Photovoltaik auf Kranstellflächen von Windenergie-Anlagen

Photovoltaikanlage am Fuß einer Windenergie-AnlageFoto: Westfalenwind GmbH
Das fanden die Behörden nicht lustig: Photovoltaikanlage am Fuß einer Windenergieanlage.
Photovoltaik auf den geschotterten Flächen am Fuße von Windkraftanlagen. Das klingt logisch und einfach - ist es aber nicht, wenn Behörden und Netzbetreiber sich querstellen. Das zeigt eine Posse aus dem Paderborner Land mit zigtausendfachem Wiederholungspotenzial.

Beispiele, wie hierzulande der Ausbau der Photovoltaik behindert und blockiert wird, gibt es genügend. Mitunter sind es Netzbetreiber, die kein grünes Licht für den Anschluss eines Dach­kraftwerkes geben. Oder es ist die Politik, die sich wegen taktischer Machtspielchen nicht auf das Ende des solaren Förderdeckels verständigen konnte und eine ganze Branche fast um ihre Zukunftsaussichten gebracht hat.

Dass sich auch lokale und regionale Genehmigungsbehörden beim Solarausbau querstellen können, haben unlängst die Macher des Windkraftentwicklers und -betreibers Westfalenwind GmbH mit Sitz in Paderborn erfahren müssen. Die Ostwestfalen, die längst auch ins Solargeschäft eingestiegen sind, hatten vor einigen Jahren eine nicht alltägliche Idee – eine Idee, die sich sozusagen am Fuße von fast jeder Windenergieanlage verwirklichen ließe: Warum sollen wir den Betriebsstrom für unsere Anlagen weiter bei einem externen Anbieter einkaufen, wenn wir ihn auch selbst produzieren können, lautete eines Tages eine – sicherlich nicht unberechtigte – Frage auf einer Mitarbeiterversammlung. Dieser Betriebsstrom – das zur Erklärung – ist unter anderem für die Ausrichtung der Windturbine in den Wind sowie für den Betrieb wichtiger elektrischer Aggregate unter der Gondel unverzichtbar.

Photovoltaik für den Betriebsstrom

Wie der Betriebsstrom erzeugt werden sollte, war für Westfalenwind keine Frage: mit Photovoltaik. Und auch über den Standort für die Module gab es keine Zweifel: Die geschotterte Kranstellfläche am Turmfuß, die für den Aufbau fast jeder Windturbine angelegt wird, ist ein idealer Platz. Und angesichts des ohnehin schon vorhandenen Netzanschlusses für die Windturbine sollte die zusätzliche Nutzung des Standortes mit einer ebenerdigen Solaranlage technisch kein Problem sein, dachten sich die Ostwestfalen.„Für uns ergab sich eine klassische Win-Win-Situation“, erzählt Daniel Saage, der bei Westfalenwind das Solargeschäft managt, von den Anfängen der Idee. „Wir nutzen eine ansonsten wertlose, versiegelte Fläche für eine kleine, solare Freiflächenanlage, schaffen so weitere Photovoltaik-Kapazitäten und gewinnen kostengünstigen Betriebsstrom für uns.“

Allein in Nordrhein-Westfalen wäre mit solchen Kombi-Ökokraftwerken einiges an solarer Leistung möglich. Wenn nur an jedem fünften vorhandenen Standort einer Windturbine als Add-on eine 80-kW-Photovoltaik­anlage errichtet würde, käme nach Saages überschlägiger Rechnung ein Potenzial von mindestens 56 Megawatt zusammen. Bundesweit läge die Zahl sicherlich im oberen dreistelligen Megawatt-Bereich.

Widerstand vom Bauamt

Mit ihrer bestechend einfachen Idee liefen die Macher von Westfalenwind allerdings keine offenen Scheunentore ein. Vielmehr knallten sie mit dem Bauantrag gegen mehrere Behördentüren. Und zwar kräftig. Vom Bauamt der Stadt Paderborn gab es im Oktober 2017 eine Absage. Eine Photovoltaik­anlage im Außenbereich sei nicht zulässig, hieß es. Im April 2019 flatterte Daniel Saage und seinen Mannen gar ein Bußgeldbescheid des Kreises Paderborn ins Haus. Was war geschehen?

Einige Wochen zuvor hatte Westfalenwind eine ebenerdig aufgestellte 96-kW-Solaranlage im Windpark Huser Klee auf Lichtenauer Gemeindegebiet in Betrieb genommen. Weshalb Westfalenwind hier kurzerhand zur Tat geschritten war, erklärt Daniel Saage: „Wir hatten die juristische Auskunft bekommen, dass ein Bauantrag nicht erforderlich sei, da die Solaranlage auf der Kranstellfläche als Nebenanlage baurechtlich genauso privilegiert sei wie die Windenergieanlage.“

„puzzleartige Gestalt“

Pustekuchen. Wie die Verantwortlichen im Paderborner Kreishaus darüber dachten, zeigte später folgender Absatz aus einem Schriftsatz, mit dem die Kreisverwaltung auf eine Klage von Westfalenwind gegen den abgelehnten Bauantrag reagierte: „Ferner führe die geplante Anlage auch zu einer Verunstaltung des Landschaftsbildes, weil das Vorhaben dem Landschaftsbild wegen seines industriell-künstlichen Einschlags in ästhetischer Hinsicht grob unangemessen ist und angesichts seiner puzzleartigen Gestalt auch von einem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter als Belastung empfunden würden.“ Das klingt nach Bürokraten-Schilda.

