Neuer Resilienzbonus für die heimische PV-Industrie

Solarzellen in der Produktion - in diesem Fall in einem Gerät zum Testen der ZellenFoto: Meyer Burgerr
Die europäischen Hersteller von Photovoltaikprodukten, vor allem die Modulhersteller, stehen unter Druck. Denn die Preise für PV-Module sind weiter gesunken. Um ein Abwan­dern der Industrie zu verhindern, fordert die Solarbranche einen Resilienzbonus.

Das Jahr 2024 kann für die europäische PV-Industrie ein entscheidendes werden. Denn ohne eine Reaktion von Europäischer Union und dem deutschen Parlament auf die sich im Sinkflug befindlichen Photovoltaikmodulpreise droht erneut eine Krise. Und dies, obwohl in keinem Jahr mehr Photovoltaikanlagen verkauft wurden als 2023. Die Preise seien einfach zu niedrig, sagt Christoph Podewils, Head of Public Affairs & Communications bei der Meyer Burger GmbH. Das sei für alle Hersteller ein existenzielles Problem. Teils gebe es jetzt sogar Angebote chinesischer Unternehmen für PV-Module von nur 5 Cent je Watt. Doch damit könnten auch diese Hersteller kein Geld verdienen. Podewils sieht darin ein Versagen der Marktregulierung.

Peter Bachmann, Vizepräsident für Kundenlösungen bei der Solarwatt GmbH, beurteilt die aktuelle Situation als „sehr herausfordernd“ für die gesamte produzierende Solarbranche in Europa. „Hauptgrund ist der extreme Preisdruck, weil chinesische Hersteller den Markt mit ihren Überkapazitäten fluten – und das gepaart mit einem Preisverfall von größer als 60 Prozent in den vergangenen sechs Monaten“, so Bachmann.

Massive Wettbewerbsnachteile für europäische PV-Industrie

Christian Kucznierz, Head of Corporate Communications bei der Varta AG Group, weist für sein Unternehmen auf umfangreiche staatliche Fördermaßnahmen in China und den USA für die PV-Industrie hin. Mit Blick darauf hätte das Ausbleiben einer Förderung hierzulande schwerwiegende Folgen. „So käme es zu massiven Wettbewerbsnachteilen und daraus folgend kurz- bis mittelfristig zu einer Abwanderung dieser Industrie bzw. entscheidender Wertschöpfungsstufen für Entwicklung, Produktion und Vertrieb dieser Produkte und Lösungen.“

Grundsätzlich hat dies auch die Europäische Union erkannt. So hat sie im März 2023 einen Vorschlag für eine neue Verordnung unterbreitet. Darin geht es um die „Schaffung eines Rahmens für Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Ökosystems der Fertigung von Netto-Null-Technologieprodukten (Netto-Null-Industrie-Verordnung)“. Gemeint ist damit auch ausdrücklich die Solarindustrie. Die EU-Kommission erklärt, bis 2030 werde sich der Weltmarkt für wichtige massengefertigte Netto-Null-Technologien mit einem jährlichen Wert von rund 600 Milliarden Euro verdreifachen. Und andere Länder hätten „diese Chance ergriffen und setzen ehrgeizige Maßnahmen ein, um sich bedeutende Teile dieses neuen Marktes zu sichern“.

EU-Kommission will Resilienz stärken

Dem will die EU-Kommission etwas entgegensetzen und hat dafür bereits ein klares Ziel definiert. Sie strebt an, in Europa bis 2030 eine jährliche Fertigungskapazität für Netto-Null-Technologien „von mindestens annähernd 40 Prozent des jährlichen Bedarfs“ zu erreichen. Sie will die Wettbewerbsfähigkeit bewahren und „die derzeitigen strategischen Einfuhrabhängigkeiten bei wichtigen Netto-Null-Technologieprodukten und ihren Lieferketten“ verringern. „Es ist erforderlich, dass die Union den Ausbau der Fertigungskapazitäten auf schnellere, einfachere und berechenbarere Weise ermöglicht“ heißt es im Verordnungsentwurf.

In Deutschland werden diese Zielsetzungen geteilt. So hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 16. Juni 2023 den Vorschlag der EU-Kommission ausdrücklich begrüßt. Wirt­schafts­mi­nister Robert Habeck hatte im Klima- und Transformationsfonds (KTF) Fördermittel für den Aufbau von integrierten Solarfabriken vorgesehen.

