Netzentgelte von EE-Anlagen: Debatte um BNetzA-Vorschläge

Hochspannungs-Strommast vor drei Windenergieanlagen. Symbolbild für Netzentgelte für ErzeugungsanlagenFoto: Guido Bröer
Laut BNetzA sollen Erneuerbare Energieanlagen und Speicher künftig Netzentgelte zahlen.
Die seit Jahren beschworenen großen Reform der Stromnetzentgelte hat die Ampelregierung nicht mehr geschafft. Jetzt hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) mit einem Diskussionspapier einen Konsultationsprozess angestoßen. Die Solarthemen haben dazu erste Reaktionen von Verbänden abgefragt. Umstritten sind unter anderem mögliche Netzentgelte und Baukostenzuschüsse für Einspeiser und Prosumer.

Zur grundsätzlichen Problembeschreibung des BNetzA-Chefs Klaus Müller, dass und warum dieser eine große Netzentgeltreform für notwendig hält, gibt es unter relevanten Stakeholdern einen denkbar breiten Konsens. Zur Vorstellung des BNetzA-Papiers hatte Müller am Montag gesagt: “Wir müssen das System reformieren, nach dem Netzentgelte erhoben werden. Erstens wird die Zahl der Nutzer immer kleiner, die in voller Höhe Entgelte zahlen – bei gleichzeitig steigenden Kosten. Wir haben zweitens keine ausreichend wirksamen Signale, wie und wo Anlagen kostengünstig betrieben werden können, um einen unnötig teuren Ausbau der Netze zu vermeiden. Drittens gibt es im System heute keine Anreize, die flexibles Verhalten belohnen, eher im Gegenteil”.

BNetzA sieht für Netzentgelte Handlungsbedarf

Spannend ist nun allerdings, welche Ansätze Müllers Behörde vorschlägt, um die anstehende Netzentgeltreform anzugehen, und was die Branche dazu sagt. Insbesondere der Versuch, die Einspeiser an den Netzkosten zu beteiligen, birgt Sprengstoff. Im Papier der BNetzA zeichnet sich diese Schussrichtung sehr deutlich ab. Dort argumentiert die Behörde: “Die Netzintegration der erneuerbaren Erzeugungsanlagen hat sich zunehmend zum Treiber der Netzkosten entwickelt. Eine Beteiligung an den Kosten findet jedoch nicht statt. Zudem sind weitere Akteure, die das Netz uneingeschränkt nutzen können, wie beispielsweise netzgekoppelte Speicher und Elektrolyseure, von Netzentgeltzahlungen ausgenommen, ohne dass dafür eine Gegenleistung für das Netz erbracht wird. Zudem sinkt durch die zunehmende Eigenversorgung insbesondere durch PV-Anlagen die Kostenbeteiligung der sog. Prosumer.”

Netzentgelt für Einspeiser

Bislang heißt es in § 15 der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) ausdrücklich: “Für die Einspeisung elektrischer Energie sind keine Netzentgelte zu entrichten.” Diesen Grundsatz will die BNetzA offenbar gern in einer großen Reform der Netzentgelte abschaffen und die Einspeiser zur Finanzierung der Netze mit heranziehen. Ob pauschal mit einem 50-prozentigen Anteil an den Netzkosten oder nach deutlich differenzierteren Modellen, die in dem Diskussionspapier beschrieben werden, das lässt die Behörde offen. Allerdings nennt sie auch einige Gründe, die gegen eine Beteiligung der Einspeiser sprechen – wie etwa die steigende Komplexität der Netzentgeltsystematik.

Dass Erzeuger an den Netzentgelten beteiligt werden sollen, sieht der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) erwartungsgemäß kritisch. BEE-Präsidentin Simone Peter argumentiert gegenüber den Solarthemen: “Die einzelnen Instrumente, von Baukostenzuschüssen bis zu Einspeiseentgelten, wirken sehr unterschiedlich auf Preissignale. Das kann die Anstrengungen der Bundesregierung konterkarieren, Systemdienlichkeit zu stärken und die Kosten des Gesamtsystems zu senken. Denn eine Belastung der Einspeiser mit Netzkosten würde mit einer Erhöhung der Stromproduktionskosten einhergehen und die Letztverbraucher über höhere Ausschreibungsgebote belasten.”

BNE: Keine technologische Differenzierung der Netzentgelte!

Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) begrüßt hingegen grundsätzliche eine verursachungsgerechte Beteiligung von Erzeugern an den Netzentgelten. In einer ersten Reaktion auf das BNetzA-Papier schreibt der Verband: “Dabei wenden wir uns ausdrücklich gegen eine technologische Differenzierung etwa zwischen umrichterbasierter Einspeisung und Einspeisung über rotierende Generatoren. Baukostenzuschüsse für Erzeugeranlagen sind nicht grundsätzlich ausgeschlossen – wenn, dann müssen sie aber immer auch im Rahmen flexibler Netzanschlussverträge diskutiert werden. Nur so kann Kostentransparenz und -gerechtigkeit gewährleitet werden.”

Tendenziell ablehnend äußert sich hingegen der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), in dem auch die Netzbetreiber engagiert sind, zur Idee einer Netzkostenbeteiligung von Erzeugungsanlagen. Nach Abwägung von Vor- und Nachteilen kommt der Verband in einem eigenen ausführlichen Diskussionspapier zu dem Schluss: “Eine Einführung von Einspeiseentgelten für Erzeuger ist daher nicht zielführend.”

Problem: Netzentgelte für Bestandsanlagen?

Ein Grund für dieses Fazit sieht der BDEW auch einem Dilemma, das sich bei einer möglichen Belastung von Bestandsanlagen auftäte: “Eine Erhebung von Netzentgelten für bis dato nicht im Rahmen der Netzentgeltsystematik berücksichtigte Bestandsanlagen wäre ein massiver Eingriff in deren Wirtschaftlichkeit und würde den Vertrauensschutz sowie die Investitionssicherheit in Frage stellen. Unter ausschließlicher Fokussierung auf Neuanlagen hätten Bestandsanlagen jedoch einen erheblichen Vorteil am Markt.”

Auch die Bundesnetzagentur stellt die Frage in den Raum, wie mit den Bestandsanlagen umgegangen werden soll. “Einerseits wäre es sachgerecht, bestehende Anlagen an der Refinanzierung der Netzinfrastruktur zu beteiligen, da sie durch den in der Vergangenheit verursachten Netzausbau bereits zu diesem beigetragen haben. Andererseits dürften Einspeiseentgelte als im Nachhinein anfallende zusätzliche Kosten starke Akzeptanzprobleme hervorrufen.”

Baukostenzuschüsse von Erneuerbare-Energien-Anlagen

Etwas weniger problematisch wäre aus Sicht des BDEW eine Netzkostenbeteiligung neuer Erzeugunganlagen in Form von einmaligen Baukostenzuschüssen (BKZ) für notwendige Netzerweiterungen.

Die BNetzA schlägt einmalige BKZ als Ergänzung zu einer Beteiligung an den laufenden Netznutzungsentgelten vor. Damit könne man einen “Anreiz zum sparsamen Umgang mit Netzanschlusskapazität oder zur netzdienlichen Ansiedlung neuer Erzeugungskapazitäten” setzen, lautet das Hauptargument der Behörde. Das Erlöspotential sei hingegen mittelfristig relativ gering und somit auch der Betrag zu den gesamten Netzkosten.

BNetzA schlägt mehr Grundentgelt für Prosumer vor

Für Privathaushalte und andere kleine Prosumer, deren Beitrag zu den Netzentgelten heute typischerweise zumeist nur aus einem geringen Grundpreis und wesentlich höheren Arbeitspreis-Anteilen bestehen, schlägt die BNetzA einen höheren Grundpreis vor. Alle Netznutzer mit Eigenverbrauchsanlagen würden demnach als gesonderte Gruppe betrachtet und sollen einen höheren Grundpreis bezahlen. Der BNE-Geschäftsführer Robert Busch hält das für einen sinnvollen Weg: „Die zunehmende Flucht aus den Netzentgelten ist unsolidarisch und nicht verursachungsgerecht.“

Demgegenüber weist BEE-Präsidentin Peter darauf hin, “Die Erzeugerbeteiligung würde auch gerade die für die Akzeptanz so wichtigen Bürgerenergie- und Prosumerprojekte massiv in ihrer Wirtschaftlichkeit treffen. Einspeisenetzentgelte hätten höchstwahrscheinlich steigende Strompreise zur Folge; die Endverbraucher zahlen bereits heute einen sehr hohen Anteil an Umlagen auf den Strom. Hier sind weitere Belastungen zu vermeiden.”

Weitere Aspekte des BNetzA-Diskussionspapier betreffen verschiedenen Optionen dynamischer Netzentgelte, die Einführung bundeseinheitlicher Netzentgelte auch auf der Verteilnetzebene sowie für größere Verbraucher den Ersatz der heutigen Leistungspreise durch einen pauschalen Kapazitätspreis.

Sollen Stromspeicher und Elektrolyseure Netzentgelt bezahlen?

Ein eigenes Kapitel widmet die BNetzA den Entgelten für stationäre und mobile Speicher. Sie genießen heute nach Lesart der Behörde diverse Privilegierungen beim Netzentgelt und sind teilweise gänzlich davon befreit. Ihr Anliegen scheint zu sein, die Speicher künftig an den Netzkosten zu beteiligen. Wobei sie die Art der geeigneten Beteiligung offen lässt. Arbeits-, Leistungs- und Grundpreise hätten insbesondere bei Speichern jeweils vor und Nachteile.

Bis zum 30. Juni 2025 können Interessierte im Zuge des jetzt begonnenen Beteiligungsverfahrens Stellungnahmen zum Diskussionspapier der Bundesnetzagentur einreichen. Das Europarecht sieht vor, dass die nationalen Regulierungsbehörden die aktuelle Netzentgeltsystematik spätestens bis 2029 neu regeln müssen.

Autor: Guido Bröer | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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