Dass es nicht zur Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Minden kam und die Kreisverwaltung sich plötzlich gesprächsbereit zeigte, ist einer Intervention der Düsseldorfer Landesregierung zu verdanken. „In der Photovoltaiknutzung von Kranstellflächen von Windenergieanlagen […] sehen wir einen konstruktiven Vorschlag, um neue Potenziale für den Ausbau der Photovoltaik zu erschließen“, hieß es im Herbst 2019 in einem gemeinsamen Schreiben des Energie- und Wirtschaftsministers Andreas Pinkwart (FDP) und der Ministerin für Kommunales und Bau, Ina Scharrenbach (CDU). Beide Kabinettsmitglieder kündigten zudem an, dass die solare Kranstellflächennutzung explizit in den nächsten Windenergieerlass aufgenommen würde.

Hilferuf in die Landeshauptstadt

Ganz von allein waren die Düsseldorfer Ministerien den Kranstellflächen-Solarteuren freilich nicht beigesprungen. Westfalenwind hatte über den Landesverband Erneuerbare Energien einen Hilferuf in die Landeshauptstadt geschickt. Was – nach mehreren noch folgenden Briefwechseln – eigentlich das gute Ende einer vermaledeiten Geschichte um überbordende Behördenwillkür sein könnte.

Doch mitnichten. Der Ritt durch die Instanzen ist für Westfalenwind noch nicht zu Ende. Denn noch ungelöst sind die Konflikte mit dem zuständigen Netzbetreiber Westfalen Weser Netz (WWN). Um die technische Kompatibilität nachzuweisen, besteht WWN auf einem komplett neuen Anlagenzertifikat für den Windpark.

„Wir verändern die Anschlussleistung durch die Solarmodule um lediglich 0,83 Prozent und verbrauchen den allergrößten Solarstromanteil direkt im Windpark, womit die Netzsicherheit in keiner Weise gefährdet ist“, rechnet Westfalenwind-Chef Johannes Lackmann vor. „Das Gutachten kostet rund 8000 Euro, womit die ohnehin schon knapp bemessene Rentabilität der Photovoltaikanlage gegen null sinkt.“

TAR ohne Ausnahme

Dagegen verweist Netzbetreiber WWN auf die gesetzlichen Anforderungen, insbesondere die Technischen Anschlussregeln (TAR). „Nach der anzuwendenden TAR 4110 gibt es keine Ausnahmeregel von der Zertifizierungspflicht. Eine individuelle Betrachtung oder gar Einbeziehung des Normengebers für einzelne Anlagen ist aufgrund der Viel­zahl der dezentralen Erzeugungs­anla­gen in Deutschland aus unserer Sicht nicht umsetzbar“, heißt es auf Anfrage aus der Paderborner WWN-Zentrale.

Das Argument lässt Johannes Lackmann nicht gelten. Er verweist darauf, dass ein solches Anlagenzertifikat bei ähnlichen Projekten im europäischen EU-Ausland kaum erforderlich sei. „Wir haben bei den erneuerbaren Energien mit einer Über­re­gulierung zu kämpfen.“ Daher hat sich der Elektroingenieur zwischenzeitlich mit der Bitte an den Normengeber, sprich das Forum Netztechnik/Netzbetrieb im Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) gewandt, Bagatellgrenzen in den Anschlussregularien festzulegen. „Bei Parameteränderungen bis ein Prozent gelten vorhandene Zertifikate uneingeschränkt weiter“, lautet sein Vorschlag. Eine Antwort steht aber noch aus.

Clearingstelle angerufen

Auch beim Konzept, wie in der Windturbine wirklich nur der für den Eigenverbrauch genutzte Solarstrom korrekt zu messen ist, liegen Westfalenwind und der regionale Netzbetreiber bislang über Kreuz. Eine nicht unwichtige Frage. Immerhin haben sich beide Seiten darauf verständigt, die EEG-Clearingstelle sozusagen als Mediator anzurufen. „Bei dem von uns gemeinsam gewählten Weg über die Clearingstelle EEG handelt es sich für alle Beteiligten um einen pragmatischen und kostengünstigen Weg, hier Rechts­sicherheit zu erlangen“, begründet WWN diesen Schritt.

Die Verantwortlichen bei Westfalenwind, im Kreis der erneuerbaren Energien bekannt für eine gewisse Renitenz und Hartnäckigkeit, wollen beim Thema Kranstellflächen-PV nicht locker lassen. „Wir sehen uns als Vorreiter“, sagt Geschäftsführer Daniel Saage. „Die sinnvolle Nutzung der sonst brachliegenden Kranstellflächen ist für uns auch ein weiterer wichtiger Baustein, um in der Bevölkerung die Akzeptanz für die Windenergie und die erneuerbaren Energien zu erhöhen.“ Saage hofft, dass Westfalenwind mit seiner beharrlichen Haltung den Weg für weitere solare Kranstellflächen-Projekte geebnet hat.

19.6.2020 | Autor: Ralf Köpke
© Solarthemen Media GmbH

Beliebte Artikel

Schließen