Fit for 55 – Gesetze für den European Green Deal

Frans Timmermans, EU-Vizepräsident, in der Pressekonferenz zum Maßnahmenpaket Fit for 55Foto: EU-Kommission
EU-Vizepräsident Frans Timmermans in einer Pressekonferenz am 14. Juli 2021 zum Maßnahmenpaket "Fit for 55"
Die EU-Kommission hat heute ein neues Paket von Energie- und Klimaschutzgesetzen vorgelegt. Unter dem Titel "Fit for 55" enthält es die Maßnahmen, mit denen die Kommission die neuen Klimaschutzziele der EU - im besonderen die 55-prozentige Treibhausgasminderung bis 2030 – erreichen will.

Unter anderem will Brüssel dafür den Emissionshandel reformieren und das aktuelle Ziel für den Anteil erneuerbarer Energien von bislang 32 Prozent auf 40 Prozent im Jahr 2030 anheben. Insgesamt stößt die Kommission unter dem Leitmotiv „Fit for 55“ 13 Gesetzgebungsverfahren an. Die sind nun im Europäischen Parlament und mit den Regierungen der Mitgliedsländer abzustimmen. Für das höhere Erneuerbare-Energien-Ziel von 40 Prozent wird die Erneuerbare Energien Richtlinie (RED II) aus dem Jahr 2018 novelliert.

CO2-Handel für Gebäude und Verkehr

Eine große Frage war, wie die EU-Kommission künftig die Zügel im Gebäude- und Verkehrssektor straffen will. Dies soll über strengere Ziele innerhalb der bestehenden Lastenteilungsverordnung geschehen. Dieses Rechtsinstrument führt zu Strafzahlungen, sofern ein Mitgliedsland die Ziele in den Bereichen Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und bei den kleinen Unternehmen nicht erreicht.

Zusätzlich zum etablierten ETS-Zertifikatshandel für Großunternehmen und Kraftwerke soll es künftig speziell für die Bereiche Gebäude und Verkehr ein paralleles europäisches Handelssystem für Emissionszertifikate geben. Der bisherige nationale CO2-Preis in Deutschland würde in dem europäischen CO2-Handel voraussichtlich aufgehen.

Klima-Sozialfonds

Um soziale Härten zu vermeiden, setzt die EU-Kommission auf einen Sozialfonds. Mindestens 25 Prozent der europäischen Einnahmen aus dem neuen Zertifikatehandel für Brenn- und Treibstoffe sollen aus dem EU-Haushalt in diesen Fonds fließen. Nach den Vorstellungen der Kommission sollen Mitgliedsstaaten zusätzlich die gleiche Menge zu Verfügung stellen, um der sogenannte Energiearmut („Energy Poverty“) vorzubeugen. Kalkuliert wird somit mit einer Summe von 144,4 Milliarden Euro in der mittelfristigen Finanzplanung der EU für die Jahre 2025 bis 2032.

Weniger ETS-Zertfikate

Auch das klassische ETS-Handelssystem, das aktuell etwa 40 Prozent der CO2-Emissionen abdeckt und rund 10.000 Kraftwerke und Fabriken der verarbeitenden Industrie sowie innereuropäische Flüge betrifft, will die EU-Kommission reformieren. Wesentliches Mittel ist dabei die Verknappung der Zertifikate. Während die Menge der verfügbaren Verschmutzungsrechte bislang auf eine Emissionsminderung von 40 Prozent bis 2030 zugeschnitten war, will die EU-Kommission sie jetzt auf das neue 55-Prozent-Ziel schrittweise nachjustieren.

CO2-Grenzausgleichssystem

Lange Diskussionen gab es im Vorfeld um die Mittel, mit denen die EU dem sogenannten Carbon Leakage entgegen treten will, also der Verlagerung energieintensiver Produktion in Nicht-EU-Staaten mit fehlendem CO2-Preis und somit geringeren Energiekosten. Eine CO2-Grenzabgabe ist dafür geplant, mit der die Kommission die europäische Industrie vor unfairem Wettbewerb mit Ländern ohne CO2-Kosten bewahren will. Das Europäische Parlament hat bereits dafür plädiert, eine solche Grenzabgabe spätestens 2023 einzuführen.

Damit diese mit den Regeln der Welthandelsorganisiation (WTO) übereinstimmt, müssten allerdings die bislang an große Stromerzeuger und die energieintensive Grundstoffindustrie kostenlos ausgegebenen Zertifikate eingezogen werden. Denn eine Doppelförderung über solche Freibriefe einerseits und die Grenzabgabe andererseits wäre nicht WTO-kompatibel. Unabhängig davon ist die geplante CO2-Grenzabgabe allerdings schon jetzt ein Knackpunkt in den Wirtschaftsbeziehungen zu den großen Handelsnationen USA und China sowie etlichen Schwellenländern.

CO2-Zertifikate für Schiffe.

Neu ist auch, dass nach den Fluggesellschaften die EU künftig auch Reedereien verpflichten will, CO2-Zertifikate für ihren Schiffsverkehr zu erwerben. „Ein einziges Containerschiff emittiert so viel CO2 wie 80.000 Autos“, begründete Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen diesen Schritt auf der heutigen Pressekonferenz.

Offenbar will die Kommission aber, anders als für den Flugverkehr, keine zunehmenden Regenerativanteile für den Schiffskraftstoff fordern. Vielmehr will sie eine Obergrenze für den CO2-Ausstoß von Schiffen festlegen, die europäische Häfen anlaufen. Zusammen mit dem Zertifikatehandel könnte dies einen Trend zum zwar „relativ“ CO2-armen, gleichwohl fossilen Flüssig-Erdgas (LNG) als Schiffstreibstoff befördern.

Fit for 55 – knackiger Name für tausende Seiten Legislative

Zu Details des – viele tausend Seiten starken – neuen Gesetzespaketes und deren möglichen Auswirkungen auf die nationale Gesetzgebung in Deutschland werden die Solarthemen in den kommenden Tagen und Wochen berichten.

14.7.2021 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

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