Solar-Mittelständler sagt Personalengpass den Kampf an

Ein Photovoltaik-Handwerksunternehmen in bayerisch Schwaben investiert auf seinem Wachstumskurs in systematische Mitarbeitergewinnung.

Vor zwei Jahren traf Wolfgang Kempfle, in Leipheim ortsbekannt als „Sonnenwolfi“, eine strategische Entscheidung: Aus dem kleinen Handwerksbetrieb, der auf ihn als den Chef ausgerichtet ist, soll ein mittelständisches Unternehmen mit klaren Strukturen werden. Inzwischen beschäftigt die ESS Kempfle GmbH als Photovoltaik-Komplettanbieter 32 Mitarbeiter und setzt in diesem Jahr mit 200 neuen Anlagen im Raum Augsburg und Ulm voraussichtlich sechs Millionen Euro um. Dem 48-jährigen Agrar-Betriebswirt, der sich früh für Energiethemen interessierte, war klar: Personal ist der Engpass auf dem Weg zum erfolgreichen Mittelständler. „Wir haben früher Elektriker gesucht, viel Energie in Beziehungsarbeit gesteckt und trotzdem über Monate keinen gefunden“, erzählt der Leipheimer.

Im vergangenen Jahr hörte er einen Vortrag von Pia Tischer. Die Geschäftsführerin des IT-Unternehmens Coveto hat sich auf Bewerbermanagement für kleine und mittelständische Betriebe spezialisiert. „Ich habe durch den Vortrag und später die Zusammenarbeit so viele handfeste Impulse bekommen, dass wir inzwischen wirklich auswählen und die passenden Mitarbeiter einstellen können“, sagt der Sonnenwolfi.

Wolfgang Kempfle hat dem Personalengpass, der viele Handwerksbetriebe in der PV-Branche drückt, den Kampf angesagt. Foto: ESS Kempfle GmbH

Zunächst musste das Führungsteam nüchtern feststellen: Wir haben uns nie systematisch mit dem gesamten Ablauf von der Ausschreibung über die Auswahl bis zur Anstellung auseinandergesetzt. So gilt inzwischen etwa das Vier-Augen-Prinzip bei den bayrischen Schwaben. Bewerbungen für den Vertrieb bespricht Kempfle mit seinem Vertriebscoach. Geht’s um Verwaltung und Ausbildung zieht er seine Ausbilderin hinzu. Und die Kandidaten für die technischen Jobs beurteilt er zusammen mit seinem Technischen Leiter. „So sind wir Schritt für Schritt den Einstellungsprozess durchgegangen und haben Abfolgen und Zuständigkeiten festgelegt“, berichtet Kempfle. Vor allem die Automatismen der Software hätten dazu geführt, dass der Prozess insgesamt viel schneller laufe und personelle Ressourcen gespart würden.
Beispiel: Wöchentlich investiert Wolfgang Kempfle 15 bis 30 Minuten, um neue Stellenanzeigen zu gestalten und in diversen Stellenportalen einzustellen. „Wir haben alle Vorlagen digital gespeichert und müssen sie lediglich abrufen“, erzählt er. Was er von Pia Tischer gelernt hat: Suchst du einen Lohnbuchhalter, dann schreibe die Stelle mehrfach und unter verschiedenen Suchbegriffen aus, weil etwa Finanzbuchhalter oder Bürokaufleute den Job genauso erledigen können wie reine Lohnbuchhalter. Dadurch erhöht sich die Anzahl der Bewerber.
Allein im vergangenen Jahr hat ESS Kempfle zehn neue Mitarbeiter gewonnen, vor allem Vertriebler, Techniker und Elektriker. Denn das Unternehmen berät, verkauft, plant, montiert und wartet Photovoltaikanlagen. 90 Prozent werden privat genutzt, zehn Prozent gewerblich. Die machen allerdings 30 Prozent des Umsatzes aus, weil sie größer sind. Kempfle hat durch die Personal-Beratung begriffen, dass er sein Unternehmen gegenüber potentiellen Bewerbern verkaufen muss – er konkurriert mit vielen anderen Betrieben um wenige Fachkräfte. In den Stellenanzeigen stellt er deshalb heraus, dass die Energiebranche zwar eine zukunftsträchtige Branche ist, in der allerdings übermorgen eine andere Technik gefragt sein kann als heute. Deshalb sucht er überdurchschnittlich engagierte Mitarbeiter und lebt eine Kultur, in der Fehler die Chance zu Verbesserungen bieten. Das behauptet das ein oder andere PV-Unternehmen ebenfalls über sich, aber wenn man den „Sonnenwolfi“ auf seinen Videos sieht, die jede Online-Stellenausschreibung begleiten, dann bekommen Bewerber das Gefühl, dass er tatsächlich so handelt wie er es verspricht. „Derartige Videos erhöhen die Anzahl der Bewerber um den Faktor vier“, behauptet Pia Tischer. Die Erfahrung macht die 50-jährige Personalspezialistin nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern auch bei den Kunden, an die sie ihr Wissen weitergibt.
Eine weitere Regel lautet: Stelle den passenden Mitarbeiter ein. Nicht den fachlich Besten und schon gar nicht einen, der lediglich der beste Bewerber ist, aber die Anforderungen nicht wirklich erfüllt. „Die Hoffnungen, dass sich jemand entsprechend entwickelt, muss schon sehr begründet sein. Sonst lassen Sie die Finger davon“, rät Tischer. So macht das inzwischen auch Kempfle: „Wir schauen sehr bewusst auf die menschlichen Fähigkeiten“.
Geht es um Monteure, so werden sie kurzer Hand zu einem Schnuppertag eingeladen. Nach einer Tagesschicht können die Kollegen beurteilen, ob der Kandidat anpackt, fachlich etwas drauf hat und sich ins Team einfügt. Potentiellen Führungskräften schickt ESS Kempfle mit der Bestätigungsmail ein paar persönliche Fragen zu, um die Bewerber vor einem ersten Gespräch besser kennenzulernen. Kommt darauf keine Antwort, hat sich das Thema ohnehin erledigt. Danach führt ein Entscheider ein Telefoninterview mit den Bewerbern. Auch da fallen einige aus der engeren Wahl, so dass die Kennenlern-Gespräche nur mit wenigen Bewerbern geführt werden. „Wir haben dann wirklich geeignete Menschen, mit denen wir uns über eine Arbeitsbeziehung unterhalten“, sagt Wolfgang Kempfle, „und diese Gespräche finden auch auf einem ganz anderen Niveau statt als früher.
30.9.2019 | Quelle: coveto ASS GmbH| solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

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