Bund kürzt Zuschüsse für PV-Industrieproduktion

Nach den Kürzungen im Bundeshaushalt hat die Regierung aber den Vorschlag für Zuschüsse an die deutsche Solarindustrie deutlich reduziert. Damit gewinnt ein zweiter Baustein zur Stützung der heimischen Unternehmen noch an Bedeutung. Im Jahr 2023 hat der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) ein Konzept für einen „Resilienzbonus“ ins Spiel gebracht. Kurz gesagt bedeutet dieser: EEG-Auktionen und Einspeisevergütungen für neue PV-Anlagen sollen mit einem Zuschlag bedacht werden, wenn ein Teil der Komponenten aus Europa stammt. Der BSW nimmt dabei auch Bezug auf den 40-prozentigen Anteil des europäischen Solarmarktes, den auch die EU-Kommission genannt hat.

Vor einigen Jahren hatte die Europäische Union bereits versucht, die Wettbewerbssituation europäischer gegenüber chinesischen Solarfirmen zu verbessern. Sie hatte Importzölle ein­ge­führt, diese aber später zurückgenommen. Dies lag auch an unterschiedlichen Interessen innerhalb der PV-Branche. So waren schon damals die niedrigen Preise für chinesische PV-Module, die die EU-Kommission auch auf Preisdumping zurückführte, ein Problem für europäische Produzenten. PV-Großhändler und Projektierer setzten sich allerdings sehr deutlich für einen freien Import ein. Den gibt es nun, jedoch nur für PV-Module. Das hat zur Folge, dass sich europäische Hersteller einerseits weiterhin mit den niedrigen Preisen importierter Module konfrontiert sehen. Andererseits müssen sie aber für Vorprodukte wie Solarzellen Importzölle zahlen, was die eigenen Module noch verteuert.

Solarbranche: Keine Zölle, aber Resilienzbonus

Offenbar gibt es derzeit keine starke Stimme, die Zölle auf chinesische Module fordert. So betont Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW, dass der Verband „die Einführung von Importbeschränkungen wie Zöllen kategorisch ablehnt, da sie die PV-Nachfrage ausbremsen könnten und sich zudem schon einmal als ein unwirksames Instrument zum Schutz europäischer Solarfabriken erwiesen haben“.

So rücken der Resilienzbonus in den Fokus. Dem kann auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck etwas abgewinnen. Mitte Dezember erklärte er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, Solarprodukte aus Deutschland erfüllten besondere Ansprüche wie den Verzicht auf Giftstoffe oder sie wiesen einen hohen Wirkungsgrad auf. Deshalb sprach er sich für eine Pilotausschreibung für „eine Art Resilienzbonus“ aus.

Das aber wäre so nicht im Sinne der Solarbranche. Körnig betont: „Wichtig ist, dass hier nicht erst ein kleiner Versuchsballon gestartet wird. Einzelne Pilotausschreibungen zum Beispiel würden nicht die Planungssicherheit für Unternehmen bringen, um die es gerade bei diesem Thema geht. Wir dürfen zudem keine Zeit mehr verlieren.”

Resilienzbonus als Mittel für fairen Wettbewerb

Den Solarfirmen brennt das Thema unter den Nägeln. „Die Politik muss aus meiner Sicht eine Entscheidung treffen – und zwar besser heute als morgen“, sagt Bachmann von Solarwatt: „Wenn wir Solarproduktionen in relevantem Maßstab hier in Europa überhaupt noch wollen, dann brauchen wir endlich verlässliche Rahmenbedingungen, die uns einen fairen Wettbewerb ermöglichen.

Uwe Krautwurst, Vertriebs- und Marketingleiter bei der Heckert Solar GmbH, erklärt, der Resilienzbonus werde dem Unternehmen helfen: „Das ist der richtige Weg.“ Er betont, dass Heckert schon seit 20 Jahren am Markt sei und die Aufs und Abs in der Branche überlebt habe, weil das Unternehmen pragmatisch arbeite. Als Vorteil von Resilienzboni sieht Krautwurst, dass man damit einen Markt für europäische Produkte generiere.

Ein Anreizbonus könne helfen, die Industrie anzukurbeln und wichtige Jobs sowie Fachwissen in Deutschland zu halten, erklärt Jürgen Reinert, der Vorstandsvorsitzende der SMA Solartechnology AG: „Deutschland steht jetzt vor der Wahl, die Energiewende nachhaltig zu gestalten und die Abhängigkeit von Drittstaaten zu reduzieren. Hierfür ist der Resilienzbonus ein wichtiges und richtiges Instrument.“ Daher spreche sich SMA gemeinsam mit dem Bundesverband BSW dafür aus, für eine Übergangszeit die Mehrkosten beim Erwerb von europäischen PV-Anlagen mittels eines Resilienzbonus zu fördern.

