Experten-Tipps für ausgeförderte Ü20-Photovoltaik-Anlagen

Alte PhotovoltaikanlageFoto: Guido Bröer
Viele der 18.000 Photovoltaik-Pioniere, deren PV-Anlage älter als 20 Jahre ist (Ü20-Anlagen) und für die deshalb am 31. Dezember 2020 die EEG-Einspeisevergütung endet, sind aktuell verunsichert. Zwar soll mit der aktuell im Bundestag verhandelten Novelle des EEG2021 der Weiterbetrieb garantiert werden. Doch das Gesetz ist noch nicht beschlossen und die Vorschläge der Bundesregierung zu den Ü20-Anlagen sind selbst in der Regierungskoalition sehr umstritten. Solar-Experte Christian Dürschner, gibt im folgenden Artikel Tipps, wie sich Betroffene in dieser Situation verhalten können. Oberstes Gebot: Ruhe bewahren!

Die meisten der ca. 18.000 PV-Anlagen, die jetzt zum 31.12.2020 das Ende der Förderdauer erreichen, sind – mit Blick auf die Erträge – noch so gut, dass ein Weiterbetrieb sinnvoll und wünschenswert ist. Ein nicht-repräsentativer Querschnitt aus den Anrufern bei der PV-Lotse-Hotline der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) zeigt, dass rund 75 bis 80 % der PV-Anlagen mit 850-900 kWh/kWp noch genau so gute Erträge liefern wie in den Anfangsjahren.

Bei rund einem Fünftel der Anlagen sind die Erträge im Verlauf der Jahre um bis ca. 20 Prozent gesunken. Das liegt aber auch im Rahmen des technisch zu Erwartenden, denn in den Leistungsgarantien aus der Anfangszeit wurde eine jährliche Degradation der Solarmodule von maximal einem Prozent pro Jahr „angekündigt“. Das würde sich nach 20 Jahren auf eben die 20 Prozent Leistungsverlust – und damit auch jährlichen Ertragsverlust – summieren, die jetzt zu beobachten sind. Also: Einfach weiter einspeisen, nur zu geringeren Vergütungssätzen?

Nein, so einfach ist es leider nicht…

Bisher hat es der Gesetzgeber versäumt, rechtzeitig eine sinnvolle Anschlussregelung auf den Weg zu bringen. Die Ü20-PV-Anlagen bleiben zwar EEG-Anlagen und dürfen das Recht auf Netzanschluss und das Recht auf Einspeisung weiter wahrnehmen. Gemäß der bisherigen Rechtslage des EEG 2017 dürfen die Betreiber von PV-Anlagen den Strom aber nur noch dann in das öffentliche Stromnetz einspeisen, wenn sie in die „Sonstige Direktvermarktung“ wechseln, also einen Käufer für ihren Strom haben. Dieser Wechsel muss dem bisher für die Vergütungszahlungen zuständigen Netzbetreiber einen Kalendermonat vorher mitgeteilt werden. Bei einem Wechsel zum 01.01.2021 also schon zum 30.11.2020. Daher rührt auch die Fristsetzung in den zahlreichen „Kündigungsschreiben“, die viele Netzbetreiber in den letzten Wochen an die Ü20-PV-Anlagenbetreiber in ihrem jeweiligen Netzgebiet versandt haben.

„Sonstige Direktvermarktung“ als Alternative?

Der Wechsel in die „Sonstige Direktvermarktung“ zöge aber weitere Verpflichtungen nach sich: Der eingespeiste Strom dürfte nicht mehr saldierend mit dem üblichen Einspeisezähler, sondern müsste viertelstundengenau mit einem aufwändigen Spezialzähler gemessen werden. Dazu kommt die Pflicht, eine Fernsteuerung der PV-Anlage zu ermöglichen. Beides ist mit erheblichen Kosten verbunden, die von den zu erwartenden, geringen Erlösen aus den meist nur sehr kleinen PV-Anlagen der Pionierzeiten nicht gedeckt werden können.

Mit der EEG-Novelle 2021 soll die Möglichkeit geschaffen werden, den erzeugten PV-Strom – befristet bis 31.12.2027, möglicherweise auch nur bis 31.12.2023 – weiter in das Stromnetz einzuspeisen. Der Anlagenbetreiber soll wie bisher dem Netzbetreiber den Strom verkaufen und dafür eine Einspeisevergütung erhalten. Als Einspeisevergütung ist nach dem vorliegenden Regierungsentwurf der EEG-Novelle der „Jahresmarktwert Solar“ (aktuell ca. 2,5 Cent/kWh) vorgesehen, vom dem noch ein Vermarktungsentgelt in Höhe von 0,4 Cent/kWh abzuziehen wäre. 

