Vernetzte Solarwärme im Wohnungsbau

Foto: Guido Bröer
Die vernetzten Sonnenhäuser der eG Wohnen in Cottbus versorgen über kleine Wärmenetze im Sommer Bestandsgebäude in der Nachbarschaft mit.
Wärmenetze mit Solarthermie-Einspeisung sind eine interessante Energiewende-Option für städtische Quartiere, die bislang aber im Markt noch kaum angekommen ist. Bei einer Umfrage des GdW Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, an der sich 131 Wohnungsbaugesellschaften beteiligten, erklärte jedes vierte Unternehmen, dass es eigene Wärmenetze betreibe. Ausdrücklich nicht erfasst waren dabei Netze, die von Contractoren wie beispielsweise […]

Wärmenetze mit Solarthermie-Einspeisung sind eine interessante Energiewende-Option für städtische Quartiere, die bislang aber im Markt noch kaum angekommen ist.
Bei einer Umfrage des GdW Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, an der sich 131 Wohnungsbaugesellschaften beteiligten, erklärte jedes vierte Unternehmen, dass es eigene Wärmenetze betreibe. Ausdrücklich nicht erfasst waren dabei Netze, die von Contractoren wie beispielsweise Stadtwerken betrieben werden. Bislang ist dieser Bereich der Wärmeversorgung weitgehend statistische Grauzone. Simona Weisleder vom Ham­burg Insti­tut, das in diesem Bereich mit dem GdW koo­pe­riert, findet das Umfrageergebnis deshalb sehr interessant: „Dass ein derart hoher Anteil der Wohnungsunternehmen eigene Netze betreibt, bestätigt unsere These, dass hier im Zuge der Wärmewende ein Feld zu beackern ist.“

Während sich der Fokus der Wohnungswirtschaft nach Weisleders Einschätzung bislang eher auf den Bereich der Gebäudedämmung gerichtet habe, sei die Erzeugung von Wärme mittels erneuerbarer Energien bislang noch zu wenig im Mittelpunkt, meint Weisleder. Ein vorhandenes Wärmenetz biete al­ler­­dings die beste Voraussetzung, um erneuerbare Energien, wie beispiels­weise Solarthermie, Erdwärme oder Holz, in vielfältigen Va­ria­­tionen für die Wärmewende in Quar­tie­ren zu nutzen. Das zeigen etliche Beispiele.So betreibt eine Hamburger Wohnungsgenossenschaft, der Eisenbahnbauverein (EBV), seit 2014 im Quartier Roseggerstraße für 480 Wohnungen einen zentralen Eisspeicher mit Wärmepumpe, der von 600 Quadratmetern Solarthermiekollektoren regeneriert wird. Der Betontank mit 20 Metern Durchmesser fasst 1500 Kubikmeter Wasser und rettet trotz dieser relativ geringen Ausmaße große Mengen der Solar­wärme vom Sommer in den Winter. Dies funktioniert, weil im Phasenübergang zwischen Eis und flüssi­gem Wasser bei Null Grad relativ große Mengen Energie gespeichert werden kön­nen. Allerdings wird eine Wärmepumpe benötigt, um die bei null Grad gespeicherte „Wärme“ auf ein nutz­bares Temperaturniveau für die Raumheizung zu heben. Im Winter entzieht die Wärmepumpe dem Speicher die Energie und lässt dabei das Wasser im Speicher gefrieren. Im Sommerhalbjahr wird der Speicher dann durch die Kollektor­anlage wieder aufgetaut und erwärmt. Die Heizkosten der Mieter konnten nach Darstellung von EBV-Vorstand Joachim Bode mit dem neuar­tigen System im Schnitt um 30 Prozent gesenkt werden. In den nächsten Jahren sollen nach diesem Vorbild weitere Quartiere mit Eisspeichersystemen ausgestattet werden.

