Markt für Photovoltaik-Dachanlagen könnte 2022 einbrechen

Photovoltaik-Anlange auf einem Flachdach. Rheinland-Pfalz führt eine Solarpflicht für Gewerbe-Neubauten ein.Foto: rh2010 -stock.adobe.com
Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) und der Bundesverband für mittelständische Wirtschaft (BVMW) kritisieren die schlechter gewordenen Bedingungen für Photovoltaik-Anlagen auf Dächern von Gewerbebetrieben.

Die beiden Unternehmensverbände registrieren einen deutlichen Investitionsrückgang bei mittelgroßen Photovoltaik-Dachanlagen, wie sie hauptsächlich auf Gewerbedächern vorkommen. In einer heute veröffentlichten Studie machten Marktforscher von EUPD Research eine kontinuierliche Verschlechterung der Investitionsbedingungen als wesentliche Ursache dafür aus. Im Jahr 2022 könnte ein ähnlicher Einbruch aufgrund von Konstruktionsfehlern in der Förderung auch bei privaten Photovoltaik-Anlagen folgen, warnen sie.

Nach den Berechnungen von EUPD Research ging die neu installierte Photovoltaik-Leistung auf Gewerbedächern in den ersten neun Monaten dieses Jahres gegenüber dem Vorjahr bereits um 18 Prozent zurück. Diese Zahl bezieht sich auf die Leistungsklasse 30 bis 750 Kilowattpeak.

Die Marktprämien für neue Solarstromanlagen sind seit Anfang 2020 um 29 Prozent gefallen. Sie sinken monatlich weiter, während die Preise für Solarstromanlagen in diesem Zeitraum gestiegen sind. Die Installation neuer Solardächer werde damit wirtschaftlich immer unattraktiver. Wenn sich an der Förderung für Photovoltaik nichts ändere, werde sich der Trend 2022 fortsetzen, fürchten Expert:innen. „Es ist überfällig, den Anspruch des Gesetzgebers wieder einzulösen und die Fördersätze mit der Technologie- und Systempreisentwicklung sowie den verschärften Klimaschutzzielen politisch in Einklang zu bringen“, sagt Martin Ammon, Geschäftsführer und Studienleiter bei EUPD Research. Ohne rechtzeitige politische Gegenmaßnahmen werde die Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen auf Dächern im kommenden Jahr um ein Drittel einbrechen, prognostiziert er.

Photovoltaik-Zubau im Widerspruch zu Zielen der Ampel-Koalition

Diese Entwicklungen stünden im direkten Widerspruch zu dem, was die Ampel-Parteien im Sondierungspapier für die Koalitionsverhandlungen beschlossen haben. Darin heißt es, es sollten „alle geeigneten Dachflächen für Solarenergie genutzt“ und der Ausbau Erneuerbarer Energien „drastisch beschleunigt“ werden. Die Verbände der Solarwirtschaft und des Mittelstands fordern daher die künftige Bundesregierung schon jetzt auf, bei Amtsantritt sofort für gute Investitionsbedingungen und kostendeckende Marktprämien zu sorgen.

„Immer mehr Unternehmer wollen in Solartechnik investieren und ihren künftigen Energiebedarf aus Erneuerbaren Energien sichern. Dabei treffen sie aber auf immer mehr Marktbarrieren und Bürokratie“, beklagt der Chefvolkswirt des BVMW Hans-Jürgen Völz. Auch an den Finanzierungsangeboten fehlt es derzeit nicht. So legte zum Beispiel die GLS-Bank gerade ein spezielles Kreditprogramm für genau dieses Anlagensegment auf.

Photovoltaik-Förderung 2022: „Atmender Deckel“ passt nicht mehr

Der BSW fordert die Verhandlungsteams von SPD, Grünen und FDP auf, die jährlichen Ausbauziele für die Solartechnik stufenweise auf 20 Gigawatt zu vervierfachen. Auch das Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) brauche eine sofortige Reform, vor allem in Bezug auf den „atmenden Deckel“ in den Paragrafen 48 und 49.

Das zugrunde liegende Zubau-Ziel für die Photovoltaik sei seit zehn Jahren kaum angepasst worden. Es sei viel zu gering, um die Klimaziele zu erreichen und um eine Stromlücke zu vermeiden. So bestimme ein „dringend reparaturbedürftiger Algorithmus“ die Höhe der Förderung für Strom aus neuen Photovoltaik-Anlagen. Diese falle nun systematisch zu niedrig aus. Entsprechend gering sei das Interesse an neuen Solaranlagen.

Die beiden Verbände schlagen vor, aus dem „atmenden Deckel“ einen „Solar-Booster“ zu machen. Das solle im Rahmen eines Solarbeschleunigungsgesetzes innerhalb von 100 Tagen nach Regierungsantritt geschehen. Der neue Rahmen für den Solarausbau müsse so ausfallen, dass man damit die jüngst verschärften Klimaziele erreichen könne.

Auch das Umweltbundesamt (UBA) gibt dieser Forderung Rückendeckung. Mitte Oktober hatte es gefordert, das Ziel des Degressionsmechanismus im EEG neu zu definieren. Es gehe nicht mehr darum, den Zubau zu begrenzen, sondern ihn zu beschleunigen. Daher müsse aus dem atmenden Deckel eine „atmende Hebebühne“ werden. Grundlage für die Forderung war eine vom UBA beauftragte Studie des Öko-Instituts zur Wirtschaftlichkeit von Photovoltaik-Dachanlagen.

Solarpflicht kein Ersatz für EEG-Reform

Die Ampel-Koalition plane dagegen eine Solarpflicht. Diese sei jedoch kein Ersatz für die überfällige Reform. Sie habe zu wenig Impulswirkung auf den Markt und könne daher bestenfalls flankierend wirken, erklären die Verbände.

„Wer den Klimaschutz ernst nimmt und eine Laufzeitverlängerung von Atom- und Kohlemeilern durch die europäische Hintertür verhindern will, muss den Ausbau der Solar- und Speichertechnologien jetzt massiv beschleunigen, ihre Finanzierung absichern und alle Bremsen lösen“, sagt BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig.

Neben der Neugestaltung des Degressionsmechanismus gehören für BSW und BVMW auch eine höhere Ausschreibungsgrenze für PV-Aufdachanlagen, die Ausweitung des abgabenfreien Eigenverbrauchs von Solarstrom, die Abschaffung der Personenidentität beim Verbrauch dieses Stroms vor Ort, der Abbau bürokratischer Barrieren sowie die Etablierung langfristiger Planungssicherheit für Solaranlagenbetreiber.

Der Koalitionsvertrag, der Ende November von den Ampelparteien vorgestellt wurde, addressiert die kritisierten Punkte durchaus. Es ist dort vom „Abbau aller Hemmnisse“ die Rede. Konkreter nennt das Papier die meisten dafür benötigten Maßnahmen allerdings nicht. Ein Klimaschutz-Sofortprogramm soll im Laufe des Jahres 2022 die nötigen Gesetze und Verordnungen auf den Weg bringen. Eine Anpassung der Vergütungssätze kündgt der Koalitionsvertrag immerhin konkret an.

04.11.2021, aktualisiert 30.11.2021 | Quelle: BSW | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

Beliebte Artikel

Schließen