Marita Klempnow: BEG schafft Bürokratie nicht ab

Portraitfoto von Marita KlempnowFoto: Kerstin Jana Kater/DEN e.V.
Marita Klempnow ist Vorstand des DEN e.V. Die Beratende Ingenieurin ist spezialisiert auf Energieberatung im Bestand und Prüfsachverständige für energetische Gebäudeplanung. Mit dem DEN setzt sie sich unter anderem für die Weiterentwicklung von Förderprogrammen und ein Berufsbild für Energieberatung ein. Im Solarthemen-Interview spricht Klempnow über Erfahrungen mit der BEG.
Solarthemen: Vier Jahre nachdem das Wirtschaftsministerium seine Förderstrategie vorgelegt hat, startet jetzt die BEG. Hat sich das Warten gelohnt?

Marita Klempnow: Froh sind wir über die Integration der erneuerbaren Energien in die Gebäudeklassen. Damit werden sie in der BEG stärker systemisch erfasst. Den Ansatz halten wir für zukunftstauglich. Wir freuen uns auch darüber, dass man jetzt für die Sanierung die Effizienzhausstufe 40 eingeführt hat – denn wir bauen ja teilweise schon so. Kritisch sehen wir allerdings, dass das Effizienzhaus 115 in der Sanierung abgeschafft wird. Klar ist 115 vom Anforderungsniveau her nicht toll. Das 115-er ist aber regelmäßig ein Einstieg in die Sanierung gewesen, gerade beim klassischen Mietwohnungsbestand. Dort macht es aktuell ein Drittel der Sanierungen aus. Es trifft eher einkommensarme Mietergruppen, wenn dort keine Fördermittel eingesetzt werden. Die Kosten müssen dann über die kommunalen Haushalte kompensiert werden. Das ist nicht nachhaltig.

Ist denn der Förderdschungel lichter?

Das Ziel wäre gewesen, einen einzigen Antrag zu kreieren, in dem alles gebündelt werden sollte, was an Förderungen für ein Gebäude beantragt werden kann. One-Stop-Shop hieß das Zauberwort. Man hat aber ausschließlich die Programme für energieeffiziente Gebäude adressiert. Das kann nur der erste Schritt sein.

Kann die BEG den Markt stärker durchdringen – dank weniger Bürokratie?

Da habe ich starke Zweifel. Entbürokratisierung sehe ich in der Praxis überhaupt nicht – im Gegenteil. Ich würde niemandem im Bundeswirtschaftsministerium den Willen absprechen zu entbürokratisieren. Aber die Randbedingungen für die Umstellung zur BEG konnten schwieriger nicht sein. Wir haben allein schon dadurch ein wesentlich trägeres Verfahren, dass jetzt technische Mindestanforderungen, die früher einfach in KfW-Merkblätter geschrieben wurden, als Richtlinie im Bundesanzeiger veröffentlicht werden. Aktuell gibt es da erhebliche Geburtsschmerzen.

Das heißt konkret?

Wir hatten bislang eine dreiteilige Ausrichtung der Gebäudeförderung nach Privatleuten, Gewerbe und Kommunen. So sind bei der KfW die Ansprechpartner organisiert und auch die Energieberater haben sich in diesen Richtungen spezialisiert. Das wurde jetzt komplett umgestellt: Jetzt gibt es Wohngebäude, Nichtwohngebäude und Einzelmaßnahmen. Die Richtlinie für Einzelmaßnahmen der BEG adressiert nun sowohl Anlagentechnik für große Nichtwohngebäude, wie Krankenhäuser, als auch den Austausch eines Fensters bei Lieschen Müller. Die Anforderungen sind gleich und die Dokumentationspflichten sind dieselben. Es braucht zum Beispiel einen Auszug aus dem Bebauungsplan für den Fensteraustausch. Das ist völlig praxisfern. Damit ist Lieschen Müller komplett überfordert. Man kann das so machen, aber es führt natürlich zu vielen Nachfragen und erheblichem Abstimmungsbedarf. Das sieht man an den langen FAQ-Listen zur BEG. Und jede Auslegung muss jetzt im BMWi abgestimmt werden. Gut immerhin, dass das auch geschieht. Ich versuche das aktuell mit Humor zu sehen, sonst würde ich daran verzweifeln.

Wo hakt es im Moment besonders?

Beim Thema Sanierungsfahrplan ist die Richtlinie nicht klar und eindeutig formuliert. Darum haben wir uns an das BMWi gewendet. Aber die Abstimmungsprozeduren sind extrem träge. Auch die neuen Regelungen zum Vorhabensbeginn sind nicht praxisgerecht. Das können wir natürlich nicht vermitteln. Wir Energieberater sind ja zurzeit die einzigen Ansprechpartner, weil die Hotline bei BAFA und KfW für Endkunden nicht erreichbar ist. Die ist einfach dicht, weil es so viel Erklärungsbedarf gibt und beim BAFA nicht genug Ressourcen vorhanden sind. Wenn das BMWi eine Aufgabe vergibt, dann muss derjenige auch die Mittel zur Umsetzung bekommen – Personalausstattung et cetera. Die Mitarbeiter des BAFA und der KFW trifft da überhaupt kein Vorwurf. Im Gegenteil: Der Aufbau einer komplett neuen Geschäftsstelle des BAFA zeitgleich mit einer solchen Programmumstellung, das ist eine extreme Herausforderung.

Wo liegt das Problem beim iSFP?

