Unter keinem guten Stern

Foto: Guido Bröer
Besitzer von Photovoltaik-Heimspeichern mit dem Mercedes-Stern, Installateure und Photovoltaikgroßhändler ärgern sich seit Monaten über den Umgang der deut­schen Nobelmarke mit ihren ehemaligen Kunden. Nach dem Rückzug des Daimler-Benz-Konzerns aus dem Heimspei­cher-Geschäft scheint sich die Service-Abtei­lung der Speicher-Tochter Mercedes Benz Energy für die Pflege ihrer Kundenbeziehungen nicht mehr sehr zu interessieren.

Das jedenfalls ist der Eindruck von Josef Weindl, Geschäftsführer der Soleg GmbH im ostbayerischen Teisnach. Dabei hatte sich der erfahrene Solargroßhändler seinerzeit nicht zuletzt mit Blick auf den erstklassigen Ruf der Marke Mercedes-Benz für die Aufnahme des im Daimler-Werk im sächsischen Kamenz gefertigten Speichers in seine Angebotspalette entschlossen. Bei einer so jungen Technologie, wie den stationären Lithium-Ionen-Batteriesystemen habe er auf eine große deutsche Marke vertraut, zu der man den Kunden nicht viel erklären müsse.
Eine Entscheidung, die Weindl mittlerweile leid tut. Schon deshalb, weil der Konzern die Produktion der Batterieheimspeicher nach einem nur zweijährigen Gastspiel 2018 stoppte – aus strategischen Gründen, wie Daimler erklärt. Es gebe kaum Synergien mit dem E-Mobil-Geschäft, weil die Akkus für PKW viel leistungsfähiger und aufwändiger herzustellen seien. Außerdem sei auf absehbare Zeit nicht damit zu rechnen, dass Heimspeicher wirtschaftlich würden, begründete der Konzern seinen Rückzug.

„Es läuft sehr unbefriedigend“

Seitdem ärgert sich Weindl über die Service-Abteilung der Daimler-Tochter Mercedes-Benz Energy, die sich bei Reklamationen stur stelle. „Es läuft sehr unbefriedigend“, sagt Weindl.
Mehrere Mercedes Speicher, die von seinen Installateurskunden bei Hausbesitzern eingebaut worden waren, haben inzwischen den Geist aufgegeben. Nachdem sich der Kunde in so einem Fall beim Installateur meldet, reicht der das Problem üblicherweise an seinen Großhändler weiter und der versucht den Fall auf möglichst kurzem Dienstweg mit dem Hersteller zu klären. Nicht so offenbar bei Mercedes-Benz Energy, wie Weindl berichtet: „Man kommt per Telefon an niemanden heran, der Entscheidungen trifft. Jedes Anliegen wird schon vom Wachhund in der Hotline abgewehrt.”
Das gleiche hat auch Moritz Winner erlebt, der für das Produkt- und Qualitätsmanagement beim PV-Großhändler EWS in Handewitt zuständig ist. Man werde bei Mercedes in der Servicehotline mit einem Ticket abgefertigt, ohne dass darauf in angemessener Zeit irgendeine persönliche Reaktion des Unternehmens erfolge.
Laut Daimler kann dies eigentlich gar nicht sein. In einer schriftlichen Stellungnahme zu den Vorwürfen erklärt die Konzernpressestelle gegenüber den Solarthemen: „Unsere Service-Hotline ist werktäglich von 8.00 – 15.30 Uhr besetzt. Eine aktuelle Auswertung zeigt, dass ca. 75 % der Anrufe direkt angenommen werden. Alle sonstigen Nachrichten auf dem Anrufbeantworter werden spätestens am nächsten Tag kontaktiert. (…) Unsere Ticketbearbeitung erfolgt ausschließlich persönlich durch unsere qualifizierten Servicemitarbeiter, automatisierte Mails versenden wir nicht. Darüber hinaus unterhalten wir auch weiterhin den Kontakt zu unseren Großhändlern.

