Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz: Erzwungene Spitzenlastglättung für Millionen Verbraucher
Kurz vor Weihnachten hatte das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) seinen Referentenentwurf für das neue Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz (SteuVerG) an die Verbände geschickt. Es gab ihnen bis zum gestrigen Tag Zeit für eine Antwort. Bislang hat nur ein Verband zum Gesetz öffentlich Stellung bezogen. Und der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) kritisiert denn auch das „unmögliche Verfahren“ der Bekanntgabe des Entwurfs am 22. Dezember.
Viele Stromkunden betroffen
Das neue SteuVerG führt – sofern der Bundestag es in dieser Weise beschließt – zu massiven Änderungen für Stromkunden. Das BMWi möchte es künftig Netzbetreibern gestatten, die Versorgung von flexiblen Verbrauchern zu unterbrechen. Es nennt Wärmepumpen, Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Stromspeicher mit einer Bemessungsleistung über 3,7 kW. Alte Nachtstromspeicherheizungen will das BMWi in der Regel aber unter bestimmten Voraussetzungen von den neuen Vorgaben ausnehmen.
Verbunden damit ist andererseits auch eine Neustrukturierung der Stromentgelte. Und dies soll außerdem nicht nur für potenziell flexible Nutzer der Netze gelten. Sondern es betrifft auch alle, die mehr als 10.000 Kilowattstunden Strom verbrauchen. Sie zahlen dann für das Stromnetz entsprechend ihrer Höchstlast. Bislang liegt der Grenzwert für leistungsgemessene Kunden bei 100.000 Kilowattstunden. Künftig würde dies jeden treffen, der sich zum Beispiel gerade eine Ladestation für ein E-Mobil hat anschließen lassen.
Lasten im Netz reduzieren
Ziel des Ministeriumsvorschlages ist es, auf höhere Lasten im Stromnetz besser reagieren zu können. So will es auch den eventuellen Zeitdruck zum Ausbau der Verteilnetze reduzieren. Es folgt damit einem Gutachten zur Digitalisierung der Energiewende. Dieses hat das BET Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH bereits im August 2019 für das BMWi erstellt.
In der Folge will das BMWi mit dem „Gesetz zur zügigen und sicheren Integration steuerbarer Verbrauchseinrichtungen in die Verteilernetze und zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften“ (Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz) das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das Messstellenbetriebsgesetz und die Niederspannungsanschlussverordnung novellieren.
Für neue Verbraucher, also neu installierte Wärmepumpen, Ladestationen oder Speicher, soll das Gesetz sofort nach Inkrafttreten gelten. Für Bestandsanlagen ist demnach eine fünfjährige Übergangszeit vorgesehen. Auch private Haushalte müssen sich somit künftig überlegen, welche maximale Stromlast sie für ihren Anschluss bestellen wollen. „Die Netzentgelte richten sich nach der Bestellleistung, dem Jahresverbrauch, der Steuerbarkeit des Verbrauchs sowie der jeweiligen Benutzungsstundenzahl der Marktlokation“, heißt es dann bald in der Stromnetzentgeltverordnung. Bis zu 11 Kilowatt bedingter Leistung ist eine Freigrenze vorgesehen. Und generell unterscheidet das Gesetz zwischen bedingter und unbedingter Leistung. Bei letzterer gibt es keine Einflussmöglichkeiten. Bedingte Lasten sollen grundsätzlich steuerbar sein. Hier kann der Netzbetreiber bis zu zwei Stunden täglich die Leistung kappen. Im Entwurf für die Änderung des § 14a im EnWG ist dabei von Spitzenglättung die Rede.
Bedingte und unbedingte Leistung
Verbraucher, die der Unterscheidung zwischen bedingter und unbedingter Leistung folgen, sollen für den bedingten Teil einen Preisnachlass beim Leistungspreis erhalten. Wollen sie weiterhin keine Spitzenlastglättung, so steigen ihr Netzentgelt. Der Gesetzentwurf richtet sich ausschließlich an einer möglichen Überlastung der Netze durch Stromverbraucher aus. Er adressiert nicht eine möglicherweise erhöhte Last im Netz, die durch die Zuschaltung von Lasten ausgeglichen werden könnte. Das wäre etwa dann möglich, wenn Haushalte in den Batterien von Elektrofahrzeugen, in Solarspeichern oder auch über Wärmepumpen in Verbindung mit Wärmespeichern Reserven zur Lastaufnahme freihalten würden.
Bereits Ende August vergangenen Jahres hatte eine ungewöhnliche Verbände-Kooperation die ersten auf der BET-Studie fußenden Überlegungen für das Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz in Frage gestellt. Das waren der der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der Verband der Automobilindustrie (VDA) und der Bundesverband Wärmepumpe (BWP). In einem gemeinsamen offenen Brief setzten sie dem Modell der Spitzenlastglättung das Modell zeitvariabler Netzentgelte entgegen. Damit wollen sie die Digitalisierung der Netze voranzutreiben und Netzbetreiber zur zügigen Flexibilisierung motivieren.
Hindernis für Verkehrs- und Wärmewende
Denn: „Eine ausschließliche Fokussierung auf die sogenannte Spitzenglättung in Verbindung mit einer zusätzlichen Bepreisung uneingeschränkter Leistung kann zu deutlichen Preissteigerungen führen“, erklärte dazu VDA-Präsidentin Hildegard Müller. „Wenn Besitzer von Elektroautos eine gesicherte Leistung nur zu besonders hohen Tarifen erhalten, kann das den Hochlauf der Elektromobilität und damit das Ziel einer CO2-freien Mobilität gefährden.“ Ähnlich befürchtet dies BWP-Vorstand Paul Waning, der in der alleinigen Spitzenlastglättung ein Hindernis beim Wechsel von fossil befeuerten Heizungen auf Wärmepumpen sieht. Ihre Position untermauerten die Verbände mit einer vom vzbv bei der Consentec GmbH in Auftrag gegebenen Studie zur Netzentgeltreform. Die Studie hatte das Bundesjustizministerium finanziell unterstützt.
Der bne sieht ähnliche Schwachpunkte im Entwurf des BMWi zum Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz. bne-Geschäftsführer Robert Busch erklärt: „Der Gesetzentwurf ist völlig ungeeignet, die in seiner eigenen Begründung angeführten Ziele zu erreichen. Diese sind eine stärkere Ausrichtung der Nachfrage an das volatile Dargebot der erneuerbaren Energien, den marktorientierten Einsatz von Flexibilität zu ermöglichen, zu fördern und den Netzausbau auf ein volkswirtschaftlich effizientes Maß zu begrenzen ohne unnötig Beeinträchtigungen der Verbraucher einzuführen“.
16.1.2021 | Autor: Andreas Witt
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