Chemieproduzent H&R setzt auf E-Fuels

Blick aus der Vogelperspektive auf ein Industriegelände am Abend.Foto: H&R-Gruppe
Industriegeländer von H&R in Hamburg
Synthetische Kraftstoffe und Grundchemikalien sind für Chemieunternehmen wie die Hamburger H&R-Gruppe eine Chance, sich zu dekarbonisieren. Hauptabnehmer für künf­tige E-Fuels ist Europas Luftfahrtindustrie, die ab 2030 solche Kraftstoffe beimischen muss.

Ab 2025 wird es für die Luftfahrtbranche in Europa ernst. Ab 1. Januar greifen erstmals verpflichtende Regeln zur Beimischung von regenerativen Kraftstoffen. Das sieht das Programm ReFuelEU Aviation vor, das in die Erneuerbare-Energien-Richtline der EU (RED) eingebettet ist. Los geht es mit einem Anteil von 2 Prozent für nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF). Solche werden aktuell zum Beispiel aus Altfetten hergestellt wie in Finnland durch Produzent Neste Oy. Bis 2030 steigt die verpflichtende Quote auf 6 Prozent.

Steigende E-Fuel-Quote

Dann schlägt auch die Stunde der synthetischen Kraftstoffe (E-Fuels), für deren Herstellung regenerativer Strom zum Beispiel aus Photovoltaik und Windenergie Voraussetzung ist. Ausgehend von 1,2 Prozent in 2030 steigt die E-Fuel-Quote bis 2035 auf 5 Prozent. Bis 2050 sollen 35 Prozent erreicht sein.

Das Industrieunternehmen H&R bereitet sich darauf vor. Die Gesellschaft produziert seit Jahrzehnten im Hamburger Hafen klassische Grundstoffe für die Chemieindustrie wie Wachse und Paraffine. Die basieren bisher vor allem auf Rückständen fossiler Raffinerien: langkettige Kohlenstoffe, die am Ende der Produktion von Kerosin, Benzin und Diesel übrig bleiben.

Nicht nur ein Produkt

Künftig will H&R solche Rohwachse auf nachhaltige Weise in kleineren Bioraffinerien herstellen, sagt der verantwortliche Geschäftsführer Detlev Wösten gegenüber den Solarthemen. Und zwar gemeinsam mit E-Fuels mittels der Fischer-Tropsch-Synthese. Dabei reagieren Wasserstoff und Kohlendioxid zu Kohlenwasserstoffen. „Diese können Benzin und Diesel technisch bis zu 100 Prozent beigemischt werden“, sagt Wösten.

Dazu unterhält das Unternehmen im Hamburger Hafen eine Demonstrationsanlage für E-Fuels und synthetische Rohwachse mit einer Jahreskapazität von 350 Tonnen. Den dazu notwendigen grünen Wasserstoff – für den Strom erwirbt das Unternehmen grüne Zertifikate – produziert ein PEM-Elektrolyseur gleich nebenan.

Zur Vermarktung hat der Chemieproduzent das Joint Venture P2X-Europe gegründet. Partner ist die Mabanaft, eine Tochter des Hamburger Mineralölunternehmens Marquardts & Bahls. Das will groß in die Produktion einsteigen.
„Wir haben dafür mehrere Vorhaben, die in Richtung kommerzieller Produktion gehen mit mehreren Tausend Tonnen pro Jahr, konkret zwischen 10.000 und 50.000 Tonnen“, so Wösten.

Die Identifikation der Standorte erfolge dabei über zwei Kriterien. „Wir brauchen eine biomassebasierte Industrie, die uns CO2 liefern kann sowie wettbewerbsfähigen Grünstrom. Auf der iberischen Halbinsel ist beides gegeben. Dort gibt es neben Photovoltaik auch viel Windstrom. Wir haben uns deshalb sowohl einen Standort in Nordspanien als auch einen in Portugal konkreter angesehen. Weitere Vorhaben in Spanien könnten folgen.“

Konkrete Standorte für die Produktion von E-Fuels

Ein weiteres Projekt befinde sich in Norwegen, wo Wasserkraftstrom zum Einsatz kommen könnte. Auch wenn noch keine finale Investmententscheidung des Unternehmens vorliegt: „Das alles sind konkrete Standorte mit regionalen Partnern, bei denen auch bereits klar ist, wo der Grünstrom und der Kohlenstoff herkommen können“, sagt der Manager.

Damit die E-Fuels von der EU auch zur Beimischung anerkannt werden, ist neben der Grünstromdefinition entscheidend, wo das Kohlendioxid herkommt. Infrage kommen die direkte Abscheidung aus der Luft, Biomasse und bestimmte Industriequellen.

H&R zielt auf CO2 aus Bioethanolanlagen und der Zellstoffproduktion, wo Holz und Holzreststoffe verarbeitet werden. „Eine dritte Option ist der biogene Anteil des CO2 aus Müllverbrennungsanlagen“, so Wösten.

Autor: Oliver Ristau | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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