Ganz ohne großen Speicher kommen hingegen fünf neue Solarhäuser der HOWOGE Wohnungsbaugesell­schaft in Berlin-Adlershof aus (Foto oben), obwohl diese sich übers Jahr bilanziell zu 100 Prozent mit der Solarthermie vom eigenen Dach versorgen. Dafür mussten sogar nur eineinhalb Flach­dächer mit Solarwärmekollek­toren bestückt werden. Die restlichen Dachflächen können für die Stromerzeugung aus Photovoltaik genutzt werden. Möglich wird dies, weil der Fernwärmeversorger BTB sein Netz gewissermaßen als Solarspeicher zur Verfü­gung stellt: Was die hoch­effiziente Solarthermieanlage im Sommer an Mehr­­ertrag produziert, der in den Häusern selbst nicht gebraucht wird, das speist sie in die Fernwärme­leitungen der BTB ein und erwirbt damit für die Mieter ein Energieguthaben. Im Winter steht der Hausgemeinschaft dafür die gleiche Menge Fernwärme ohne Berechnung zu.

Im ersten Betriebsjahr der Anlage ist die Bilanz aufgegangen: Die Sonne lieferte mehr Wärme als die Häuser verbraucht haben. Andreas Reinholz, der das Modell als Projektentwickler der BTB zu verantworten hat, freut sich, dass dabei das Temperaturniveau der Solaranlage fast immer hoch genug war, um in den heißeren Vorlauf des Wärmenetzes einzuspeisen. Die Option einer Rücklaufeinspeisung, die bei Netzbetreibern nicht so beliebt ist, musste kaum genutzt werden.

Die vernetzten Sonnenhäuser der eG Wohnen in Cottbus versorgen über kleine Wärmenetze im Sommer Bestandsgebäude in der Nachbarschaft mit.

Reinholz lässt durchblicken, dass an diesem im Sinne des Klimaschutzes vorbildlichen Deal  zwischen der BTB und dem Wohnungsunternehmen für den Wärme­netz­­betrei­ber nicht wirklich viel zu verdienen sei. Allerdings sei es aus Sicht der Fernwärmebranche wichtig, auch in hocheffizienten Neubauquartieren im Geschäft zu bleiben, indem man solche flexiblen Angebote mache. „Die Musik für die Wärmewende spielt allerdings im Altbau“, sagt er. Und auch dort würden großflächige Solaranlagen im Sommer Überschüsse erwirt­schaf­ten, die bei attraktiven Verrechnungsmodellen – die es heute in Deutschland allerdings noch nicht gibt – an das Netz abgege­ben werden könnten.

Bei einem neuen Quartierskonzept der eG Wohnen in Cottbus wird zwar künftig auch Solarwärme an Nachbargebäude weitergegeben, allerdings will man dort mit Verrechnung nichts zu tun haben. Die Schlagworte des vom Energieexperten Timo Leukefeld entwickelten Energiekonzeptes heißen „Flat­rate-Miete“ und „vernetzte Autarkie“. Die beiden fast fertiggestellten Sonnenhäuser mit jeweils sieben Wohnungen sollen sich nicht nur zu 60 bis 70 Prozent selbst mit Strom und Wärme versorgen; sie werden darüber hinaus ihre unvermeidlichen sommerlichen Solarwärmeüberschüsse jeweils an einen benachbarten Platten­bau aus DDR-Zeiten abgeben. In den ansonsten mit Fernwär­me versorgten Altbauten werden nur kleine Pufferspeicher installiert. Leukefeld geht davon aus, dass die Überschüsse der Solarhäuser ausrei­chen werden, um die Nachbargebäude in den Sommermonaten vollständig mitzuversorgen. „Indem wir den Nach­ba­r­gebäu­den die Überschussenergie schenken, verdoppeln wir in den Solarhäuser den jährlichen Kollektor­ertrag.“ Den Mieter im Sonnenhaus kostet diese Freizügigkeit nichts. Er zahlt in diesem Gebäude eine sogenannte Flatrate-Miete, in der Wärme und Strom bereits enthalten sind.

Grafik: RS Components

Foto 1: Guido Bröer; Foto 2: eG Wohnen
Dieser Text ist ursprünglich in der Energiekommune, Ausgabe Oktober 2018, erschienen.

12.10.2018 | Quelle: Guido Bröer, Energiekommune | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

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