E.ON-RWE-Deal contra Energiewende?
Die Europäische Kommission hat einem Tauschgeschäft der Stromkonzerne E.ON und RWE zugestimmt. Während E.ON damit von der RWE-Tochter Innogy vor allem die Geschäftsbereiche Vertrieb und Kundenlösungen übernimmt, erhält RWE von E.ON die Stromerzeugungsanlagen. In der Branche der erneuerbaren Energien stößt dies auf Widerspruch.
Nach Angaben der Europäischen Kommissen nehmen beide Unternehmen einen komplexen Tausch von Vermögenswerten (Asset-Swap) vor. Danach wird E.ON seinen geschäftlichen Schwerpunkt auf die Verteilung und den Einzelhandel mit Strom und Gas legen, während RWE in erster Linie auf den vorgelagerten Märkten für Stromerzeugung und -großhandel tätig sein wird. Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erklärte hierzu: „Privat- und Geschäftskunden in Europa müssen Strom und Gas zu wettbewerbsfähigen Preisen beziehen können. Wir können heute die Übernahme von Innogy durch E.ON genehmigen, weil die Verpflichtungszusagen von E.ON sicherstellen, dass der Zusammenschluss in den Ländern, in denen diese Unternehmen tätig sind, nicht zu einer geringeren Auswahl und höheren Preisen führen wird.“
Gestern erfolgte von Seiten der Kommission die Zustimmung zur Übernahme der Innogy-Geschäftsbereiche durch E.ON. Bereits am 28. Februar hatte sie den Übergang der E.ON-Stromerzeugungskapazitäten an RWE genehmigt. Wichtig war für die Kommission der Erhalt des Wettbewerbs im deutschen Markt für Heizstrom, im deutschen Markt für Autobahn-Ladestationen für Elektrofahrzeuge, im tschechischen Markt für den Einzelhandel mit Gas und im ungarischen Markt für den Einzelhandel mit Strom für Unternehmen. In diesen Märkten haben die beiden Unternehmen eine schon jetzt starke Position. Dem will die Kommission durch Auflagen entgegen wirken – so soll E.ON seine Verträge mit Heizstromkunden veräußern. Weniger entscheidend waren für die Kommission der Stromeinhandelsmärkte in Deutschland und der Slowakei, weil die Konzentration von E.ON in diesem Bereich durch den Tauschhandel nicht stärker werden würde.
Doch die Kritik am Deal der beiden großen Unternehmen entzündet sich speziell für Vertreter der erneuerbaren Energien an anderen Punkten. So bemängelt Eurosolar, RWE werde mit den Kraftwerken von E.ON zum beherrschenden Stromproduzenten Deutschlands. Mithilfe eines riesigen Kraftwerkparks könne RWE künftig die Preisbildung im Strommarkt beeinflussen oder EEG-Ausschreibungen nach Belieben steuern. E.ON hingegen bekommen mit den Strom- und Gasverteilernetzen von RWE das lukrativste Geschäftsfeld und bedienet das Endkundengeschäft dann als beherrschender Strom- und Gasvertrieb Deutschlands. Verteilnetze seien jedoch auch nach der Liberalisierung des Strommarkts praktisch Monopolbereiche, so Eurosolar. Nach der Übernahme werde E.ON 50 Prozent der deutschen Stromnetze sowie 70 Prozent aller Stromkunden und 70 Prozent aller Gaskunden kontrollieren . Als dominierender Netzbetreiber werde das Unternehmen die Standards der gesamten Branche setzen. Mit 20 Millionen Zählern sei die neue E.ON zudem viermal größer als der nächste Wettbewerber.
„Auf diese Weise will E.ON eine kritische Masse erreichen, um das Google des deutschen Energiemarkts zu werden“, so Axel Berg, Vorsitzender der deutschen Sektion von EUROSOLAR. „Die Funktionslogik ist der integrierte Konzern mit Netz, Messstellenbetrieb, Endkundenvertrieb und vielen neuen Geschäften.“ Heute ende die Rivalität der beiden Konzerne. Tatsächlich liege ein schnelles Ende des Atom- und Kohlezeitalters jedoch nicht im Interesse der Beteiligten. Im Gegenteil, so Berg: „RWE und E.ON schleppen die Erneuerbaren nur so weit mit, wie es unbedingt nötig ist, um das Geschäft mit der konventionellen Stromproduktion zu stützen.“ Eine dezentrale Marktordnung mit vielen kleinen Stromproduzenten stehe den Profit- und Wachstumszielen großer Energiekonzerne im Weg. „Statt sich gegenseitig Konkurrenz zu machen, positionieren sich die Großen gemeinsam gegen die Kleinen und gegen die Energiewende. Nach der vertikalen Integration der Märkte erfolgt jetzt die horizontale Aufteilung. Mit dezentraler Energiewende hat das nichts zu tun“, so Berg.
