Flusswärme: Wärmeenergie aus dem Fluss

Oben am Bildrand ein Fluss, darunter eine Kraftwerksanlage.Visualisierung (hell hervorgehoben) der in Köln geplanten Bauten für eine Flusswärmepumpe.
Foto mit Visualisierung: Stadtwerke Köln
In mehreren großen Wärmenetzen sollen Flüsse zur Energiequelle werden. Die MVV Energie AG aus Mann­heim betreibt bereits seit 2023 eine Flusswasser­wärme­pumpe. Nun soll mit 150 Megawatt die nächste Skalie­rungs­­stufe folgen – und zwar sowohl in Köln als auch in Mannheim.

Mitte März fiel in Mannheim die Investitionsentscheidung für die Flusswärme. Bereits im kommenden Jahr ist Baustart. Und im Herbst 2028 soll die Flusswasserwärmepumpenanlage in Betrieb gehen. Bis zu 150 Megawatt (MW) Wärmeleistung soll sie dann ins Netz speisen. Der Zeitplan ist straff, doch das Team hat Erfahrung. Projektleiter Felix Hack hat in Mannheim bereits das erste Projekt mit Flusswasserwärmepumpe mit 20 MW ther­mi­scher Leistung begleitet. Als sie im Oktober 2023 in Betrieb ging, war sie noch Pionierarbeit.

Das Projekt wurde als Reallabor im 7. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung gefördert. „In dem Programm gab es noch vier weitere Versorger mit ähnlichen Projekten, der AGFW hat den Austausch koordiniert – das hat uns sehr geholfen“, sagt Projektleiter Felix Hack.

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Doch nicht nur Mannheim skaliert hoch. Die Kölner RheinEnergie AG vergab im Dezember 2024 für ein 150-MW-Projekt bereits die zentralen Aufträge und bestellte im März 2025 die Wärmepumpen bei der MAN Energy Solutions. Auf dem Baufeld neben dem Hafenbecken in Köln-Niehl, aus dem das Wasser entnommen werden soll, laufen bereits Vorbereitungen. Ein Konsortium der Firmen Züblin und Strabag Umwelt­technik ist für diesen Teil des Projekts verantwortlich, inklusive einer Fischschutzanlage.

Flusswärme für Köln ab 2027

Wenn alles klappt, soll die Kölner Wärmepumpenanlage Ende 2027 Wärme für das Netz in der Innenstadt und im Stadtteil Deutz liefern – ein Jahr vor Inbetriebnahme der Mannheimer Wärmepumpe. Die MAN Energy Solutions soll für den Bau der Wärmepumpenanlage verantwortlich sein.

Flusswärme in Hamburg kleiner

Dagegen erscheinen die Hambur­ger Pläne für eine Flusswasserwärmepum­pe fast bescheiden. Dort sollen 60 MW Wärmeleistung aus der Elbe ins Fern­wärme­netz fließen. Das Projekt befindet sich gerade in der Entwurfs- und Genehmigungsplanung. Man sei in Kontakt mit anderen Wärmenetzbetreibern, heißt es aus der Pressestelle. „Auch wenn es große Unterschiede zwischen den Standorten und den Randbedingungen gibt, lassen wir diese Erfahrungen in unsere Planung mit ein­fließen“, sagt Pressesprecher David Kap­penberg.

Von der Kölner RheinEnergie heißt es hingegen, wegen der Größe und Einzigartigkeit des Projekts habe man die Grundlagen im Wesentlichen selbst definieren müssen. Doch auch andernorts gab es in den letzten Jahren Fortschritte in der zweistelligen Megawattklasse.

Die MAN Energy Solutions nahm in Esbjerg bereits Ende 2024 eine Großwärmepumpenanlage mit immerhin 70 MW Wärmeleistung zur Nutzung der Flusswärme in Betrieb. Sie nutzt Wärme aus dem Meer und bezieht auch ihren Strom aus nahe gelegenen Windparks. In Aalborg bestellte der Wärme­netzbetreiber Aalborg Forsyning bereits 2023 drei Wärmepumpen mit jeweils 44 MW bei MAN Energy Solutions, 2024 orderte er noch eine weitere. So kommt das Projekt nun auf eine Wärmeleistung von 177 MW. Die Großwärmepumpen gehören zum Ersatzkonzept für ein Kohlekraftwerk, das 2028 stillgelegt werden soll.

Modularer Aubau

Der modulare Aufbau ist charak­teris­tisch für Wärmepumpen-Großprojekte, auch wenn oft vereinfachend von einer Wärmepumpe die Rede ist. MVV-Projektleiter Hack erklärt: „Wir fordern in der Ausschreibung mindestens zwei Wärmepumpenmodule. So sorgen wir für Redundanz. Außerdem setzt die Größe der Verdichter eine Grenze – wir gehen davon aus, dass man diese Leistungsklasse gerade noch auf dem Straßenweg transportieren kann.“
Neuland sind auch die Genehmigungen – und zwar an jedem Standort wieder. „Wir haben die Behörden in der Zusammenarbeit als sehr kooperativ erlebt“, berichtet Hack aus Mannheim.

In Köln steht das Nadelöhr des ersten Genehmigungsverfahrens bei der Bezirksregierung noch bevor. Man hofft auf ein kooperatives Verfahren. An dem Standort gibt es zwar bereits ein Entnahmebauwerk für die beiden Gas-und-Dampfturbinenanlagen, doch für die Großwärmepumpe soll noch ein weiteres folgen. Der Standort stelle hohe Anforderungen im Hinblick auf die wasserrechtlichen Genehmigungen, heißt es von der Rhein­Ener­gie. Die Behörde muss unter anderem die Wirkung des abgekühlten Flusswassers auf die Rheinfauna bewerten. Man hoffe dabei auf „Augenmaß“, so der Energie­versor­ger. Auch Lärm- und Immissionsschutz sind in dem dicht besiedelten Gebiet ein Thema.

Kraftwerksstandort ideal

Überhaupt ist der Standort ein Knackpunkt für Großwärmepumpen. Jede Wärmepumpe braucht Strom, um Wärme ins Netz speisen zu können, und leise ist sie auch nicht gerade – bei Großprojekten gelten diese Anforderungen umso mehr.

Die MVV rechnet für ihre 150-MW-Wärmepumpenanlage mit einem elektrischen Leistungsbedarf bis zu 60 MW. Während sich die erste Wärmepumpe noch auf der Mittelspannungsebene anschließen ließ, ist nun ein Anschluss auf Hochspannungsebene vorgesehen. Ein vorhandener Kraftwerksstandort macht daher in Bezug auf Infrastruktur und Genehmigung vieles einfacher. Und wenn man einen CO₂-intensiven Wärmeerzeuger ersetzen will, ist es auch in Bezug auf die Wärmeverteilung im Netz hilfreich, wenn sich der Ersatz an derselben Stelle befindet. Und so setzen alle drei Wärmeversorger auf diese Strategie: die MVV am Großkraftwerk Mannheim, die RheinEnergie am Standort Niehl und die Hamburger Energiewerke am Kraftwerksstandort Tiefstack im Osten der Stadt.

Wasserseite genau betrachten

„Die Bedingungen auf der Wasserseite sollte man sich sehr genau ansehen“, rät Marcus Adlon, Geschäftsführer der MVV Grüne Wärme. In Mannheim und Hamburg soll jeweils ein bestehendes Entnahmebauwerk genutzt werden. So sind weniger zusätzliche Eingriffe in die Umwelt nötig. Das macht die Genehmigung leichter und senkt die Kosten.

Eine andere wasserseitig wichtige Voraussetzung ist die Temperatur. Der Rhein kühlt selbst im Winter nur sehr selten unter 5 Grad Celsius ab. Die vorhandene Wärmepumpe in Mannheim erreicht damit im Jahresmittel eine Arbeitszahl von 2,7 – und das, obwohl sie eine Ausgangstemperatur von fast 100 Grad Celsius lie­fert.

Die winterliche Mindesttem­peratur ist ein Knackpunkt für die Planung, erklärt Adlon, denn bei der Wärmeentnahme kühlt das Wasser naturgemäß weiter ab und die Temperatur nähert sich dem Gefrierpunkt. „Je nach Wassermenge wird es unterhalb von 3 bis 5 Grad Celsius bei Flusswasser kritisch“, sagt er.

Mit der nun geplanten Wärme­pum­pe will die MVV den Anteil der Flusswärme in ihrem Netz auf etwa 15 Prozent steigern. Läuft alles wie geplant, soll bis 2030 eine weitere ähnliche Anlage hinzukommen, sodass der Rhein 20 bis 30 Prozent der Wärme im Mannheimer Netz liefern könnte.

Flusswärme für die Mittellast

Auch in Köln und Hamburg liegen die Wärmepumpen im Mittellast-Bereich. Das liegt nicht nur an den im Vergleich zu anderen erneuerbaren Wärmeerzeugern „mittelhohen Investitionen und mittelhohen Betriebskosten“, wie Adlon die Kostenlage zusammenfasst, son­dern auch an den übrigen Wärmeerzeugern im Netz. Sowohl in Mannheim als auch in Hamburg stammt ein nennenswerter Teil der Wärme aus der Abfallverbrennung und industrieller Abwärme. Damit ist die ohnehin geringe Sommerlast gedeckt. „Die Flusswasserwärmepumpe mit ihrer Flexibilität ist eine passende Ergänzung, auch weil sie ver­lässlich und langfristig sicher verfügbar ist“, erklärt Adlon.

Hohe Investitionen

Die RheinEnergie beziffert die vorgesehene Gesamtinvestition in das Wärmepumpen-Projekt auf 280 Millionen Euro. Teurer war bisher nur der Bau der jüngsten Gas- und Dampfturbinenanlage „Niehl 3“ am selben Standort. Größter Kostenfaktor seien dabei tatsächlich die Wärmepumpenmodule, nicht das neue Wasserbauwerk, betont Unternehmenssprecher Christoph Preuß. Beim Stemmen solcher Großprojekte hilft im Wesentlichen die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW).

Das Kölner Projekt erreicht allerdings mit 100 Millionen Euro Zuschuss den in der Förderrichtlinie gesetzten Maximalwert und kann daher die normalerweise mög­lichen 40 Prozent nicht voll aus­schöp­fen. Auch die MVV in Mannheim sowie die Hamburger Energiewerke setzen auf die BEW-Förderung und zeigen sich optimistisch. „Die aktuellen Entwicklungen in der Politik stimmen uns größtenteils positiv, dass dies funktionieren wird“, so Kappenberg.

Stromkosten wichtiger Faktor

Eine spannende Frage wird sein, wie viel Wärme die Anlagen am Ende wirklich liefern. Als Mittellast-Wärmequellen sind Laufzeiten von 1.500 bis 4.000 Stunden im Bereich des Möglichen. Entscheiden werden darüber aber nicht allein Technik und Bedarf, sondern die Betriebskosten. Diese hängen im Wesentlichen vom Strompreis ab. Vorbild könnte dabei Skandinavien sein, wo bereits weitere Großwärmepumpen zur Nutzung der Flusswärme im Einsatz sind. „Damit die Technologie auch in Deutschland ohne hohe Förderung wirtschaftlich wird, müssten wir die Stromnebenkosten deutlich sen­ken“, sagt Adlon. Bis das passiert, könn­te aber noch viel Wasser den Rhein und die Elbe hinunterfließen.

Quelle: Eva Augsten | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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