„Um es klar zu sagen, von Strafzöllen auf Module aus nicht-europäischer Produktion halten wir bei Solarwatt gar nichts“, sagt Bachmann: „Ein Resilienzbonus könnte aber eine erfolgsversprechende Maßnahme sein, wenn sich Anlagenbetreiber für Komponenten aus europäischer Produktion entscheiden, die dann beispielsweise auch unter strengen ESG-Kriterien hergestellt wurden.“

Mehr Fokus auf EU-Produkte

Ein Resilienzbonus ist auch aus Sicht von Meyer Burger ein geeignetes Instrument, um die Marktposition der europäischen Photovoltaikproduzenten zu verbessern. Vor allem lenke es das Augenmerk der Kund:innen auf die europäischen Produkte, erklärt Podewils. Der Bonus sei auch ein Mittel, um vor allem den großen Installationsbetrieben etwas von ihrer heutigen Marktmacht zu nehmen. Die setzten auf möglichst billige Komponenten, um ihre Margen möglichst hoch zu halten. Daher bekämpften die großen Vertriebsfirmen derzeit sogar teils den Resilienzbonus.

Maßnahmen zur Stärkung der europäischen Industrie seien aber von hoher Bedeutung, betont Podewils: „Es ist für alle schon weit nach 12 Uhr.“ Für die Meyer Burger Technology AG als Mutterkonzern der Produktionsfirma in Deutschland gehe es dabei auch darum, ob der hiesige Standort gehalten werden könne oder sich die PV-Produktion komplett in die USA verlagere. Der Resilienzbonus sei durchaus in der Lage, die Position zu stabilisieren. „Das würde uns in Kombination mit direkter Unterstützung auch erlauben, in den Ausbau von Kapazitäten zu investieren“, so Podewils. Die Wirkung des Bonus sei vergleichbar mit den Impulsen, die zum Aufblühen der ersten Photovoltaikfabriken in Deutschland geführt hätten. Sie hatten durch die kostendeckende Vergütung in einzelnen Kommunen und ab 2000 durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz die entscheidende Basis für den Aufbau des heimischen Marktes erhalten.

Chance auf Produktionsausbau, wenn sich Bedingungen verbessern

Heckert Solar wolle die Produktion ausbauen, sagt Krautwurst: „Wir brauchen aber keine Produktion, wenn kein geeignetes Marktumfeld vorhanden ist.“ Dabei gehe es zunächst um kleine Ausbauschritte, die Heckert dem pragmatischen Ansatz entsprechend angehen wolle. Es sei aber auch das Leuchtturmprojekt noch nicht abgeschrieben. Das sieht zusammen mit Partnern eine integrierte Produktion im Gigawattbereich vor. Konzipiert hatten die Partner dies, als Wirtschaftsminister Habeck Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt für solche Industrieprojekte in Aussicht gestellt hatte. Die sind nun größtenteils auf Eis gelegt. Heckert stehe aber bereit, wenn Mittel für den Aufbau einer integrierten Solarfabrik zur Verfügung stünden und der Markt die Produktion aufnehmen könne.

„Es wäre fatal, wenn sich die Politik aufgrund von Sparzwängen nicht zu einer umfassenden Lösung durchringen kann“, betont Körnig: „Sollten die Haushaltsmittel trotz gesamtwirtschaftlicher Sinnhaftigkeit nicht reichen, um künftig einen Teil der Nachfrage in allen PV-Marktsegmenten aus europäischer Wertschöpfung zu sichern, so muss jetzt zumindest ein substanzieller Anfang gemacht werden. Resilienzmaßnahmen müssen dort ansetzen, wo eine schnelle Stimulierung der PV-Nachfrage und Lenkungswirkung in heimische Solarfabrik-Investitionen zu erwarten ist.“

Der Resilienzbonus ist Teil der Diskussion um das Solarpaket im Deutschen Bundestag. Noch ist aber unklar, wie sich die Ampelkoalition dazu verhält. Offenbar sind Bündnis 90/Die Grünen und die SPD eher dafür, während die FDP den Prozess behindert. Der FDP in Sachsen-Anhalt, einem Standort von Meyer Burger, ist es aber wichtig, dass das Unternehmen unterstützt wird. So sagt der FDP-Landtagsabgeordnete Andreas Silbersack: „Wir als FDP in Sachsen-Anhalt wollen natürlich, dass Meyer Burger bleibt.“ Und zum Resilienzbonus erklärt er weiter:  „Wir werden uns dafür einsetzen, dass das auch gelingen wird. Das ist doch keine Frage.“

Autor: Andreas Witt | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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