Matthias Sandrock in Interview: Solarthermie lohnt sich

Dr. Matthias Sandrock, Dezember 2014. Foto / © Sabine Vielmo Nutzungsrechte Bildmaterial nach Vereinbarung.
Dr. Matthias Sandrock ist Partner des Hamburg Instituts. Zuvor hat er sich als Referatsleiter in der Landesverwaltung von Hamburg mit kommunaler Energiepolitik und erneuerbaren Energien befasst. Zurzeit arbeitet er auch im Rahmen von Forschungsprojekten an der Integration von Solarwärme in die Fernwärmeversorung. Wir sprachen mit ihm über die KWK-Gesetzes-Novelle.

Solarthemen: Die KWK soll verstärkt gefördert werden. Sie sehen hier eine Gefahr für die Solarthermie. Warum?

Matthias Sandrock: Man muss darauf achten, dass die weitere Entwicklung der Kraft-Wärme-Kopplung nicht kollidiert mit der Notwendigkeit, mehr erneuerbare Energie in das Energiesystem zu integrieren. Man schaut bei der KWK vor allem auf die Kraft-, also die Stromproduktion. Wir dürfen aber auch die Wärme nicht außer Acht lassen und da gibt es Technologien wie die Solarthermie, die besonders geeignet sind, erneuerbare Energien sehr kosteneffizient in das Energiesystem zu integrieren. Die anstehende KWK-Gesetzes-Novelle sollte Rücksicht darauf nehmen, dass beide Technologien, also die KWK und die Erneuerbaren, im Markt bestehen können.

Auch bislang wird die KWK gefördert. Warum befürchten Sie mit der Novelle stärkere Nachteile für die Solarthermie?

Die KWK war in den letzten 15 bis 20 Jahren für die Energieversorger ein sehr auskömmliches Geschäftsmodell mit attraktiven Erlösen durch den KWK-Strom. Dieses Modell gerät in den letzten 5 Jahren ziemlich ins Wanken, weil wir deutlich mehr Strom aus Erneuerbare-Energien-Anlagen haben und dadurch die Börsenstrompreise stark gefallen sind. Dadurch lohnt sich der Betrieb von KWK-Anlagen insbesondere im Sommer oft nicht mehr, wenn die Photovoltaik große Mengen Strom liefert. Und vor diesem Hintergrund haben die Energiewirtschaft und die Kommunen darauf hingewirkt, dass mit der KWK-Gesetzes-Novelle mehr Geld für die KWK bereitgestellt wird. Ich habe die Sorge, dass mit einer deutlich erhöhten KWK-Zulage die derzeit bestehende Offenheit gegenüber den möglichen Alternativen einer Wärmeerzeugung auf Basis erneuerbarer Energien wieder erlischt.

Schwankende Börsenstrompreise auf teils sehr niedrigem Niveau gab es auch in den vergangenen Jahren. Das ist für KWK-Anlagen ein Nachteil. Ist denn zu befürchten, dass mit einer höheren KWK-Förderung diese Anlagen durchlaufen und alternative Wärmequellen so keine Chance bekommen?

Das hängt davon ab, wie hoch die KWK-Zulage mit der Gesetzesnovelle tatsächlich werden soll. Das wissen wir noch nicht. Es gibt dazu nur ein Gutachten, das im letzten Jahr veröffentlicht wurde, und zeigen soll, mit welcher Zulagenhöhe die KWK wirtschaftlich wäre. Wenn die KWK über hohe Zulagen so stark subventioniert wird, dass der Betrieb der Anlagen auch im Sommer für die Fernwärmeversorger – trotz niedriger Börsenstrompreise und niedrigen Wärmebedarfs –hohe Renditen abwirft, sind die Chancen für die Markteinführung der solaren Fernwärme wieder vertan.

Es wird eine Sommerpause für KWK gefordert. Aber ist das nicht eine zu starre Forderung? Es kann ja auch sein, dass es rein technisch mit der Solarthermie nicht funktioniert und sei es nur, weil die Flächen fehlen.

Es geht um eine Weichenstellung für die Zukunft. Die Sommerpause soll nicht sofort gelten, sondern erst einige Zeit nach Inkrafttreten des neuen KWK-Gesetzes. Es wird also noch eine gewisse Zeit vergehen. Und dann soll es ja nur für neue Investitionen in Anlagen für Wärmenetze gelten. Es geht also darum, jetzt in die Zukunft zu blicken. Die Entwicklung im Strommarkt ist unsicher. Das könnte aber auch eine Chance bieten für Energieversorger, für Stadtwerke, sich mit der Solarthermie zu befassen. Die Fernwärmebranche sieht die KWK als Rückgrat ihrer Erzeugung. Für die letzten Jahre trifft das ja auch zu. Aber damit befindet sie sich gewissermaßen in einer gedanklichen Isolationshaft. Die Energiewelt ändert sich drastisch. Wenn sie nur in KWK investieren im Glauben, dieses Geschäftsmodell würde auf Dauer tragen, dann befasst man sich nicht mit anderen Optionen. Und das wäre falsch.

Ist denn die Sommerpause die einzige Option oder können Sie sich andere Möglichkeiten vorstellen, um einen flexiblen Betrieb von KWK-Anlagen und damit die Installation von solarthermischen Anlagen zu befördern?

Es ist auf jeden Fall richtig, dass der Betrieb von KWK-Anlagen stärker an den Strommarkt gekoppelt werden sollte und hier eine Flexibilisierung stattfinden muss. Dies ist aber unabhängig von der Sommerpause zu sehen. Das Heizperiodenmodell wäre davon unabhängig umsetzbar Und: die Sommerpause verbessert auch die Flexibilität, denn wenn die KWK-Anlagen die sommerliche Wärmelast abdecken müssen, sind sie gerade nicht mehr flexibel für die Deckung der Residuallast. Das und der Blick nach Dänemark, wo dies schon seit zehn Jahren der Fall ist, zeigt, dass es möglich ist, die KWK-Fahrweise wesentlich stärker am Strom- als am Wärmemarkt zu orientieren, parallel zum rasanten Ausbau der solaren Fernwärme.