Keine Gewährleistung

Dazu gibt es offenbar aber auch reichlich Anlass. Von rund 150 Speichern mit Stern, die EWS in der kurzen Zeit verkauft habe, seien inzwischen etwa 10 kaputt, berichtet Moritz Winner. Obwohl die Schäden größtenteils innerhalb der zweijährigen Gewährleistungspflicht aufgetreten seien, habe sich Mercedes aber bislang in keinem einzigen Fall auf einen Gewährleistungsanspruch eingelassen.
Diese Erfahrung hat auch Josef Weindl gemacht: „Obwohl es sich eindeutig um Fehler des Produktes handelt, beruft sich Mercedes darauf, dass der Installateur einen Fehler gemacht habe.“
Laut Winner und Weindl handelt es sich in den meisten Fällen um relativ ähnliche Fehler, die bei den Mercedes-Speichern auftreten. Die Speicher stiegen unvermittelt aus dem Ladevorgang aus und zeigten eine Störung an. Von einem Serienfehler will die Daimler-Pressestelle nach entsprechenden Recherchen allerdings nichts wissen: „Die Mercedes-Benz Energiespeicher laufen nach ordnungsgemäßer Installation und normalem Nutzungsverhalten sehr zuverlässig. Sie verfügen über einen Selbstschutzmechanismus, der keinerlei Verletzung der Einsatzgrenzen zulässt, um Gefährdungspotenziale auszuschließen.“

Schadensbegrenzung

Keinen Anlass sieht Mercedes also zu Gewährleistungen, wenn das Verschulden des Herstellers vom Großhändler nicht nachgewiesen werden kann. Im Gewährleistungsrecht geht nämlich ein halbes Jahr nach dem Kauf die Beweislast von Verkäufer auf den Käufer über. Unter dem Eindruck, als direkter Geschäftspartner bei Mercedes komplett auf Granit zu beißen, hat EWS sich inzwischen mit einigen Installateuren und Endkunden auf Deals eingelassen. Denn dass die Handwerks- oder Endkunden in solchen Fällen den Schaden allein ausbaden – zumal in der Gewährleistungszeit –, das kommt für einen Großhändler, der auf guten Kundenbeziehungen bedacht ist, nicht in Frage. Hier ist gemeinsame Schadensbegrenzung angesagt.
Der Großhändler kümmert sich beispielsweise darum, dass der Installateur ein Ersatzgerät eines anderen Herstellers kostenlos gestellt bekommt, der Installateur baut es für den Hausbesitzer kostenlos ein und der Endkunde bemüht sich derweil darum, dass er die 10-jährige lineare Zeitwertersatzgarantie für den Speicher bei Mercedes eingelöst bekommt, um das Geld im Erfolgsfall an den Großhändler abzutreten.
Solche Deals allerdings machen Holger Schneidewindt richtig ärgerlich. Der Jurist und Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen beklagt, dass gerade auch bei Batteriespeichern immer wieder Gewährleistungs- und Garantieansprüche verwechselt oder vermischt würden. Wenn innerhalb der gesetzlichen Gewährleistungszeit ein Gerät kaputt gehe, dann sei ohne ohne Wenn und Aber die Gewährleistungskette einzuhalten und das Gerät samt aller Nebenkosten zu reparieren oder zu ersetzen. Der Verbraucher habe sich an seinen Installateur zu wenden, dieser an den Großhändler und jener sich an den Hersteller. Je nachdem auf welcher Stufe der Fehler zu verantworten sei, sei der Schaden inklusive aller Nebenkosten zu beheben.

Gewährleistung oder Garantie?

Das weiß auch Daimler. Die Pressestelle betont: „Gewährleistungsansprüche sind klar von Garantieansprüchen abzugrenzen. Die Gewährleistungsansprüche sind gesetzlich geregelt und betreffen die Beziehung zwischen den direkten Vertragsparteien. In diesem Fall zwischen Großhändler und Mercedes-Benz Energy. An uns gerichtete Ansprüche prüfen wir stets sehr sorgfältig und geben auch klare Rückmeldungen. Gleiches gilt natürlich auch für etwaige Garantieansprüche, die ein Endkunde an uns heranträgt. Wichtig dabei zu erwähnen: Wir legen sehr großen Wert auf Datenschutz und geben entsprechend keine Auskunft an Händler/Großhändler zu Kunden.“
Von Endkunden, die vergeblich versucht haben, bei Mercedes-Benz Energy eine Zeitwertersatzgarantie in Anspruch zu nehmen, liegen der Solarthemen-Redaktion mehrere Ablehnungsschreiben vor. Darin beruft sich das Unternehmen mit teilweise gleichen Textbausteinen wahlweise auf Fehler des Installateurs, des Großhändlers oder des Endkunden selbst.
So wird beispielsweise von Mercedes-Seite darauf verwiesen,
• dass der Zeitraum zwischen Batterieausfall und Reklamationsmeldung größer als 6 Monate war,
• dass eines der Batteriemodule einen von den anderen unterschiedlichen Softwarestand aufweist,
• dass zwischen Inbetriebnahme und Reklamationsmeldung eine Wechselrichteränderung vorgenommen wurde oder
• dass der zulässige Lagerzeitraum zwischen Produktions- und Installationsdatum von 6 Monaten überschritten wurde.

Vorwände oder gute Gründe?

All dies sind in den Augen von EWS-Mann Winner fadenscheinige Vorwände, um sich vor Gewährleistungs- beziehungsweise Garantieansprüchen zu drücken. Mindestens werde solcherlei von anderen Herstellern, die aktiv im Geschäft und weiterhin an einem guten Verhältis zu ihren Händlern interessiert seien auf dem Kulanzwege geregelt.
Davon allerdings will der Daimler-Konzern nichts wissen. Aus der Konzernzentrale heißt es: „Wir legen großen Wert auf die Einhaltung unserer Vereinbarungen. Sowohl die Annahme als auch Ablehnung eines Garantieanspruchs erfolgt immer mit einer klaren sachlichen Begründung unsererseits. Unsere Garantiebedingungen sind transparent jederzeit online einsehbar. Bei unklarer Faktenlage entscheiden wir immer im Sinne des Kunden. Manipulierte Ansprüche oder verschleierte Fakten klären wir im Sinn der ehrlichen Kunden konsequent auf. (…) Bei unklaren Fällen finden wir häufig kulante Regelungen.“

Garantiekarte zu spät unterschrieben

Die oben zitierten Ablehnungsgründe sind für Daimler allerdings klare Garantie-Ausschlussgründe, die das Unternehmen gegenüber den Solarthemen detailliert technisch begründet. Ebenso unmissverständlich äußert sich die Pressestelle zu dem Fall, in dem ein Hausbesitzer eine Garantiekarte nicht innerhalb der gesetzten Frist von 2 Monaten, sondern erst 2 Wochen später zurückgesendet hatte:
„Das zeitnahe Einreichen der Garantiekarte dokumentiert den Garantiebeginn. In der Rechtsprechung ist das geforderte unverzügliche Zusenden mit 14 Tagen festgelegt. Wir sind mit den angewandten 2 Monaten sehr kulant. (…) Die Vorgehensweise ist bei den Schulungen allen Installateuren ebenfalls vermittelt worden.“
Einer dieser Installateure kann sich daran im Gespräch mit der Solarthemen-Redaktion sogar erinnern. Für ihn steht nach seinen aktuellen Erfahrungen mit Mercedes-Benz Energy allerdings fest, „dass mein nächster Firmentransporter keiner mehr mit einem Stern sein wird.“
Text und Foto: Guido Bröer

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