Deutsche Umwelthilfe verklagt DIHK wegen „Propaganda gegen die Umwelt“

Erstmals zieht eine Umweltschutzorganisation gegen die „anti-ökologische Politik“ des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) vor Gericht. Mit ihrer am 23.11.2005 beim Verwaltungsgericht Berlin eingereichten Unterlassungsklage will die mit der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) verbundene DUH Umweltschutz-Service GmbH die Verbreitung des DIHK-Positionspapiers „Für einen Strategiewechsel in der Umweltpolitik“ stoppen.  Die DUH Umweltschutz-Service GmbH ist Zwangsmitglied in […]

Erstmals zieht eine Umweltschutzorganisation gegen die „anti-ökologische Politik“ des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) vor Gericht. Mit ihrer am 23.11.2005 beim Verwaltungsgericht Berlin eingereichten Unterlassungsklage will die mit der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) verbundene DUH Umweltschutz-Service GmbH die Verbreitung des DIHK-Positionspapiers „Für einen Strategiewechsel in der Umweltpolitik“ stoppen.  Die DUH Umweltschutz-Service GmbH ist Zwangsmitglied in der IHK Hochrhein-Bodensee. „Wir werden nicht länger tatenlos hinnehmen, dass der DIHK mit Pamphleten aus der umweltpolitischen Steinzeit Propaganda gegen jeden Fortschritt in der Umweltpolitik betreibt und das auch noch mit den Kammerbeiträgen der im Umweltschutz tätigen Unternehmen und Verbände finanziert“, begründet DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch die Klage. Das erstmals in der heißen Wahlkampfphase veröffentlichte DIHK-Papier nannte Resch „eindeutig rechtswidrig.“

Auf sieben eng bedruckten Seiten mit dem Untertitel „Erwartungen der Wirtschaft an die künftige Bundesregierung“ habe der DIHK vor der Bundestagswahl eine radikale Kehrtwende in der Umweltpolitik gefordert und damit einen empörten Aufschrei bei der zunehmenden Zahl von Unternehmen ausgelöst, die von einer deutschen Vorreiterrolle im Umweltschutz profitieren, heißt es in der DUH-Pressemitteilung. Gleichzeitig sei wegen des einseitigen Strategiepapiers die Diskussion über die Zwangsbeiträge aller Gewerbetreibenden an die Industrie- und Handelskammern und den DIHK so heftig wie selten zuvor aufgeflammt.

„Einseitige Parteinahme zu Lasten der im Umweltschutz tätigen Unternehmen“

Die DUH Umweltschutz-Service GmbH sieht sich von dem DIHK-Papier in besonderer Weise betroffen, weil sie gleich auf mehreren Feldern tätig ist, die in dem Forderungskatalog angesprochen sind. Nach Überzeugung des Berliner DUH-Anwalts Remo Klinger verstößt das Strategiepapier sowohl gegen den Wortlaut der DIHK-Satzung, wonach der Verband ausdrücklich das „Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft“ zur Geltung bringen muss, als auch gegen den dem DIHK gesetzlich übertragenen Auftrag. Als Dachorganisation der 81 deutschen Industrie- und Handelskammern sei der DIHK an die im IHK-Gesetz festgeschriebene Abwägungs- und Ausgleichspflicht gebunden, so die DUH. Nach Paragraph 1 dieses Gesetzes haben die Industrie- und Handelskammern „das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden … wahrzunehmen … und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder -betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen“, zitiert die DUH. Einseitige politische Stellungnahmen seien dem DIHK untersagt. Klinger: „Das Positionspapier des DIHK zur Umweltpolitik läuft diesen Grundsätzen diametral zuwider. Die einseitige Parteinahme zu Lasten der im Umweltschutz tätigen Unternehmen ist völlig inakzeptabel. Das Papier stellt einen offensichtlichen Verstoß gegen die Pflicht zur ausgleichenden und abwägenden Berücksichtigung der Interessen aller Kammermitglieder dar. Es ist richtig und notwendig, dass sich die Betroffenen zur Wehr setzen.“

Völlig einseitige Darstellung lässt Chancen ökologischer Zukunftstechnologien konsequent außer Acht

In dem Papier mit insgesamt 20 Forderungskomplexen habe der DIHK praktisch alle Fortschritte in der Umweltpolitik der vergangenen Jahrzehnte in Frage gestellt, jede Vorreiterrolle des Technologiestandortes Deutschland im Umweltschutz als schädlich abgelehnt, den Verzicht auf die geltenden nationalen Klimaschutzziele gepredigt und die Aufhebung der Tagesgrenzwerte beim Feinstaub verlangt, rügt die DUH. Der künftigen Regierung sei ein neuer Ressortzuschnitt empfohlen worden, der die Zerschlagung des Bundesumweltministeriums bedeutet hätte. Die Möglichkeiten von Verbandsklagen im Umweltschutz sollten gegen Null zurückgedrängt werden. Insgesamt, heißt es in der DUH-Klageschrift „erschöpft sich das Papier in einer völlig einseitigen Darstellung“, die die mit der Ausbreitung ökologischer Zukunftstechnologien verbundenen Chancen konsequent außer Acht lasse. Rechtswidrig ist nach Überzeugung der DUH auch die Tatsache, dass die Unternehmen und Verbände der betroffenen Umweltbranche in keiner Weise an der Vorbereitung des Strategiepapiers beteiligt worden war.

Ziel der Klage sei es, den DIHK zur Rücknahme des Papiers zu veranlassen und für die Zukunft „eine aktive Ausgrenzungspolitik dieser öffentlich-rechtlichen Körperschaft gegenüber der dynamischen Umweltbranche und zugunsten der DIHK-Traditionsmitglieder zu verhindern“, sagte Resch. Die DUH rief alle Unternehmen und Verbände der Umweltbranche auf zu überprüfen, ob sie von den Vorstellungen desDIHK-Positionspapiers tangiert sind und gegebenenfalls entsprechende Schritte einzuleiten. Zahlreiche Unternehmen hätten bereits ihre Bereitschaft signalisiert, die DUH-Klage zu unterstützen.

24.11.2005   Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V.   Solarserver.de   © EEM Energy & Environment Media GmbH

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