Es gibt noch keine verbindliche Aussage vom Ministerium dazu, ob nur der 2017 eingeführte standardisierte Sanierungsfahrplan für die Förderung akzeptiert wird oder auch klassische Sanierungsfahrpläne, die zum Beispiel im Rahmen einer Vor-Ort-Energieberatung erstellt wurden. Es gibt lediglich eine Antwort des Ministeriums, wonach bereits vorhandene Sanierungsfahrpläne übergangsweise im Rahmen der BEG akzeptiert werden sollen. Aber wir wissen nicht, ob die auch zukünftig akzeptiert werden. Im standardisierten Plan lässt sich aber zum Beispiel kein Variantenvergleich darstellen, der eine wichtige Anforderung der Bauherren ist.

Wir können mit dem klassischen Instrument individueller reagieren. Grundsätzlich ist es prima, dass es jetzt einen Bonus gibt, wenn jemand vorher eine ordentliche Beratung gemacht hat. Mit dem iSFP-Bonus steigt die Chance, dass die Maßnahmen tatsächlich bis zum Ende umgesetzt werden und auch schneller, als es ohne Bonus der Fall wäre.

Wütend machen mich aber einige Marketingfuzzis aus der Industrie, die jetzt allen Ernstes versuchen, schnell noch Sanierungsfahrpläne zu erstellen, obwohl eine Maßnahme bereits umgesetzt werden soll – nur um noch Mitnahmeeffekte zu generieren. Ich habe auch kein Verständnis für Energieberater, die da mitmachen.

Sie haben eben Lieschen Müllers Probleme mit der Bürokratie angesprochen. Aber Sie, die Gebäudeenergieberater, sind doch als professionelle Begleiter an Frau Müllers Seite.

Immerhin ist ein großer Fortschritt, dass man die professionelle Begleitung jetzt auch bei der Heizung fördert. Das Signal ist sehr wichtig. Aber es kann ja nicht unsere Aufgabe als technische Sachverständige sein, die Förderanträge für unsere Kunden auszufüllen. Wir beraten gern zu Fördermitteln. Aber wieviel Kredit ein Kunde aufnimmt und zu welchen Konditionen, das ist mir als Planerin egal. Das Zuschussportal der KFW hat Standards gesetzt. Die sollten weiterentwickelt werden. Ausgerechnet das antragsstarke CO2-Gebäudeprogramm mit einem neuen Verfahren und einer neuen Geschäftsstelle des BAFA zu verbinden, haben wir als DEN von Beginn an kritisch betrachtet. Wobei wir das Signal sehr begrüßen, den Strukturwandel in der Lausitz als Arbeitgeber zu unterstützen.

Angekündigt ist der gemeinsame „One Stop Shop“ von KfW und BAFA.

Da bin ich mal gespannt, wann der kommt und ob ich das in meinem Berufsleben noch erlebe. Im Augenblick sehe ich das noch nicht. Allerdings gab es Zuschüsse ja bislang hauptsächlich für Privatleute. Jetzt gibt es in der BEG Zuschüsse für alle. Das ist attraktiv, muss man aber anders prüfen. Die Betrugsfälle bei den Coronahilfen zeigen ja, dass es da noch Optimierungsbedarf gibt.

Fördern ist das eine. Die beiden anderen Elemente des vielzitierten Dreiklangs sind fordern und informieren. Besteht da heute ein Gleichgewicht?

Überhaupt nicht. Wir finden natürlich nicht gut, dass das Gebäudeenergiegesetz fast keine energetischen Verbesserungen gegenüber EnEV und EE-Wärmegesetz gebracht hat. Mit den heutigen Instrumenten erreichen wir den CO2-neutralen Gebäudebestand nicht. Zusätzlich problematisch ist die Innovationsklausel im GEG, die Quartierslösungen erlaubt. Allerdings erreichen wir ungefähr 20 Prozent weniger CO2-Einsparung, wenn Gebäude im Quartier nach dieser Innovationsklausel saniert werden. Wir haben als DEN einen 5-Punkte-Plan für ein GEG vorgelegt, der klar die Klimaziele in den Fokus nimmt, aber Entscheidungsfreiheit und Technologieoffenheit für Bauherren und Planer ermöglicht.

Beim Ordnungsrecht liegt vor allem auch der Vollzug im Argen. Grundsätzlich ist es daher ein sinnvoller Ansatz, den bundesweit nicht vorhandenen Vollzug mittels einer attraktiven Förderung durch die Hintertür zu erreichen. Die KfW-Förderung, die etwa die Hälfte des Neubaus abdeckt, ist im Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser die einzige ordentliche Vollzugskontrolle, was die energetische Performance der Gebäude betrifft.
Beim Informieren, bei der Energieberatung, sind wir auf einem gutem Weg mit Zulassungsprüfungen und der bundesweiten Effizienz-Expertenliste. Perspektivisch brauchen wir ein Berufsbild der Energieberatung.

Was halten Sie von niederschwelligen Beratungsangeboten, von Handwerkern oder der Verbraucherzentrale?

Das ist nicht unser Feld. Gerade mit der stark geförderten Beratung der Verbraucherzentrale wird aber teilweise aggressiv in den Markt der beratenden Architekten und Ingenieure eingegriffen. Diese Schieflage finden wir nicht gut. Auch im Kontext des GEG ist die teilweise kostenlose Beratung problematisch. Es kann nicht sein, dass jemand einen Energieausweis bei einer Architektin beauftragt und anschließend mit der Verbraucherzentrale reden muss.

Finden sie die niederschwelligen Angebote insgesamt nicht zielführend?

Um sich erstmal einen Überblick zu verschaffen, können solche Angebote sinnvoll sein. Wenn aber jemand am Gebäude eine Investition tätigen will, dann muss er jemanden beauftragen, der berät und dafür auch haftet. Beratung ist wertvoll. Niemand käme auf die Idee einen Steuerberater mit einer komplexen Aufgabe zu betrauen und zu erwarten, dass das kostenfrei ist.

19.3.2021 | interview: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

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