag gesehen, in dem der Käufer den Strom nicht so abnimmt, wie er produziert wird. Ein weiteres Thema ist die Aufnahme der Belieferung – also der Zeitpunkt. Bevor geliefert wird, muss die Anlage fertig sein, der Netzverknüpfungspunkt muss stehen, Zertifikate müssen vorhanden sein. Verzögerungen sind nicht ungewöhnlich. Es könnte deshalb Sinn machen, den Lieferbeginn vertraglich vorsichtshalber etwas nach hinten zu verlegen. Wenn die Anlage dann früher ans Netz geht, könnte man zum Beispiel die Zahlung des Monatsmarktwertes vereinbaren oder sich was anderes überlegen.

Was ist noch zu beachten?

Sehr viel Sorgfalt sollte man auf mögliche Lieferunterbrechungen verwenden. Die Fallkonstruktionen müssen dafür sehr ge­nau differenziert werden. So könnte ein Dritter die Unterbrechung verursachen, beispielsweise der Netzbetreiber per Fernabschaltung. Dabei wiederum gibt es vorhersehbare und unvorhersehbare Fälle. Eine Abschaltung könnte auch vom Anlagenbetreiber ausgehen, zum Beispiel bei Wartungsarbeiten. Aber es könnte auch der Stromkäufer die Anlage abschalten, zum Beispiel bei negativen Preisen am Strommarkt. Dafür müssen jeweils Rechtsfolgen vereinbart werden. Darüber sollte man sich ausführlich unterhalten.

Vielleicht nochmal in Stichworten die Themen, um die es juristisch in PPAs geht.

Ich sehe sieben Themen: Vertragsanbahnung, Liefermenge, Lieferzeit, Leistungsunterbrechung, Preis, Sicherheiten, Vertragsdauer/Kündigung.

Sind Sie bei einem so neuen Thema, an das sich alle noch herantasten, eigentlich als knallharte Interessenvertreterin unterwegs, oder finden Sie sich gelegentlich eher in einer Mediatorenrolle wieder?

Ich würde mich da immer in einer Mediatorenrolle sehen. Denn ein Vertrag, der über 10 Jahre läuft, sollte nicht einseitig sein.

Interview: Guido Bröer / Foto: Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein

Bei der Conexio-Konferenz „PPA als neue Säule im Ausbau der erneuerbaren Energien“ referiert Margarete von Oppen am 26. Juni in Frankfurt a.M. über PPA-Vertragsgestaltung.

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