Batteriebranche gerät ins „Schwärmen“

Solarthemen 450.War der Photovoltaik-Eigenverbrauch bislang das große Thema für die Hausspeicher-Branche, so elektrisierte auf der diesjährigen Intersolar-Schwestermesse ees plötzlich das Schlag­wort von den Schwarmspeichern. Perspektivisch werden auch die kleinen Haushaltsbatteriespeicher, die heute zwecks höheren Strom-Eigenverbrauchs aus Photovoltaikanlagen angeschafft werden, nicht mehr nur diesen einen Betriebsmodus kennen. Der gemeinschaftliche Verkauf von Regelenergie im Verbund – oder „Schwarm“ – mit vielen anderen dieser kleinen Einheiten soll zum zweiten finan­ziel­len Stand­bein werden.

Als breit aufgestellt in diesem Bereich gilt der Ökostromanbieter Lichtblick, der bereits vor genau einem Jahr auf der Intersolar 2014 in Verbindung mit den Stromspeicheranbietern Varta und Sonnenbatterie deren Kunden einen Deal angeboten hat: 100 Euro extra erhalten diese pro Jahr, wenn sie ihren Hausspeicher von Lichtblick überwachen und zunächst als Gruppe – respektive Schwarm – virtuell am Regelenergiemarkt teilnehmen lassen. Der Hamburger Versorger tüftelt an einem Modell, mit dem Besitzer von ferngesteuerten Hausspeichern künftig zusammen mit BHKW-Betreibern und sogar Elektromobilisten tatsächlich an Gewinnen auf dem Strommarkt beteiligt werden können. Neben Sonnenbatterie und Varta hat Lichtblick vor einem Monat auch mit dem US-amerikanischen Auto- und bald Speicherhersteller Tesla eine ähnliche Vertriebspartnerschaft gestartet (vgl. Solarthemen 448). Und pünktlich zur Intersolar sowie der angedockten Schwestermesse ees hat Lichtblick nun auch eine vierte Entwicklungskooperation mit dem Wechselrichter- und Speicherhersteller SMA bekannt gegeben, bei der am Schwarmspeicherthema gearbeitet wird. Virtuelle Test-Schwärme Beide Unternehmen kooperieren schon länger, beispielsweise in dem Projekt INEES, das in einem Feldtest mit Unterstützung der Bundesregierung untersucht, wie sich eine Flotte von 20 Elektroautos in Berlin nebenbei als virtueller Stromspeicher bewährt. Interessant daran aus Sicht von Lichtblick: SMA erfasst über sein Sunny-Portal nach eigenen Angaben Daten von weltweit fast 200000 Photovoltaikanlagen. Und nicht nur das: Auch tausende Speicher, bei denen die Kasseler ebenfalls zu den führenden Anbietern gehören, liefern ihre Daten bereitwillig an das Internet-Portal. Wie ein virtueller „Schwarm“ der Eigenverbrauchs-Optimierer tickt, weiß man also in Kassel schon heute recht gut. Auch Wetterprognose-Daten werden bereits heute zwecks Eigenverbrauchs-Optimierung vom SMA-Gerät Sunny-Home-Manager verarbeitet. Ähnliches kann auch von der Solare Datensysteme GmbH gesagt werden, dem Hersteller des wechselrichterunabhängigen Konkurrenzproduktes Solar-Log. Laut Geschäftsführer Frank Schlichting werden weltweit 227000 Photovoltaikanlagen mit und ohne Batteriespeicher von Solar-Log-Geräten überwacht. „188000 dieser Anlagen sind mit einem unserer Internetportale verbunden“, berichtet Schlichting. Und er erklärt: Wenn ein Versorger beziehungsweise Direktvermarkter über eine API-Schnittstelle verfüge, könnten moderne PV-Datenlogger an Batterie-PV-Anlagen ohne weiteres in virtuelle Batterie-Schwärme eingebunden werden. Was bislang allen Schwarm-Aspiranten fehlt, ist allerdings eine Präqualifikation der Übertragungsnetzbetreiber für den heute von Pumpspeicher- und Großkraftwerken dominierten Regelenergiemarkt. Lichtblick immerhin konnte jüngst sein Schwarmkraftwerk aus knapp 1000 Blockheizkraftwerken für den Regelenergiemarkt präqualifizieren lassen. Unternehmenssprecher Ralph Kampwirth geht davon aus, das die Wiederholung der Prozedur für ein Netz von Speichern nur eine vergleichsweis geringe Hürde bedeutet. Mit dem Schwarm erweitere sich für den Einfamilienhausbesitzer auch die wirtschaftliche Perspektive eines PV-Speichers, betont Volker Wachenfeld, Speicher- und Energiemanagement-Experte bei SMA: „Unsere Speicherkunden haben durch die Lichtblick-Kooperation die Sicherheit, dass sie eine weitere Möglichkeit bekommen, diesen Speicher zu amortisieren.“ Belebung für den PV-Markt? Wachenfelds Chef, SMA-Technologievorstand Jürgen Reinert, verspricht sich von der Schwarmspeicheridee übrigens auch eine Rückwirkung auf den in Deutschland lahmenden PV-Markt. „Damit wird der Photovoltaikmarkt wieder attraktiver.“ Und Reinert betont allgemein: „Wir wollen ganz bewusst strategische Partnerschaften eingehen.