Wie Kommunen in die Wärmewende investieren

Weitwinkelaufnahme des Bohrkopfes einer Geothermiebohrung - im Hintergrund der Bohrturm.Foto: Stadtwerke München / Steffen Leiprecht
Nicht kleckern, sondern klotzen für die Wärmewende: der Bohrkopf eines Tiefengeothermieprojekts in München.
Mit der Wärmewende stehen sehr hohe Investitionen an. Damit stellt sich die Frage, ob Kommunen und Stadt­werke dies allein bewältigen können. Denn unabhängig vom Finanzbedarf ist auch das Know-how ein Faktor.

Klar ist: Der Aufbau von effi­zien­ten Wärmenetzen und klima­freund­lichen Energieanlagen er­fordert hohe Investitionen“, sagt Car­lo Kallen, Pressesprecher der Enercity AG. Das Unternehmen mit Sitz in Hannover ist mehr als ein Stadtwerk. Laut eigener Aussage versorgt es mehr als 350 Kommunen mit Wärme. Und bis 2040 will ­Enercity in die Wärmewende rund 1,5 Milliarden Euro investieren. Dafür nutze das Kommunalunternehmen überplanmäßige Gewinne, um das Eigenkapital zu stärken, so Kallen.

Wärmewende – auch eine Frage des Geldes

Bei einigen Stadtwerken sieht die Situation anders aus. Sie tragen häufig schon finanzielle Lasten einer Kom­mu­ne wie zum Beispiel den Betrieb der Schwimmbäder. Und wenn sie nicht als Strom- oder Gasanbieter tätig sind oder schon ein größeres Fernwärmenetz betreiben, übernehmen sie oft nur solche Aufga­ben, mit denen sich kein großes Plus erwirtschaften lässt, wie Wasserversor­gung oder Abwasserbeseitigung. Die Handlungsoptionen für solche Stadtwerke sind daher geringer als bei Unterneh­men wie Enercity.

Fernwärme regenerativ

In drei Jahren will Enercity nach Aus­sage von Kallen 75 Prozent der Fernwärme klimaneutral erzeugen und den Kohleausstieg vollzogen haben. Dafür setze der Fernwärmeversorger auf einen Technologie-Mix aus Tiefengeo­thermie, Großwärmepumpen, Biomas­se, Biomethan-BHKW, Power-to-Heat und Abwärmenutzung. Diese Technologien sind auch in einigen kommuna­len Wärmeplanungen jetzt zu finden: vor allem im Kapitel zur Potenzial­analyse. Denn die Wärmeplanung soll die Frage beantworten, wie Kommunen zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung kommen können. Gerade in verdichteten Quartieren mit hohen Wärmeverbräuchen erscheinen neue oder ausgebaute Wärmenetze eine gute Option zu sein, um sich von fossilen Energien lösen zu können. Die Wärme muss dann aber auch von neuen, regenerativen Quellen stam­­men wie beim Technologie-Mix von Enercity.

Wärmewende als große finanzielle Herausforderung für Kommunen

Die Herausforderung für Kommunen und Stadtwerke besteht dann darin, einerseits Wärmenetze, andererseits die Wärmeerzeugungsanlagen aufzu­bau­en – und dies möglichst gleichzeitig. Das erfordert einen hohen Kapitalbe­darf und gegebenenfalls Kreativität, um das Geld zu beschaffen. In manchen Städten und Gemeinden könnte dies zum Beispiel über die Einbindung von Energiegenossenschaften gelingen. Darüber hinaus sind aber auch neue Kenntnisse und Know-how erforderlich, also Fachleute, die in den Stadtwerken bislang nicht unbedingt schon beschäftigt sind.

Titelseite der Zeitschrift Energiekommune 10/25

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Enercity kann die meisten Projekte selbst planen, bauen und betreiben. Dabei helfen auch die Tochterunter­neh­men Enercity Contracting und Dan­power. „Das entspricht unserem Rollenverständnis als Fernwärme- und Netz­­spezialist, der gezielt dort mit Tec­h- nologiepartnern kooperiert, wo Spezial-Expertise notwendig ist, und der dabei Effizienzen hebt“, erklärt Kallen.
Als eines der größten kommunalen Ener­gieunternehmen Deutschlands ver­­­fügt Enercity sicherlich über mehr Kapazitäten als ein kleineres Stadtwerk. Dennoch suchen auch die Hannove­raner die Kooperation mit anderen in Technologiefeldern, die sie sich (noch) nicht selbst erschlossen haben. Das betrifft derzeit vor allem die Tiefengeo­thermie.

Eigenes und externes Know-how

So hat Enercity mit dem kanadisch-deutschen Unternehmen Eavor einen Wärmeliefervertrag geschlossen. Eavor will bei Hannover mit dem von ihm entwickelten Verfahren ein geschlossenes Wärmetauschersystem in einigen Tausend Meter Tiefe errichten. Und Enercity wird die Wärme für einen festen Preis in ein Fernwärmesysteme einspeisen.

Darüber hinaus kooperiert der Versorger bei der klassischen Tiefengeo­ther­mie mit der NDEWG GmbH, der Norddeutschen Erdwärme-Gewinnungs-Gesellschaft. Bei Burgwedel soll in Ko­ope­ra­tion mit Enercity Contracting und der Stadt Burgwedel ein weiteres Tiefen­geo­thermieprojekt entstehen. Aktuell läuft die Machbar­keits­stu­die. ­Enercity setze auf solche Partner­schaf­ten, so Niklas Wehbring, Abtei­lungs­­leiter für das Strategische Assetmanagement von Enercity, um Know-how zu bün­deln sowie die technischen und finanziellen Risiken zu mini­mie­ren.

Außerdem sei bei Tiefengeothermieprojekten ein generelles Risiko zu betrachten. „Wir wollen das Fündigkeitsrisiko nicht tragen“, sagt Wehbring. Denn wenn in einigen Tausend Metern nach einer Bohrung die Bedingungen nicht so sind, wie man sie erwartet hat, habe man einige Millionen Euro vergeblich investiert. Wehbring geht allerdings davon aus, dass sich mit einer Absicherung des Fündigkeitsrisikos durch die KfW Bank die Voraussetzungen für ei­nen Einstieg in die Tiefengeothermie verbessern. „Dann gibt es einen Angstfaktor weniger.“

Bergrechte sichern

Beim NDEWG-Vorhaben kommt jedoch noch hinzu, dass die Ge­sellschaft bereits über die Bergrechte verfügt, Enercity könnte schon aus diesem Grund bei der Tiefengeothermie in dieser Region nicht allein tätig werden. Die Berg­rechte sind Voraussetzung für die Vorarbeiten, wie etwa seismische Untersuchungen, und letztlich die Er­schlie­ßung der Wärme.

So identifiziere die NDEWG Gebiete, die für eine geothermische Untersu­chung geeignet scheinen und in denen auch eine entsprechende Wärmeabnahme zu erwarten ist, erklärt Uwe Balasus-Lange von der NDEWG: „Es müs­sen immer Geologie und Wärmeabsatz zusammenpassen.“ Wenn ein Ge­biet geo­lo­gisch interessant erscheint, beantrage das Unternehmen eine Aufsuchungserlaubnis nach § 7 Bundes­berg­gesetz (BBergG) für weitere geologische Voruntersuchungen. „Nach Erteilung der Erlaubnis sprechen wir mit der Gemeinde beziehungsweise dem Stadtwerk, sofern vorhanden, oder einem regionalen Versorgungsunternehmen und suchen Kooperationspartner für eine integrierte Wärmegewinnung und kommunale Wärmeversorgung“, berichtet Balasus-Lange. Folge der Erlaub­nis „Burgwedel“ sei die trilaterale Vereinbarung mit der Stadt Burgwedel und der ­Enercity Contrac­ting GmbH.

Die NDEWG ist nach Aussage von Balasus-Lange bei Projekten offen für reine Wärmelieferverträge und gemeinsame Gesellschaften, zum Beispiel mit einem Stadtwerk. Davon zu trennen sei jedoch die Wärmelieferung an die Kund:innen ei­nes Wärmenetzes, so Balasus-Lange. Da­ran habe die NDEWG kein Interesse, sondern überlasse dies den Fernwärmegesellschaften.

Wie hoch ist der Wärmepreis?

Entscheidend für diese ist jedoch der Preis für Wärme. Dazu kann Balasus-Lange keine pauschalen Angaben machen. Der Preis hänge sehr stark von den jeweiligen Gegebenheiten ab und auch vom Wärmeabsatz sowie der Aus­lastung.

Herbert Pohl, Geschäftsführer der Deutschen Erdwärme GmbH, nennt einen Maximalpreis von 100 Euro je Megawattstunde. Das sei der Referenzpreis für Wärme mit großen Luftwärmepumpen. „Mehr darf Wärme aus Tiefengeothermie nicht kosten.“ Freilich sei der Wärmepreis im Rahmen eines Wärmeliefervertrags zwischen dem Betreiber der Tiefengeothermieanlage und dem Fernwärmenetzbetreiber Verhandlungs­sache. Gebe es hier Einigkeit, sei die Deutsche Erd­wärme voll bei der Sache und arbeite auch im Interesse der Stadtwerke. Pohl betont, es gebe hier eine gegenseitige Abhängigkeit. Einerseits brauche sein Unternehmen eine hohe Verlässlichkeit für die Abnahme der Wärme. An­der­erseits müsse es die Wärme dann auch liefern.

Gegenseitige Abhängigkeit zwischen Stadtwerk und Dienstleister

Der Umbau der Wärmeversorgung mit Tiefengeothermie sei in einigen Kommunen ein komplementärer Pro­zess. Denn während die Deutsche Erdwärme die Tiefengeothermie erschlie­ße, sei es Aufgabe des Stadtwerks beziehungsweise der Fernwärmegesel­l­­schaft, das Wärmenetz auf- oder auszubauen.

Dagegen sei die Herausforderung, sich um beides zu kümmern, häufig zu hoch, sagt Pohl: „Das können die Stadtwerke nicht stemmen.“ Hinzu komme das fehlende Know-how: „Selbst wenn ich das Geld habe, brauche ich ein Team.“ Das könne ein Unternehmen wie die Deutsche Erdwärme mit einer größeren Zahl an Projek­ten aufbauen. Eben­so sichere das Portfolio die Risiken besser ab. Bei einem Stadtwerk, das nur ein Tiefengeothermieprojekt realisieren könne, sei ein Fehlschlag eine deutlich höhere Belastung. Sein Unternehmen könne dies durch die Erfolge in anderen Projekten besser ausgleichen. Dabei finanziert sich die Deutsche Erdwärme aus internationalen ökologisch orientierten Fonds von Kapitalanlegern.

Auch Kleine können sich an die Geothermie herantrauen

Dass auch kleine Stadtwerke sich die Tiefengeothermie erschließen können, wollen Speyer und Schifferstadt beweisen. Die Stadtwerke der beiden Kommunen haben gemeinsam die Geopfalz GmbH & Co. KG gegründet und einen Geschäftsführer mit Tiefengeo­ther­mieerfahrung eingestellt. Bergrech­te haben sie sich für das Aufsuchung­sfeld „Rhein-Pfalz“ mit einer Fläche von etwa 150 Quadratkilometern gesichert. Es umfasst Gebiete der kreisfreien Stadt Speyer, der kreisangehörigen Stadt Schif­ferstadt sowie des Landkreises Rhein-Pfalz bis zum angrenzenden Landkreis Bad Dürkheim.

Lea Gallé, Teamleiterin Wärme­wen­de bei der Arbeitsgemeinschaft für spar­same Energie- und Wasserverwendung (ASEW), sieht bei Stadtwerken die Tendenz, sich nicht in Abhängigkeiten begeben zu wollen. Daher gebe es hier durchaus das Bestreben, auch Projekte im Bereich erneuerbarer Wärme selbst zu realisieren. Das treffe vor allem auf Technologien zu, die aus Sicht der Stadt­werke nicht zu komplex seien. So sähen sie etwa Großwärmepumpen im Zusammenhang mit Fluss­wärme als beherrschbar an. Wobei die Anlagen selbst auf dem Markt eingekauft würden und hier auch der Weg über Generalunternehmer gegangen werde.

Bei Projekten, die ein Bündel an Know-how erforderten, sei es hingegen eher sinn­voll, einen erfahrenen Projekt­partner stärker einzubinden. Das könne dann neben einem reinen Wärmeliefervertrag aber auch die gemeinsame Projektgesellschaft sein. Und eine Konstellation, die durchaus auch vorkomme, sei die Kooperation mit einem größe­ren Stadtwerk. „Was wir sehen, das sind finanzstärkere Stadtwerke als Partner für kleinere“, so Gallé. Ein Beispiel sei die Rheinenergie mit ihrer Erfahrung bei Großwärme­pum­pen.

Langer Projektvorlauf

Klar sei jedenfalls, so die ASEW-Wärme­exper­tin, dass sich die Stadtwerke der­zeit vermehrt auf den Weg machten: „Viele sondieren noch und informieren sich gerade.“ Auch würden vermehrt Mach­barkeitsstudien erstellt, berichtet Gallé. Aber einige Projekte seien derzeit auch nur auf Halten gestellt. Denn der Aufbau von Wärmenetzen habe einen großen Vorlauf. Und bei einem derzeit nicht deutlich steigenden Erdgaspreis sei Wärme aus erneuerbaren Energien kein Selbstläufer.

Autor: Andreas Witt | Solarthemen Media GmbH / www.solarserver.de

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