Forscher diskutieren Chancen und Grenzen thermochemischer Speicher; Kapazität hängt stark von Randbedingungen der Anwendung ab

Ende Juni 2015 präsentierte das Bayerische Zentrum für Angewandte Energieforschung (ZAE Bayern) in dem Workshop „Chancen und Grenzen thermochemischer Speicherung“ in Garching die Ergebnisse des vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekts „Labor für thermochemische Speichermaterialien“.

Die Garchinger Forscher charakterisieren Speichermaterialien. Sie untersuchen sowohl Ad- und Absorptionssysteme als auch chemische Reaktionen und testen aussichtsreiche Stoffpaare unter Anwendungsbedingungen.
Ihre Versuche zeigen, wie sehr die spezifische Speicherkapazität thermochemischer Speicher von den Randbedingungen der konkreten Anwendung abhängt: Nicht nur die zur Verfügung stehende Ladetemperatur und die benötigte Entladetemperatur, sondern auch die Umgebungsbedingungen während der Lade- und Entladephase beeinflussen die Energiespeicherdichte.

Literaturwerte auf dem Prüfstand; Materialeigenschaften sagen nichts über Leistungsfähigkeit eines Speichersystems
In einem Teilprojekt überprüften die Wissenschaftler in der Literatur angegebene Werte für Speicher. Fabian Fischer stellte zum Beispiel einen Zeolith-Wasser-Speicher zur saisonalen Speicherung solarthermischer Wärme vor. Dieser erreichte unter den von den Autoren benannten Bedingungen lediglich die Hälfte der maximalen Speicherkapazität. Bei einem Absorptionsspeicher mit Lithium-Bromid wurden die angegebenen Lade- und Entladetemperaturen sowie die Temperaturen im Kondensator und Verdampfer nur um rund 5 Kelvin verändert. Danach konnte in den Versuchen nahezu keine Speicherkapazität mehr gemessen werden.
Beide Beispiele belegten, wie wichtig eine Evaluierung von geeigneten Stoffpaaren unter den konkreten Bedingungen der geplanten Anwendung sei, betonen die Forscher. Die Materialeigenschaften alleine könnten noch keine belastbaren Informationen über die mögliche Leistungsfähigkeit des Speichersystems geben.

Hohe Zyklenzahl macht Speicher wirtschaftlich
Außerdem standen Forschungsarbeiten zur Wirtschaftlichkeit thermischer Speichersysteme im Mittelpunkt der Diskussion. In einem ersten Ansatz berechneten die Wissenschaftler die maximal akzeptablen Speicherkosten bezogen auf die Speicherkapazität. Je nach ökonomischen Zielgruppen unterschieden sich die Annahmen für die Amortisationszeiten und Kapitalverzinsung.
Eindeutig sei jedoch der Zusammenhang mit der tatsächlichen Zyklenzahl des Speichers: So lägen zum Beispiel die annehmbaren Kosten für einen saisonalen Speicher mit einem Zyklus pro Jahr bei etwa 1 Euro pro kWh Speicherkapazität. Für einen Speicher mit drei Zyklen pro Tag, etwa im industriellen Bereich, seien rund 500 Euro/kWh akzeptabel. Deshalb seien für thermochemische Speicher Anwendungen mit hohen Zyklenzahlen besonders aussichtsreich.

Thermochemische Solar-Speicher für Gebäude
Ob sich thermochemische Systeme als Solar-Speicher im Einfamilienhaus effizient einsetzen lassen, blieb offen. Angesichts der deutlich reduzierten Energiespeicherdichte in der konkreten Anwendung und der wirtschaftlichen Herausforderungen bei saisonaler Speicherung sahen die meisten Teilnehmer die Potenziale eher skeptisch.
Dr. Andreas Hauer, Bereichsleiter „Energiespeicherung“ am ZAE Bayern: „Die saisonale Wärmespeicherung ist sicher die Königsdisziplin der thermischen Energiespeicherung, allerdings lassen die wirtschaftlichen Implikationen nur extrem kostengünstige Speichertechnologien zu.“
Er verwies auf die großen Warmwasserspeicher in Dänemark, die mit spezifischen Kosten von unter 0,4 Euro pro kWh installierter Speicherkapazität mindestens um das Hundertfache günstiger seien als thermochemische Speichersysteme.
Dr. Henner Kerskes vom Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik der Universität Stuttgart (ITW) sieht dennoch Einsatzmöglichkeiten thermochemischer Speicher: „Sorptionsspeicher können sinnvoll sein, wenn ein hoher solarer Deckungsanteil vorrangiges Ziel ist und nicht genügend Raum zur Verfügung steht“.
Das ITW entwickelt mit der SchwörerHaus KG derzeit im Projekt SolSpaces ein solares Heizsystem, das mit einem Langzeit-Sorptionswärmespeicher eine nicht fossile Wärmeversorgung ermöglichen soll.

15.07.2015 | Quelle: BINE Informationsdienst; Foto: ZAE Bayern | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

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