Auf dem Weg zum Terawatt-Markt
Dramatische Kostensenkungen und der rasante Ausbau der Produktionskapazitäten machen die Photovoltaik zu einem Game Changer des globalen Energiesystems. Nicht nur der Stromsektor, sondern auch Verkehr, Wärme, Industrie und Chemieprozesse werden in Zukunft maßgeblich durch Solarstrom versorgt. Das sagen internationale Photovoltaik-Forscher rund um die Global Alliance for Solar Energy Research Institutes (GA-SERI). Das Wachstum der PV-Branche zu einem Terawatt-Markt verlaufe schneller als erwartet, so die Experten. Während Ende 2018 rund 500 Gigawatt Photovoltaikleistung weltweit installiert waren, wird für 2030 mit 10 Terawatt und für 2050 mit 30 bis 70 Terawatt gerechnet. »Die Kosten für PV- Module sind in den letzten 40 Jahren um zwei Größenordnungen gesunken, Ende 2018 lagen sie unter 25 Dollarcent pro Watt. Dadurch sanken die Stromgestehungskosten für Solarstrom im Gegensatz zu konventionellen Energiequellen und in weiten Teilen der Welt ist er absolut wettbewerbsfähig«, sagt Andreas Bett, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE.
Der steigende Anteil von PV-Strom am Strommix zieht Änderungen im Stromerzeugungs- und Übertragungssystem, in den Betriebsführungsstrategien und bei den PV-Systemen selbst nach sich, so die Autoren. »Der fundamentale Wandel in unserem Energiesystem stellt uns vor die Herausforderung, ergänzende Technologien wie Speicher zu entwickeln und die Sektorenkopplung voranzutreiben«, so Andreas Bett weiter. Fünf Handlungsfelder identifizieren die Wissenschaftler:
Netze und Leistungselektronik: Die Harmonisierung von Verbrauch und Erzeugung auch über größere Entfernungen, Speicher sowie verbesserte Solarprognosen helfen, Schwankungen im Solarstromangebot auszugleichen. Mit einem wachsenden PV-Strom-Anteil im Stromnetz werden Solaranlagen zunehmend netzdienliche Leistungen wie Spannungsregulierung und Frequenzsteuerung übernehmen, wofür eine neue Generation PV-Wechselrichter entwickelt wurde. Bei einem sehr hohen PV-Anteil werden neue Technologien wie virtuelle Schwingungsregler zum Einsatz kommen, und die Kopplung mit Batteriesystemen schafft widerstandsfähige, zuverlässige Systeme.
Speicher: Die Preise für Lithium-Ionen-Batterien sind in den letzten acht Jahren um 80 Prozent gesunken, und weitere Senkungen sind durch steigende Produktionskapazitäten und Technologieentwicklung zu erwarten. Darüber hinaus arbeiten Forschung und Industrie an neuen, kostengünstigen Materialien mit einer höheren Energiedichte als Alternative zu Lithium-Ionen – Batterien. Eine weitere Möglichkeit sind Pumpspeicherkraftwerke, für die weltweit ein erhebliches technisches Potenzial besteht.
Sektorenkopplung: Die Elektrifizierung des Transportsektors, der für 39 Prozent des fossilen Gesamtenergieverbrauchs zuständig ist, sowie der Gebäudeheizung (17 Prozent der fossilen Energieträger) werden die Nutzung erneuerbarer Energien dramatisch erhöhen. Wärmepumpen sollen als Heizungsform der Zukunft die Energieeffizienz von Gebäude deutlich verbessern. Industrien wie die Stahl-, Eisen – und Düngemittelherstellung können mit kostengünstig solar erzeugtem Wasserstoff und Ammoniak die Treibhausgasemissionen ihrer Prozesse reduzieren.
Power to X/Gas: Kostengünstiger Wind- und Solarstrom kann zur Erzeugung von Wasserstoff, Methan und anderen Kohlenwasserstoffverbindungen genutzt werden, die als synthetische Kraft- und Brennstoffe, Prozesschemikalien oder als Ausgangsstoffe für die chemische Industrie zum Einsatz kommen. Mit Power-to-Gas oder Power-to-X –Technologien können große viele Terawatt Wind- und Solarleistung aufgenommen und über lange Zeiträume chemisch gespeichert werden.
Forschung und Produktion: Die »Lernkurve« der Photovoltaik, die in den letzten 40 Jahren eine Senkung der Modulkosten von 23 Prozent pro Verdopplung der installierten Kapazität gezeigt hat, wird sich nach Ansicht der Wissenschaftler fortsetzen. In der Silizium-Photovoltaik, die 95 Prozent des Weltmarktes ausmacht, geht der Trend zu kostengünstigen Solarzellen mit passivierten Kontakten, die höhere Wirkungsgrade ermöglichen. Technologische Fortschritte im Bereich der Dünnschicht- und neuartigen Technologien haben hier die Wirkungsgrade über die 20-Prozent-Marke gehoben, bei Mehrfachsolarzellen auf Basis von Silizium sind es bereits über 35 Prozent.
Die GA-SERI besteht aus dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, dem National Institute of Advanced Industrial Science and Technology AIST (Japan) und dem National Renewable Energy Laboratory NREL (USA). Seit 2016 diskutiert dieser internationale Expertenkreis, erweitert um Forscher aus weiteren Gruppen und Ländern, regelmäßig über die Herausforderungen für den Einsatz der Photovoltaik zur Realisierung der weltweiten Klimaziele.
3.6.2019 | Quelle: Fraunhofer ISE | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH