Interview mit Dirk Uwe Sauer: Förderung hilft der Speicher-Entwicklung

Solarthemen 468.Dirk Uwe Sauer ist Professor an der RWTH Aachen und hat den Lehrstuhl für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechniken. Er befasst sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit Batteriespeicher und leitet die an der RWTH angesiedelte Begleitforschung zum Speicherförderprogramm des Bundes. Die Solarthemen sprachen mit ihm über den Sinn und die Ergebnisse des Förderprogramms.

Solarthemen: Die erste Phase des Speicherförderprogramms wurde Ende Dezember abgeschlossen. Was ist Ihr Fazit?

Dirk Uwe Sauer: Wir sehen, dass sich das Programm positiv entwickelt hat. In der Summe haben wir nach den drei Jahren 30000 installierte Speichersysteme, von denen etwa die Hälfte gefördert wurde. Es gibt also jenseits der Förderung einen Markt. Die Preise sind deutlich heruntergegangen. Wir haben fast eine Halbierung der Kosten von Lithium-Ionen-Batterien. Es hat auch eine deutliche Marktverschiebung von Blei- in Richtung Lithium-Ionen-Batterien gegeben. Und, ich denke, wir haben mit dem Förderprogramm auch Standards vorbereitet, damit die Photovoltaik insgesamt netzverträglicher wird. Denn durch die Speichersysteme werden die Lastspitzen deutlich gekappt und dies, wenn es gut gemanagt ist, auch ohne Verlust von Energie. Das wird dem Ausbau der Photovoltaik sehr gut tun und die Netzaufnahmekapazität auch ohne teuren Netzausbau deutlich erhöhen.

Wenn man sich den Beginn des Programms und das Ende nach drei Jahren anschaut, gibt es da aus Ihrer Sicht signifikante Unterschiede?

Wir haben eine deutliche Professionalisierung der Anbieter gesehen. Als das Programm losging, da haben die Hersteller eine kleine Anzahl an Speichern im zwei- bis dreistelligen Bereich verkauft. Heute verkaufen die größeren Hersteller eine höhere vierstellige Anzahl an Systemen. Das Programm hat deutlich etwas vorangebracht.

Hat es schon genug gebracht?

Es sind bei weitem noch nicht alle Systeme von den Gesamtwirkungsgraden und Eigenverbrauchsverlusten dort, wo sie sein sollten. Hier fühle ich mich zum Teil an den Beginn der Photovoltaik erinnert, wo die Hersteller erst durch intensive Begleitung und das Monitoring in Richtung von Hochqualitätssystemen gepuscht wurden. Das steht in der Breite noch an. Wir sehen aber ein intensives Bemühen der Anbieter, ihren Kunden gute Systeme zu liefern. Immerhin haben wir jetzt Standard-Produkte auf dem Markt und eine Reihe von etablierten Herstellern. Und neue Anbieter drängen in den Markt, wie Energieversorger und Automobilhersteller. Letztere kaufen Batteriezellen zu sehr günstigen Konditionen ein und nutzen für die Weiterverarbeitung ihre Modulpro­duktions- technik, um ihre eigenen Systeme zusätzlich in den Markt einzubringen. Das wird zu einer Qualitätssteigerung und zusätzlich zu einer Kostensenkung führen. Das wird den Markt 2016 noch einmal deutlich beleben, für die bisherigen Anbieter aber auch eine Herausforderung darstellen.

Wo sehen Sie wesentliche technologische Entwicklungsschritte?

Die Technologie ist sowieso nicht schlecht. Es geht in erster Linie darum, die Preise zu senken. Und das passiert vor allem durch die Economy-of-Scale-Effekte. Zum anderen gibt es auf der Zellebene eine kontinuierliche Weiterentwicklung, eine Verschiebung zu anderen Technologien. Der Markt wird immer mehr dominiert durch Zellen, die baugleich im Automobilbereich verwendet werden, während andere Technologien, die ausschließlich für den stationären Bereich gedacht sind, ein Stück weit ins Hintertreffen geraten, weil hier nicht diese großen Stückzahlen erreicht werden. Bei Zellen erhöhen sich zudem die Energiedichten weiter, was eben auch wesentlicher Treiber für die Kostensenkung ist. Das sind aber keine Sprungfunktionen, sondern wir haben hier eine kontinuierliche Weiterentwicklung.

Würden Sie aus Anwendersicht sagen, dass es sich lohnt, das Förderprogramm in Anspruch zu nehmen?

Nun sind wir nicht völlig neutral, weil wir die Begleitforschung machen. Aber wir kennen das Programm auch sehr gut und haben es mitgestaltet. Ich glaube nach wie vor, dass das Programm gut und sinnvoll ist. Die Garantiezeiten werden manchmal kritisiert, weil sie die Preise hochtreiben könnten. Und außerhalb des Programms erhält man auch Anlagen, die mit geringeren Garantiezeiten ausgestattet sind und dann teilweise zu günstigeren Preisen angeboten werden. Da kann ich nur dringend von abraten. Denn keiner kennt diese Systeme über einen langen Zeitraum und hat sie über zehn Jahre im Feld getestet. Es gibt keine Daten, die diese Lebensdauern unter Feldbedingungen bestätigen. Und es geht auch um Qualität und Sicherheit. Man hat diese Systeme im Haus. Hohe Qualität ist auch ein Indikator für hohe Sicherheit. Vor Billigprodukten von No-Name-Anbietern würde ich dringend abraten.

Bei Batterien stellt sich weiterhin die Frage, wann der richtige Zeitpunkt ist, sie zu kaufen. Die Preise sind gesunken und sie werden wohl noch heruntergehen. Wäre es weise zu warten?

Wir sind froh über jeden Einzelnen, der jetzt ein System kauft. Es gilt hier das Gleiche wie für die Photovoltaik: Wir wären nie in den Markt gekommen, wenn es nicht Leute etwa im 100000-Dächer-Programm gegeben hätte, die Anlagen kauften, obwohl sie noch nicht wirtschaftlich waren. Daher ist das Speicher-Förderprogramm wichtig. Diese Förderung wird nun degressiv ausgestaltet. Dadurch wird es für die Kunden während der Laufzeit in den nächsten drei Jahren relativ kostenneutral sein, ob sie den Speicher jetzt oder später kaufen. Zwar sinken die Preise, aber auch die Förderung.

Aus der Photovoltaik kennen wir die Lernkurve, also die Reduktion der Preise, die dem Fertigungsausbau folgt. Ist dies bei Speichern ähnlich?

Wir müssen bei den PV-Speichersystemen zwei unterschiedliche Lernkurven betrachten. Die eine ist die für die Batteriezellen – hier wird die Preisreduktion stark getrieben aus der Automobilindustrie heraus. Dort sind wir preislich zurzeit deutlich unter der Lernkurve, weil wir hier einen gnadenlosen Wettbewerb haben. Man geht davon aus, dass große Hersteller wie Samsung und LG im Moment mit den Zellen kein Geld verdienen. Das ist bei der Markteinführung eines neuen Produktes zunächst nicht weiter bedenklich. Auch Tesla verdient mit seinen Autos noch kein Geld. Es bedeutet aber, dass Effekte der erwarteten Lernkurve auf den Marktpreis deutlich vorweggenommen sind. Dadurch wird wohl der Zellpreis in Zukunft auch deutlich langsamer sinken. Die Lernkurve auf der Ebene der Systempreise verläuft kontinuierlicher. Die Batteriezellen machen an den Systempreisen auch nur einen relativ kleinen Anteil aus. Systempreise inkl. Umsatzsteuer für Anlagen mit Lithium-Ionen-Batterien lagen im letzten Quartal bei etwa 1700 Euro je Kilowattstunde nutzbare Kapazität. Die Batteriemodule – also Zellen in Kombination mit den Batteriemanagementsystemen – liegen bei Automobilhersteller vielleicht bei 300 bis 350 Euro die Kilowattstunde. Hier sieht man eine ganz erhebliche Differenz, die allerdings noch durch die Leistungselektronik, das Marketing, die Umlagen für die Entwicklung, die Installation und die Umsatzsteuer bedingt sind. Bei den Tesla-Systemen erwarten wir Preise von etwa 1000 Euro je Kilowattstunde, also eine weitere Reduktion um ein gutes Drittel.

Wie kann die europäische Industrie im internationalen Wett­bwerb bestehen?

Eine Batteriezellfertigung im großen Stil gibt es in Deutschland und Europa quasi nicht. Auch die Ankündigung zum Bau einer Batteriefabrik, die Daimler gemacht hat, bezieht sich nur auf das Packaging, ist aber mit einer Investition von 500 Millionen Euro schon ein sehr deutliches Statement in Bezug auf Elektromobilität und auch stationäre Speicher. Das eigentliche Produzieren der Zellen liegt fast ausschließlich in Asien. In den USA baut Tesla jetzt eine große Fabrikation, wenn auch mit Technologie von Panasonic. Die Tesla-Fabrik wird die die Weltproduktion von 2013 verdoppeln – und dies in nur einer Fabrik. In Europa sind wir gut aufgestellt bei der Wertschöpfungskette vor und nach der Zellproduktion. Das betrifft die Rohmaterialien, wie die Elektrodenmaterialien – die europäischen Chemiekonzerne haben hier ihren Markt. Und es läuft ganz gut beim Zusammenstellen der Batteriesysteme. Aber bei der Zellproduktion ist schon die Frage, ob die hier auch nach Europa kommen wird. Klar ist, dass das nur mit Milliardeninvestitionen gehen wird. Mindestens zwei Milliarden muss man vorinvestieren können: eine Milliarde für eine Zellproduktionslinie und eine Milliarde für Anlaufverluste. Tesla investiert 5 bis 6 Milliarden Dollar in die Fabrik in den USA.

Aber könnte man hier mit einer Zellproduktion konkurrenzfähig sein?

In der Photovoltaik macht der Personalkostenanteil drei Prozent aus – das ist nicht der Grund, warum die wesentlichen Produktionskapazitäten in Asien zu finden sind. Im Bereich der Lithium-Ionen-Batterien muss man einfach sehen, dass es einen gigantischen technischen Vorsprung in Asien gibt. Das begann Ende der 70er Jahre, als die Unterhaltungselektronikindustrie als minderwerter Elektroniksektor angesehen wurde und man ihn hat abwandern lassen. Das betrifft Discman, Walkman, Smartphones. Und die Lithium-Ionen-Batterien sind für diese Geräte entwickelt worden. Seit 1991 gibt es die Technologie im Markt. Und bei uns hat man erst 2009 angefangen darüber nachzudenken, dass man solche Batterien bei uns für den Automobilsektor brauchen könnte. Die europäische Industrie hinkt in diesem Bereich hinter Unternehmen hinterher, die wie Samsung und LG stark sind und nicht nur in diesem Sektor viel Geld verdienen und sich die Vorfinanzierung leisten können. Die führenden Unternehmen bei Batterien für kleine portable Geräte sind dies auch bei stationären Speichern – da gibt es keine Unterschiede.

Interview: Andreas Witt
Foto: RWTH Aachen

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