Volleinspeisung ist uninteressant

Das ist aber nicht das, was den Anlagenbetreibern weiterhilft, denn die Einspeiseerlöse in Höhe von rund 20 Euro pro Jahr und Kilowattpeak werden bei den kleinen PV-Anlagen nicht ausreichen, um die laufenden Betriebskosten (Zähler, Versicherung, etc.) zu decken. Der eigenverbrauchte Solarstrom hingegen spart Stromkosten in Höhe von ca. 25 Cent/kWh (netto) und ist damit im Vergleich zur Einspeisung rund zehnmal so viel Wert wie eingespeister Strom. Also wollen die meisten Ü20-Betreiber den erzeugten Solarstrom gerne selbst verbrauchen und nur noch eventuell anfallende Überschüsse einspeisen. 

Aber auch hier sind Hürden zu überwinden: Im bislang geltenden EEG 2017 ist eine Überschuss-Einspeisung nicht vorgesehen, die Anlagenbetreiber müssten sich in die vergleichsweise teure „Sonstige Direktvermarktung“ einreihen, wie oben beschrieben. Im Rahmen der EEG-Novelle 2021 ist zwar geplant, neben dem „Regelfall“ Volleinspeisung, in den der Betreiber rutscht, sofern er nichts unternimmt, auch eine Überschuss-Einspeisung zuzulassen. Allerdings unter der Auflage, das für die eingespeisten Strommengen bereits für PV-Anlagen ab einem Kilowatt ein sogenanntes intelligentes Messsystem („Smart Meter“) erforderlich ist.

Hohe Kosten

Dies führt zu einmaligen Installationskosten sowie deutlich höheren jährlichen Messkosten. Es würde den eigentlichen Vorteil aus dem Eigenverbrauch wieder zunichte machen. Darüber hinaus sind die Einspeiser bisher nicht durch die Preisobergrenzen des „Smart-Meter-Rollout“ geschützt. Denn diese gelten nur für den Anwendungsfall „Strombezug“ – nicht aber für die Einspeisung. Der Anwendungsfall „Einspeisung“ ist bisher überhaupt noch gar nicht vom „Smart-Meter-Rollout“ erfasst. Für den Fall, dass man keinen „Smart Meter“ verwendet und trotzdem Strom zum Eigenverbrauch entnimmt, plant die Bundesregierung eine Strafe. In diesem Fall soll es eine Pönale in Höhe des einsparten Strompreises geben.

Was können / sollten Betreiber von Ü20-PV-Anlagen jetzt tun?

In erster Linie gilt: „Ruhe bewahren und abwarten“. Grundsätzlich stehen den Betreibern von Ü20-PV-Anlagen folgende Möglichkeiten zur Verfügung: 

(1) Kein Eigenverbrauch des eigenen Solarstroms, nur Volleinspeisung.

(2) Eigenverbrauch des eigenen Solarstroms, mit Überschuss-Einspeisung.

(3) Eigenverbrauch des eigenen Solarstroms, ohne Einspeisung („Nulleinspeisung“)

Welche der Möglichkeiten die jeweils „beste“ ist, hängt von den persönlichen Umständen ab und kann nur individuell entschieden werden. VOR einer Entscheidung sollte unbedingt die endgültige Fassung der EEG-Novelle abgewartet werden. Ob das bis zum Jahreswechsel klappt, ist offen. Wer als Betreiber auf der rechtlich sicheren Seite sein will, wird seine PV-Anlage zum Jahreswechsel vorübergehend stilllegen. Dann wird er im Januar (innerhalb eines Monats nach der Veränderung des Betriebszustands) den Netzbetreiber informieren und die Daten im Marktstammdatenregister aktualisieren. 

Etwas „risikofreudigere“ Zeitgenossen lassen ihre PV-Anlage auch ohne rechtzeitiges Inkrafttreten der EEG-Novelle einfach weiterlaufen und warten ab. Es „droht“ zwar die Stilllegung des gesamten Netzanschlusses. Aber der Autor dieser Zeilen kann sich nicht vorstellen, dass in den ersten Januarwochen die „Solarpolizei“ ausschwärmen wird, um entsprechende Sanktionen durchzusetzen. Notfalls kann gegenüber dem Netzbetreiber der Verzicht auf die Einspeisevergütung für den nach Silvester eingespeisten Solarstrom erklären. In dieser Jahreszeit dreht sich der Solarstromzähler ja ohnehin nur sehr langsam. Wichtig ist in jedem Fall die Ablesung des Zählerstands des Einspeisezählers zum 31.12.2020. Nur so lassen sich die vergütungsberechtigen Einspeisemengen aus 2020 klar von der „wilden Einspeisung“ in 2021 abgrenzen.

Weitere Informationen erhalten Sie in Christian Dürschners Online-Seminar „Ü20-Photovoltaik-Anlagen“. Die nächsten Termine sind:
Freitag, 27.11.2020, 10-12 Uhr
Freitag, 11.12.2020, 14-16 Uhr

26.11.2020 | Autor: Christian Dürschner 
© Solarserver / Solarthemen Media GmbH

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