Expertenteam plant Bürger-Solarfabrik

Fabrik für Silizium-Ingots. Mitarbeiter schieben in Reinraum-Montur einen Wagen mit Einkristallen. Im Hintergrund: eine Reihe von Siemens-Öfen.Foto: RCT Solutions
Auch Silizium-Ingots, wie hier in einer von RCT Solutions beratenen türkischen Solarfertigung, sollen in der vollintegrierten Bürger-Solarfabrik gezüchtet werden.
Gemeinsam mit einem Team engagierter Experten will Gerhard Kreutz, Gründer der Energie-Initiative Kirchberg, eine „Bürger-Solarfabrik“ bauen. Sie soll sowohl ökologisch als auch sozial nach den höchsten Standards arbeiten. Gegenüber den Solarthemen haben sich die Protagonisten zu den Hintergründen geäußert.

Bürger-Solarparks gibt es viele. „Es ist an der Zeit, eine größere Nummer aufzubauen“, sagt Gerhardt Kreutz. Er will eine integrierte Solarfertigung auf die Beine stellen, die keine ethischen oder ökologischen Wünsche offen lässt: Gebaut ohne Umweltzerstörung, betrieben mit erneuerbaren Energien, gestaltet wie eine Parkanlage, finanziert in einem Beteiligungsmodell und betrieben von Menschen, die Freude an der Arbeit haben. Die Bürger-Solarfabrik soll eine Produktionskapazität von fünf Gigawatt pro Jahr haben, um mit den großen Herstellern in China mithalten zu können.

Beteiligung an der Bürger-Solarfabrik

In welcher Form die Beteiligung geschehen soll, stehe noch nicht fest, sagt Kreutz. Eine Genossenschaft liege nahe, aber auch eine Aktiengesellschaft sei möglich. Viele Organisationen hätten sich bereits positiv geäußert, unter anderem die europäische Dachorganisation der Bürger-Energie-Genossenschaften REScoop und das Bündnis Bürgerenergie. Viele Energiegenossenschaften hätten zwar Mittel, um zu investieren, aber zu wenige eigene Projekte. Daher könnte eine Solarfabrik die Investitionsoptionen erweitern. Privatleute sollen ebenfalls einsteigen können. „Das Geld geht dorthin, wo die Sehnsucht entfacht wird“, sagt Kreutz.

Damit die Sehnsucht nicht die Endstation wird, hat Kreutz ein erfahrenes Projektteam an Bord. Dazu gehören Paul Grunow, Rudolf Harney, Peter Fath und Hans-Josef Fell. Projektleiter Grunow war Mitgründer und bis 2016 Inhaber der Q-Cells, gründete das Photovoltaik-Institut Berlin und war am Aufbau von Solon beteiligt. Harney ist für „Industriekooperationen“ zuständig. Er ist Vorstandsmitglied des International Solar Energy Research Center Konstanz e. V. (ISC Konstanz). Fath, CEO von RCT Solutions, ist als Industriepartner aufgeführt. Das Unternehmen bietet Projektentwicklung für den Aufbau von Photovoltaik-Fertigungen als Dienstleistung an und hat gerade eine Fabrik in Ankara mit 2,2 GW auf die Beine gestellt. Energiepolitiker Fell ist Sprecher der Initiative.

Wettbewerb um Mitarbeiter:innen

Fath formuliert die Ziele der Fabrik pragmatischer als Kreutz. „Social Compliance und Nachhaltigkeit sind heute Merkmale, die Kunden von Produktionsstätten in Europa fordern“, sagt er. Er rechnet auch damit, dass die EU bald höhere Ansprüche an Kriterien wie den CO2-Fußabdruck stellen wird. „Wir wollen dabei ein Zeichen setzen und noch ein Stück darüber hinausgehen“, sagt er.

Dass sich Menschen bei der Arbeit wohlfühlen, gehört für ihn ebenfalls zum Pflichtprogramm. „Es gibt einen großen Wettbewerb um hochqualifizierte Mitarbeiter. Gerade die junge Generation schaut sehr genau hin“, erklärt er.

Durch eine integrierte Produktion vom Ingot bis zum Modul soll die Solarfabrik Transportwege minimieren und die gesamte Wertschöpfungskette nachhaltig gestalten. Die Produktion soll am Cradle-to-Cradle-Prinzip ausgerichtet sein. Alle Produkte sollen so entwickelt werden, dass sich die Bestandteile nach dem Lebensende wieder in technische oder natürliche Lebensläufe einbringen lassen.

Kosten einer Bürger-Solarfabrik

Erste Kostenmodelle seien erstellt, berichtet Fath. Auf grob eine Milliarde Euro Investitionsvolumen veranschlagt er das Projekt. Davon abzuziehen wären erhoffte Fördermittel. Da der Druck auf die Politik hoch ist, eine europäische Solarförderung auf die Beine zu stellen, dürfte diese einen nennenswerten Beitrag leisten.

Nach bisherigen Plänen wären die Module etwas teurer als die der Konkurrenz aus China. Eine Machbarkeitsstudie soll genauer untersuchen, wie die Produktion noch günstiger werden kann, zum Beispiel mit einem höheren Automatisierungsgrad oder durch Optimierungen in der Lieferkette. Parallel untersucht das Projektteam mögliche Standorte. Da der Bau möglichst umweltfreundlich erfolgen soll, liegt eine „Brown Field“ Entwicklung nahe, also die Nutzung einer bestehenden Industriefläche, zum Beispiel in einer Kohleregion. Es gebe bereits reges Interesse aus mehreren Regionen.

Die Standort-Entscheidung soll innerhalb der nächsten sechs Monate fallen. Auch die Finanzierung soll dann stehen. Wenn der Traum dem Realitätscheck der Machbarkeitsstudie standhält und genügend Menschen einsteigen, könnte der Spatenstich 2024 erfolgen. Dann könnte die Bürger-Solarfabrik bis 2025 Wirklichkeit werden.

8.3.2023 | Autorin: Eva Augsten
© Solarthemen Media GmbH

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