Forschung: Hochspannungsbatterie soll Speicherverluste reduzieren
Foto: Benedikt Reichel Im Projekt KV-BATT forscht die Fachhochschule Dortmund in Zusammenarbeit mit Unternehmen und Stadtwerken an einer Hochspannungsbatterie für große Batterie-Energiespeicher-Systeme. Denn große Batterie-Energiespeicher-Systeme (BESS) benötigen hohe Stromstärken – bei gleichbleibender Spannung führt das zu immer höheren Verlusten, der Wirkungsgrad sinkt. „Daher will man in der Industrie natürlich die Spannung steigern, um mit geringeren Strömen hohe Leistungen zu liefern“, sagt Stefan Kempen, Professor für Elektrische Energietechnik bei der Fachhochschule (FH) Dortmund, die zur Hochschulallianz Ruhr gehört. „Üblicherweise ist aber bei 1.000 bis 1.500 Volt Schluss, denn das technische Regelwerk und auch Bauteile wie Isolatoren sind nicht für höhere Spannungen ausgelegt“, sagt Kempen, der das Labor für Hochspannungstechnik an der FH Dortmund leitet.
Hochspannungsbatterie erreicht Verbesserung um Faktor 10
Aber was wäre, wenn man die Spannung nicht nur schrittweise um ein paar Prozent, sondern gleich um das Zehnfache oder noch mehr steigert? Genau das wollen Kempen und Martin Kiel, Professor für Regenerative Energien und Grundlagen der Elektrotechnik an der FH Dortmund, gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Kommunen im Forschungsprojekt KV-BATT herausfinden. Durch die Entwicklung eines neuartigen Hochspannungsbatterie-Speichersystems mit vielfach höherer DC-Systemspannung sollen Verluste deutlich reduziert, die Effizienz großer Batteriespeicher gesteigert und der Wartungsaufwand verringert werden.
„Mit einer zehnfach höheren Spannung sinken die Verluste auf Systemebene um das Hundertfache – das Projekt ist daher nicht nur aus Forschungssicht interessant, sondern auch hochrelevant für die Anwendung in der Praxis“, so Kempen, der vor seiner Forschungslaufbahn selbst viele Jahre in der Energiebranche tätig war. Unternehmensinterne Entwicklungsabteilungen konzentrieren sich meist auf Vorhaben, die innerhalb der Industriestandards liegen und schon nach kurzer Zeit Umsätze generieren. Hochschulen dagegen sind freier in der Formulierung ihrer Forschungsfragen und können damit „nebenbei“ an Innovationen arbeiten, an die sich Unternehmen sonst nicht herantrauen. Ein großer Vorteil ist dabei der Zugang zu öffentlichen Fördergelder für die Wissenschaft. Firmen können sich direkt an solchen Projekten beteiligten – die Hochschule profitiert von deren Expertise, die Unternehmen erhalten Zugriff auf praxisrelevante Innovationen.
Hochschule kooperiert mit Konzernen, KMU und Stadtwerken
Das Projekt KV-BATT ist dafür ein Beispiel: Beim Aufbau der Hochspannungsbatterie zum Projektbeginn war Siemens Energy beteiligt. Für die Leistungselektronik ist die AEG Power Solutions aus Warstein mit an Bord und hat einen speziellen Mittelspannungsumrichter entwickelt, um die hohen Spannungen zu beherrschen. Netzkopplung, Microgrid und USV-System sowie ein Digitaler Zwilling gehören zu den Leistungsbestandteilen von AEG. Mit Weissgerber Engineering aus Dortmund ist auch ein mittelständisches Unternehmen involviert und unterstützt das Projekt bei Batteriemanagement, Datenverarbeitung, Diagnose- und Sensortechnik.
Und für die Realisierung eines „Reallabors“, also einer Referenzinstallation als Prototypen, sind die Gemeindewerke der Stadt Ense in NRW beteiligt. Feldstudie und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung obliegen den Ense Werken. Gefördert wird das Ganze vom Land Nordrhein-Westfalen: Das Projekt ist Teil des Landesprogramms progres.NRW-Innovation im Themenfeld Energiespeicher und erhält eine Förderung vom NRW-Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie.
Know-how-Gewinn mit hohem Praxisbezug
Im Reallabor in Ense betreibt man die Lithium-Ionen-Batteriezellen unter realen Bedingungen und analysiert ihre Alterung. Außerdem hilft die Installation dabei, weitere praxisrelevante Aspekte zu untersuchen und neue Lösungsmöglichkeiten auszutesten. Ein Beispiel dafür ist der robotergestützte Tausch defekter Batteriemodule, mit dem die Forscher:innen den hohen Wartungsaufwand konventioneller BESS reduzieren wollen. Das wiederum erlaubt den Betrieb in einem sauerstoffreduzierten Umfeld im Batteriespeicher und soll die Brandsicherheit erhöhen. Damit ergeben sich eine ganze Reihe von Zielen für KV-BATT:
- Simulation eines Betriebs im Jahreszyklus, die Daten eines realen Energiesystems nachfährt.
- Der Speicher soll sowohl mit 0,1 C bis 1 C belastet und geladen werden.
- Ermöglichung eines automatischen Batteriemodul- oder Makrozellentauschs anhand der Trendanalyse und Vermessung diverser Zelleigenschaften.
- Batteriesystem zwei verschiedenen Subsystemtopologien.
- Die DC-Systemspannung soll zwischen 6 kV und 13 kV liegen. Auslegung der Isolationskoordination für 13 kV.
- Alle Speicher-Subsysteme erhalten eine Schutzbeschaltung.
- Betrieb des Systems in einer sauerstofffreien Atmosphäre.
Die Auflistung zeigt: Grundlagenforschung bedeutet keineswegs mangelnden Praxisbezug. „Unser Hauptprodukt ist die Erkenntnis – wir entwickeln keine Produkte“, sagt Martin Kiel. „Aber Forschungs- und Entwicklungsprozess hängen eng zusammen und bestärken sich gegenseitig, daher sind wir im beständigen Austausch sowohl zu konkreten Aspekten im Projekt als auch über unseren Industriebeirat“. Die beteiligten Firmen profitieren fortlaufend von dieser Zusammenarbeit und dem gewonnenen Know-how zur Hochspannungsbatterie. Die Nutzungsrechte regelt ein Kooperationsvertrag.
Mehr zum Thema Batterieforschung
- BAM legt Studie zur Sicherheit von Natrium-Ionen-Batterien vor
- Grundsteinlegung für Forschungsfertigung Batteriezelle in Münster
- Neue Forschungsgruppe für Photobatterien
- Johannes Weniger (HTW): Effizienz der Batteriespeicher bleibt wichtig
- TU Graz: Wie sicher sind Batterien?
Quelle: Hochschulallianz Ruhr | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH