Granulare Herkunftsnachweise: Ökostrom im Stundentakt

Eierkarton mit drei Eiern und Zahlenstempel - Symbol für Ökostrom HerkunftsnachweisFoto: industrieblick /stock.adobe.com
Was der Zahlencode für Eier ist, ist der Herkunftsnachweis für den Ökostrom.
Herkunftsnachweise stellen sicher, dass nur so viel Ökostrom verkauft wird, wie auch erzeugt wurde. Doch bisher geben sie keine Auskunft über Zeit und Ort der Produktion. Das soll sich ändern.

Sogenannte Granulare Herkunftsnachweise sollen auf die Stunde genau angeben, wann der Ökostrom produziert wurde. Auch die konkrete Erzeugungsanlage soll aus den Nachweisen ersichtlich sein. Das Ökostromunternehmen Lichtblick, der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz und das Startup Granular Energy erproben das neue Konzept nun in einem Pilotprojekt.

Mehrere Unternehmenskunden von Lichtblick können in dem Pilotprojekt online nachvollziehen, zu welcher Stunde sie Ökostrom aus bestimmten Erneuerbaren Erzeugungsanlagen beziehen. Das erfolgt über eine Plattform, die Granular Energy aufgebaut hat. Die dabei erzeugten granularen Zertifikate können im Energy-Track-and-Trace-Register von 50Hertz erworben und verwaltet werden.

Auf dem Weg zur Klimaneutralität ist die marktbasierte Integration von immer mehr Strom aus Erneuerbaren Energien ein entscheidender Baustein. Detailliertere Herkunftsnachweise für Ökostrom sollen dazu einen Beitrag leisten, indem sie über Preissignale die effiziente und systemdienliche Nutzung von Speichern oder flexiblen Verbrauchern wie Wärmepumpen oder Elektrofahrzeugen anreizen. Die „Marktoffensive Erneuerbare Energien“ begleitet daher das Projekt. Die Denkfabrik, hinter der unter anderem die Deutsche Energie-Agentur (dena) und die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) stehen, will nachfragegetriebene Geschäftsmodelle für die Energiewende stärken. Das Pilotprojekt soll Erkenntnisse dazu liefern, ob Granulare Herkunftsnachweise nützlich sind, um Ökostrom gezielter zu vermarkten.

Herkunftsnachweise: die Geburtsurkunde für Ökostrom

Gesetzlich muss Ökostrom für die Vermarktung in Deutschland seit 2013 einen sogenannten Herkunftsnachweis (HKN) besitzen. Dieser bescheinigt, wann und wo Ökostrom produziert wurde. Den HKN müssen die Stromanbieter zusätzlich zum physikalischen Strom einkaufen. Das kann beim gleichen Anbieter geschehen, oder auch separat. Lediglich in der Jahresbilanz muss die Menge der Herkunftsnachweise dem verkauften Strom entsprechen. Die Kontrolle erfolgt über das Herkunftsnachweisregister des Umweltbundesamtes (UBA). Dieses stellt auch sicher, dass der Ökostrom nicht doppelt vermarktet wird.  

In einem Energiesystem, das zu immer größeren Teilen auf erneuerbare Energien setzt, sind Ort und Zeit der Erzeugung allerdings immer wichtiger. Nur wenn diese Profile zusammenpassen, können die erneuerbaren Energien wirklich einen Bedarf decken. „Hier kann und muss das System verbessert werden. Wir demonstrieren mit unserem Projekt, dass ein stundengenauer Abgleich von Erzeugung und Verbrauch möglich ist“, sagt Enno Wolf, Chief Operating Officer (COO) von Lichtblick.

Netzbetreiber haben Energy-Track-and-Trace-Register selbst entwickelt

Die Granularen Herkunftsnachweise auf Stundenbasis werden bisher nicht beim Umweltbundesamt gezählt. Stattdessen hat hat 50Hertz gemeinsam mit Elia Belgien, dem dänischen Netzbetreiber energinet und dem estnischen Netzbetreiber Elering ein System mit dem Namen Energy-Track-and-Trace-Register entwickelt. Auch das niederländische Zertifizierungsunternehmen VertiCer ist mit im Boot. Mit diesem System lassen sich die Stundenzertifikate handeln und verwalten.

Für die Netzbetreiber ist die hohe zeitliche Auflösung wichtig. 50Hertz hat im Jahresschnitt schon jetzt einen Anteil von 65 Prozent erneuerbaren Energien – doch die Menge schwankt stark. Um 100 Prozent oder sogar mehr zu erreichen, brauche es daher marktbasierte Instrumente, die es den Kunden ermöglichen, auf die Situation zu reagieren. „Denn eine große Herausforderung wird sein, den grünen Strom in Zeiten hoher Einspeisung ins System zu integrieren und auch optimal nutzen zu können“, sagt Dirk Biermann, Geschäftsführer Märkte und Systembetrieb von 50Hertz: Gerade Unternehmen seien daran interessiert, zu wissen, wann sie wirklich Strom aus erneuerbaren Energien bezögen. So könnten sie Beschaffung und Verbrauch ökologisch optimieren.

Granulare Herkunftsnachweise ermöglichen präziseres Preissignal für Ökostrom

Doch es geht längst nicht nur um die Ökobilanz – zu erzeugungsstarken Zeiten ist der Strom auch deutlich billiger, zu erzeugungsschwachen Zeiten wertvoller. Die stundenweise Bilanzierung schaffe daher auch ein „messerscharfes Preissignal, das die Investitionen in die Technologien beschleunigen wird, die benötigt werden, um weltweit rund um die Uhr saubere Energie zu liefern“, sagt Toby Ferenczi, Mitbegründer von Granular. Flexibilitäten und Speicher seien dafür wichtig.

11.05.2023 | Quelle: 50Hertz | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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