Interview mit Patrick Graichen: Abgabensystem reformieren!

Solarthemen+plus. Patrick Graichen ist Direktor der Agora Energiewende. Agora hat eine Studie zur Reform des Abgaben- und Umlagensystems im Energiebereich erar­bei­tet. Im Solarthemen-Interview erläutert Graichen mögliche Strategien.

Solarthemen: Sie sind nicht der erste, Herr Graichen, der Vorschläge macht, wie man die EEG-Umlage reduzieren könnte. Was ist der Kern Ihres Ansatzes?

Patrick Graichen: Wir haben keinen Vorschlag gemacht, sondern nur eine Grundlagenstudie vorgelegt, die im ersten Schritt die Notwendigkeit zu Handeln und im zweiten Schritt die verschiedenen Handlungsoptionen darstellt. Wir haben ja die paradoxe Situation, dass wir Strom immer sauberer machen, aber gleichzeitig immer teurer. Dadurch verschieben sich die relativen Preise: Heizöl und Benzin werden gegenüber Strom relativ billig. Damit wird die Idee, Energiewende sektorübergreifend zu machen, unmöglich. Deshalb kommt die Politik an dem Thema in der nächsten Legislaturperiode nicht vorbei. Es geht übrigens weniger darum, Stromkunden zu entlasten. Aber wenn Heizöl billig und Strom teuer ist, kriegt man die Wärmewende nicht hin. Und auch Elektroautos sind beim derzeitigen Preisverhältnis zwischen Strom und Sprit nicht interessant.

Was sind die Handlungsoptionen?

Es gibt schon verschiedene Vorschläge: Der Bundesverband Erneuerbare Energie schlägt vor, die Industrieausnahmen von ungefähr 5 Milliarden Euro aus der EEG-Umlage herauszunehmen und über den allgemeinen Staatshaushalt finanzieren zu lassen. Der zweite Vorschlag kommt vom Bundesverband Neue Energieanbieter: Eine Energiewendeumlage. Die dritte Option ist eine Anhebung der Steuern auf Heizöl, Diesel und Benzin. Diese Einnahmen könnten genutzt werden, um sie auf das EEG-Konto einzuzahlen und damit die EEG-Umlage zu senken.

Welche der drei Lösungen präferieren Sie?

Die Energiewende-Umlage wäre theoretisch interessant, stößt aber in der Praxis auf sehr viele Probleme. Denn sie könnte sich nicht auf Förderungen im Strombereich beschränken, sondern müßte konsequenterweise auch den Wärmebereich – beispielsweise das Marktanreizprogramm – und auch Förderungen im Verkehrssektor mit abdecken. Außerdem würde man bei einer Erhebung im Verkehrs- und Wärmebereich über Industrieausnahmen in diesen Bereichen diskutieren. Das brächte einen Ratten­schwanz an Problemen mit sich. Die beiden anderen Varianten sind leichter umzusetzen. Eine Finanzierung aus dem Bundeshaushalt könnte Teil der allgemeinen Steuererleichterung sein, die Herr Schäuble versprochen hat. Die 14 Milliarden könnte man aufteilen: 9 für die Senkung der Einkommenssteuer und 5 für die EEG-Umlage. Ähnlich wäre das bei einer Senkung der Stromsteuer, wie sie auch der BDEW vorschlägt. Bei Variante 3 geschieht die Refinanzierung innerhalb des Energiesystems. Energiesteuern für energieintensive Energieträger werden erhöht, um die Belastungen für CO2-ärmer werdenden Strom zu senken.

Gerade die Stromsteuer sollte ja seinerzeit im Zuge der Ökosteuerreform eine Lenkungswirkung entfalten. Wenn sie nun offenbar zu Fehlsteuerungen führt, könnte man sie direkt auf Treibhausgasemissionen erheben.

Damit schneiden Sie das nächste Thema an. Im Moment belasten wir den Stromverbrauch. Die Stromherstellung versucht man lediglich durch den CO2-Handel emissionsärmer zu machen. Um den Strom sauberer zu machen, braucht man weiterhin das EEG, aber auch einen funktionierenden Emissionshandel. Weitergedacht kommt man zu einem Mindestpreis im Emissionshandel. Würde nicht eine CO2-Steuer dieselbe Wirkung entfalten. Vom Grundsatz her ja, aber ich wäre vorsichtig, auch die Stromproduktion in eine Ökosteuer 2.0 einzubeziehen. Denn wenn man die einseitig in Deutschland erhebt, dann schafft man einen enormen Importdruck für Strom aus allen Nachbarländern, weil der Strom in Deutschland an der Börse schlagartig teurer würde. Deshalb ist ein CO2-Mindestpreis die sinnvollere Variante.

Welche Chance sehen sie, eine grundsätzliche Reform der Energiesteuern und -abgaben politisch durchzusetzen?

Es ist nicht das Thema, mit dem man viele Lorbeeren erntet. Deshalb wird es sicher vor der Bundestagswahl nicht von den Parteien aufgegriffen werden. Wir reden ja nicht über eine generelle Entlastung von Bürgern, sondern über eine Umverteilung zum Beispiel zwischen Heizölkunde und Stromkunde. Ich bin aber davon überzeugt, dass es nach der Bundestagswahl etwas dazu geben wird. Wir haben nach den Dänen die höchsten Strompreise in Europa. Und die Dänen haben gerade beschlossen, dass sie einen Teil Ihrer Erneuerbare-Energien-Förderung über den allgemeinen Staatshaushalt machen wollen. Im Gegensatz dazu sind wir bei Heizöl die viertbilligsten in Europa. Es erkennen immer mehr Leute in der Politik, dass die Art und Weise, wie wir unsere Abgaben und Umlagen organisiert haben, der Energiewende extrem schadet. Insofern bin ich verhalten optimistisch, dass sich etwas ändert.

Interview: Andreas Witt
Foto: Agora Energiewende

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