Zum Beispiel Stadtwerke haben vermehrt große Wärmespeicher installiert, um KWK-Anlagen flexibler fahren zu können. Ist das nicht die eigentliche Konkurrenz für die Solarthermie?

Im Gegenteil: wenn ein Wärmespeicher da ist, dann ist er nicht nur für eine Erzeugungsanlage zugänglich. Er ist ein zentrales Element im Wärmesystem, das mit Sicherheit sinnvoll ist. Die Betreiber haben diese Speicher ja auch nicht aufgebaut, weil sie sie toll finden, sondern weil man damit Geld verdienen kann, wenn man die Last von der Erzeugung entkoppelt. Und das ist übrigens keine neue Idee. Das gab es schon in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts.

Wenn man über den Einsatz großer solarthermischer Anlagen in Wärmenetzen redet, um welche Flächen und um welche Kosten geht es dann dabei?

Die Anlagen sind dann besonders kosteneffizient, wenn sie groß sind und wenn sie frei in der Fläche aufgestellt werden können. Dann ist der Montageaufwand deutlich geringer. Und wenn man in den Bereich von 5000, 10000 oder sogar 20000 Quadratmeter Kollektorfläche hineinkommt, dann sind das die Anlagen, die auch einem Energieversorger Spaß machen können, weil sie Wärme sehr kosteneffizient bereitstellen können. Die Technologie funktioniert, sie ist auch nicht besonders kompliziert.

Und mit welchen Wärmepreisen kann man dann rechnen?

Wenn eine große Solarwärmeanlage in ein Wärmenetz einspeist, das von den Temperaturen her einigermaßen geeignet ist – wobei es kaum technische Restriktionen gibt, dann kommen Sie hier in Deutschland auf Größenordnungen von 3 bis 5 Cent je Kilowattstunde. Das gilt zum Beispiel für eine 10000 Quadratmeter große Anlage, die 80 Prozent des sommerlichen Wärmebedarfs abdeckt. Wenn man mehr abdecken will, wird es natürlich ein wenig teurer. Und auch mit einem saisonalen Speicher wird es noch einmal teurer. In jedem Fall sind es aber attraktive Kosten gegenüber einer fossilen Wärmeerzeugung. Und die Preise sind stabil und nicht von Preissteigerungen am Markt abhängig.

Auch viele Solarexperten werden bei der Solarthermie deutlich höhere Kosten im Kopf haben. Kommen wir auf die eben genannten geringen Preise nur durch den großflächigen Einsatz?

Ja, groß und einfach – das ist das Thema. Wenn ein Handwerksbetrieb, eine vielleicht 5 Quadratmeter große Solarthermie-Anlage für ein Einfamilienhaus installiert, dann ist der drei Tage damit beschäftigt. Und bei den Freiflächenanlagen installieren die Unternehmen 1000 Quadratmeter am Tag. Das ist eine ganz andere Größenordnung, die sich in deutlich niedrigeren Wärmepreisen niederschlägt.

Sie sprachen von 10000 Quadratmetern Kollektorfläche. Der gesamte Flächenbedarf ist sicher höher.

Man kann da mit einem Faktor von 2 bis 3 rechnen, um auf die benötigte Grundstücksgröße zu kommen.

Wo findet man solche Flächen in den Kommunen?

Das Flächenproblem ist eines, das man lösen muss mit den Stakeholdern vor Ort. Man muss nach solchen Flächen suchen. Gibt es alte Deponien, Flächen unter Hochspannungsleitungen, nicht bebaubare Flächen, Flächen mit Altlasten oder noch andere Flächen? Und man kann eine solche Solarthermie-Großanlage durchaus ein paar Kilometer entfernt vom Wärmenetz installieren. Es erhöht die Kosten nicht so stark, wenn man eine Fläche ein paar Kilometer außerhalb nutzen kann. Und auch wenn man über Ackerflächen nachdenkt, muss man sehen, dass der Energieertrag einer Solarthermie-Anlage deutlich höher ist als etwa beim Anbau von Mais für Biogasanlagen. Man erreicht hier einen 40- bis 50-fach höheren Faktor. Und zudem lässt sich bei entsprechender Planung und Ausführung durch die extensive Landnutzung durch die Solaranlage sogar gegenüber einer Ackerfläche eine ökologische Aufwertung erreichen.

Flächen lassen sich also finden, der Wärmepreis ist niedrig. Wo sind dann die Hürden für den Einsatz der Solarthermie?

Zum einen sind die Energieversorger derzeit sehr zurückhaltend mit ihren Investitionen. Die Stadtwerke haben auf KWK – auch mit Gas – gesetzt. Damit sind sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen. Von daher sind sie jetzt sehr zurückhaltend. Und natürlich soll die KWK-Anlage, die man errichtet hat, möglichst lange laufen und nicht durch andere Energiequellen verdrängt werden. Wobei auch jetzt schon viele Stadtwerke im Sommer die Heizkessel anwerfen, um die Wärmeversorgung sicherzustellen, weil der Betrieb der KWK-Anlage sich nicht lohnt. Und zum anderen kennen viele Entscheider die Solarthermie auch vom eigenen Hausdach und übertragen ihre persönlichen Erfahrungen mit Kosten und Aufwand auf die große Solarthermie, die man eigentlich nicht kennt. Da besteht ein großes Informationsdefizit.

Interview: Andreas Witt
Foto: Hamburg Institut

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