“ Sprich: der einst marktbeherrschende, in den vergangenen Jahren aber defizitäre Wechselrichter-Riese, dem in Blütezeiten ein Hang zu technischen Alleingängen nachgesagt wurde, setzt verstärkt auf Kooperation. Deutlich andere Akzente setzt die Deutsche Energieversorgung GmbH, Hersteller der Speichermarke Senec.IES. Das Unternehmen sammelt, wie Varta und Sonnenbatterie, seit einem Jahr Unterschriften von Kunden, die bereit sind, perspektivisch ihren Speicher für die Teilnahme am Regelenergiemarkt zur Verfügung zu stellen. Beim firmeneigenen Netzwerk Econamic Grid soll mit Naturalien bezahlt werden – mit kostenlosen Stromlieferungen. Immer dann, wenn die Börsenstrompreise negativ sind, sollen die mitwirkenden Senec-Kunden Strom geschenkt bekommen. Senec wirbt dabei wesentlich offensiver für sein Angebot als die Konkurrenz, die bislang den begrenzten Experimentalcharakter des Lichtblick-Feldtests betont. Zur Intersolar/ees wirbt das Unternehmen in einer zeitlich begrenzten Aktion gar damit, man bekomme beim Kauf eines Senec-Solarspeichers den Speicher allnächtlich kostenlos randvoll geladen. So geschah es laut Senec-Marketingleiter Matthias Benz erstmals versuchsweise Anfang Juni bei 50 privaten Speicherkunden. Die Zahl der Teilnehmer am Econamic Grid sei aber weitaus höher, berichtet Benz: „Die allermeisten unserer Kunden erklären sich zur Teilnahme bereit.“ Dies offenbar, obwohl die Voraussetzung dieses Deals einerseits der Kauf einer speziellen zusätzlichen Anschluss- und Abrechnungseinheit ist, die mit Einbau und Mehrwertsteuer durchaus 1000 Euro kosten kann. Zum anderen wird von der Deutsche Energieversorgung GmbH eine Grundgebühr von 8 Euro pro Jahr und Kilowattstunde Speicherkapazität erhoben. Außerdem ist der Anspruch auf nächtliche Speicherfüllung auf 150 Tage im Jahr begrenzt, wie man den Geschäftsbedingungen entnehmen kann. Ob dies Tage mit viel oder wenig Solarstromertrag sind, bleibt darin offen. Ganz kostenlos ist das Geschenk also nicht. „Ja, der Kunde muss in Vorleistung gehen, um zu profitierten“, bestätigt Benz. Ganz anders bei dem Modell, dass der Nürnberger Energieversorger N-Ergie zusammen mit dem Start Up Caterva im Rahmen eines Feldversuchs 75 Photovolataikanlagenbetreibern anbietet (vgl Solarthemen 448). Installiert wird ein relativ großer Speicher mit 20 kW Leistung sowie 20 kWh Kapazität, der im Eigentum das Energieversorgers verbleibt und von diesem gesteuert wird, um mit der gebündelten Liistung dieses Speicherschwarms am Regelenergiemarkt teilzunehmen. Der Benefit für den Kunden: Er zahlt für den Speicher nichts, kann mit ihm aber seinen PV-Eigenverbrauch optimieren. Mindestens 20-kW-Leistung haben auch die Speicher, die das württembergische IT-Unternehmen ads-tec seit 2009 vor allem an Industriekunden und Energieversorger verkauft. Die Geräte seien stets schon auf der Hardware-Seite mit einem Schlüssel für eine sichere VPN-Verbindung ausgestattet, sagt Geschäftsführer Thomas Speidel: „Wir können eine komplette Schwarmplattform zur Verfügung stellen, wir sind allerdings nicht der Schwarmbetreiber. Wir mischen uns nicht in das Geschäftsfeld unserer Kunden ein,“ betont Speidel. Energieversorger sieht auch Franz-Josef Feilmeier Geschäftsführer der 2011 gegründeten Fenecon GmbH & Co. KG als Partner im Speichermarkt. Fenecon agiert als deutsche Vertretung des chinesischen Speicherherstellers BYD. Auch Fenecon habe seine Speicher bislang vor allem für die Eigenverbrauchs-Optimierung verkauft, gibt Feilmeier zu. Sein Augenmerk gelte allerdings vor allem einer hohen Be- und Entladeleistung, merkt er an. Nur damit seien die Betreiber für künftige Geschäftsfelder wirklich gut gerüstet: „Wir verkaufen doch heute Speicher, die bis 2035 laufen sollen!“. Abwarten und lernen So sieht das auch IBC-Speicherexperte Sebastian Geier. Zwar halte sich IBC mit seiner über 30-jährigen PV-Speicher-Erfahrung beim Hype-Thema Schwarmspeicher bewusst zurück: „Wir warten erstmal ab bis sich der Markt entwickelt hat und sich die richtigen Player herausgebildet haben.“ Das Thema werde allerdings im Hintergrund intensiv betrieben: Selbst der auf der Intersolar vorgestellte neue DC-Speicher sei „schwarmfähig“, sagt Gei­er. Für gleichstromseitige Systeme ist das nicht selbstverständlich. Sollen die Speicher-Schwärme wirklich das Fliegen lernen, ist allerdings auch die Politik gefragt. Bislang kommen sie im Energiewirtschaftsgesetz nicht vor und werden deshalb zu bloßen Stromverbrauchern degradiert. Dies müsse sich in der anstehenden Novelle dringend ändern, sagt Lichtblick-Chef Heiko von Tschischwitz: „Das Prinzip ist einfach: Stabilisiert die Batterie das Netz, fallen wie bei Pumpspeicherkraftwerken keine Netzentgelte an. Nutzt der Verbraucher den gespeicherten Strom zum Fahren oder in seinem Zuhause, zahlt er natürlich wie gewohnt alle Zusatzkosten“. In der digitalen Energiewelt sei der Unterschied problemlos zu messen. Text: Guido Bröer, Foto: Solar Promotion GmbH

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