Auch der Öko-Energieversorger Naturstrom befürchtet nun eine marktbeherrschende Stellung auf dem Energiemarkt durch die künftige E.ON, die nicht nur zu Lasten der anderen Anbieter, sondern auch der Kunden gehen werde. Der Vorstandsvorsitzende der Naturstrom AG Thomas E. Banning sieht durch den Deal erhebliche Wettbewerbsprobleme auf den deutschen Energiemarkt und zukünftig steigende Preise für die Endkundinnen und Endkunden zukommen und lässt auch rechtliche Schritte gegen die Entscheidung der EU-Kommission prüfen. Obwohl sich Wettbewerbshüter gegen den Deal ausgesprochen und eine Vielzahl von Energieversorgern die Kommission im Fall einer Genehmigung zu hohen Auflagen für E.ON wie der Trennung von allen Standwerksbeteiligungen aufgerufen hatten, liege nun eine Genehmigung der EU-Kommission ganz nach den Wünschen von E.ON auf dem Tisch, so Banning. Zu den wenigen Maßnahmen zähle in Deutschland lediglich die Einstellung des Betriebs von 34 Ladestationen an Autobahnen und die Veräußerung eines kleinen Kundensegmentes „Heizstrom“ – genau die Maßnahmen, die E.ON selbst im Verfahren vorgeschlagen hatte. „Die Genehmigung des Deals mit solch lächerlich geringen Auflagen ist ein schwerer Rückschlag für den Wettbewerb auf dem deutschen Energiemarkt und konterkariert die vor 20 Jahren begonnene Liberalisierung in diesem Feld. Der neue Zuschnitt von E.ON bringt diesem Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung ein, zum Nachteil anderer Energieanbieter wie Stadtwerken und Ökostromversorgern, vor allem aber dann mittelfristig für Millionen von Haushalts- und Gewerbekundinnen und -kunden“, warnt Banning. „Es muss damit gerechnet werden, dass E.ON Schritt für Schritt viele unabhängige kommunale und mittelständische Anbieter binnen weniger Jahre aus dem Markt verdrängt, andere zumindest zurückdrängt“, so Banning weiter.
Und auch unter Klimaschutzgesichtspunkten sei der Deal eine schwere Hypothek, so Banning mit Blick auf die weiteren in dieser Woche anstehenden Entscheidungen im Energiemarkt. „Am Freitag will die Bundesregierung ein großes Klimapaket verabschieden. Die EU-Kommission, die sich ja ebenfalls dem Klimaschutz verschrieben hat, erschwert mit dieser Entscheidung ein Vorankommen auf diesem Themenfeld erheblich. Klimaschutz funktioniert am schnellsten und effizientesten im Wettstreit der Ideen, im Wettbewerb verschiedener Anbieter und Akteure. Mit der Genehmigung dieses Deals der Konzerne ziehen sehr dunkle Wolken für diese für den Klimaschutz benötigte Vielfalt auf. Ich hoffe, dass viele Kundinnen und Kunden des neuen Energieriesen ihre Konsequenz ziehen durch einen Wechsel des Anbieters. Zukunft bedeutet grüne Wirtschaft – rote Firmenfarben versprechen da nichts Gutes.“
Auch der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) sieht die Energiewende durch den E.ON-Innogy-Deal bedroht. bne-Geschäftsführer Robert Busch erklärt: „Ein Unternehmen dieser Größenordnung, das gleichzeitig Vertrieb und Netzbetrieb bündelt, ist eine Gefahr für den Wettbewerb im Energiemarkt. Diese Fusion bedroht die Energiewende als Ganzes, denn sie gefährdet klimafreundliche Energiewende-Lösungen von Wettbewerbern.“ Nun räche sich, dass nach der Liberalisierung der Energiemärkte das Unbundling nicht ausreichend vollzogen wurde. Netze seien zentrale Plattformen der Energiewende, die zwingend neutral geführt werden müssten, so Busch.
Rolf Martin Schmitz, Vorstandsvorsitzender der RWE AG, erklärt jedoch: „Die Vereinbarungen zwischen RWE und E.ON werden die Energiewende maßgeblich voranbringen, weil sie die Stärken beider Unternehmen bündeln und eine Fokussierung auf die jeweiligen Wertschöpfungsstufen ermöglichen“, betont . Die „neue RWE“ fokussiere sich künftig vor allem auf die Stromerzeugung, die zunehmend auf regenerativen Energien basieren werde. Das Unternehmen verfüge vom Start weg über ein Portfolio Erneuerbarer Energien mit einer installierten Leistung von mehr als 9.000 Megawatt. Und die Pipeline für die weitere Stärkung dieses Geschäftsfelds sei gut gefüllt. In den Ausbau will RWE nach Aussage von Schmitz jährlich 1,5 Milliarden Euro netto investien.
18.9.2019 | Autor: Andreas Witt | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH