Hans-Josef Fell: Mit EEG Sektorenkopplung fördern

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Hans-Josef Fell, Miterfinder des EEG 2000
Hans-Josef Fell, der Präsident der Energy Watch Group war von 1998 bis 2013 für Bündnis 90/Die Grünen Mitglied im Deutschen Bundestag. Er hat maßgeblich an der Formulierung und Durchsetzung des ersten Erneuerbare-Ener­gien-Gesetzes mit­gewirkt. Die Solarthemen sprachen mit ihm über dessen Weiterentwicklung.

Solarthemen: Herr Fell, Sie waren einer derjenigen, die das Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2000 geschrieben haben. Wie machen wir aus dem EEG ein aus Ihrer Sicht heute zeitgemäßes Gesetz, das auch die Sektorenkopplung fördert?

Hans-Josef Fell: Das Gesetz muss endlich auch dafür Sorge tragen, dass die Integration der erneuerbaren Energien in das System gelingt.

Wie machen wir das?

Wir machen das am besten mit einer Vergütung, die die Anlagen belohnt, die zu jeder Stunde des Jahres den Strom aus erneuerbaren Energien so in das Netz einspeisen, wie es der Netzbetreiber braucht.

Wie soll das mit einer kleinen zum Beispiel 5-kW-PV-Anlage gelingen?

Das geht mit einer einzelnen Photovoltaikanlage nicht. Sondern da muss man im Haus oder besser in einem größeren Objekt in einen Mix aus erneuerbaren Energien und Speichern investieren. In einem einzelnen Haus würde das beispielsweise mit der Kombination von einer PV-Anlage mit einem Bioenergie-BHKW und einem Speicher funktionieren. Und es muss die Sektorenkopplung dabei sein. Also sollte die Wärme am besten mit Überschussstrom erzeugt werden oder aus Abwärme kommen. Die Elektromobilität kann eingebunden werden – und vieles mehr. Nur dann kann eine 100-prozentige Vollversorgung mittels erneuerbarer Energien gelingen. Es geht um systemdienliche Einspeisung. Und das würde eben genau die Sektorenkopplung anreizen, die wir brauchen.

Sektorenkopplung für Einfamilienhäuser

Das heißt, ich als fiktiver Einfamilienhausbesitzer hätte ein Problem, wenn ich mir einfach nur eine PV-Anlage aufs Dach setze. Würde ich dann von einem EEG 2.0, wie Sie es sich vorstellen, nicht profitieren können?

Es kann nicht sein, dass wir jetzt schon die normalen Vergütungen einfach abschaffen. Das wäre falsch. Natürlich muss derjenige, der eine PV-Anlage auf seinem Hausdach installieren lässt, eine angemessene Vergütung in Richtung einer 5-prozentigen Rendite weiterhin bekommen. Aber wir müssen die Förderung einzelner Techniken ergänzen mit einer Förderung für systemdienliche Einspeisung. Die einzelnen Vergütungssätze, also etwa für Solar-, Wind- oder Bioenergiestrom, sollten auch für Neuanlagen weiter laufen, solange die gesetzliche Laufzeit gilt. Aber parallel dazu müsste der Gesetzgeber einen systemischen Ansatz aufbauen. Und wenn sich dann zeigt, dass er gut funktioniert, weil fast nur noch in 100 Prozent erneuerbare Energien investiert wird, dann kann man allmählich das bestehende EEG in das neue überführen.

Aber passiert nicht gerade das aktuell schon mit diesen neuen Innovationsausschreibungen?

Nein, Ausschreibungen sind dafür nicht tauglich. Das sehen wir ja bei den Ausschreibungen für die Windenergie, für die Freiflächen-Solaranlagen und die Bioenergie jetzt schon. Ausschreibungen schaffen keinen Marktanreiz in ausreichender Höhe. Wir brauchen eine etwa zehnfach höhere Investition in erneuerbare Energien gegenüber heute. Die Ausschreibungen haben im Gegenteil eine drastische Reduktion des Marktvolumens und der Akteursvielfalt bewirkt. Es konzentriert sich nur noch auf wenige finanzkräftige Investoren. Ausschreibungen sind hochbürokratisch, sie können nie die Vielfalt der Lebenswirklichkeit widerspiegeln. Ausschreibungen sind immer nur gebunden an das, was Beamte in den Ministerien sich an Kriterien ausdenken, die Lebenswirklichkeit ist aber wesentlich vielfältiger.

Vergütung statt Ausschreibung

Wollen Sie also komplett wieder hin zu einem reinen Vergütungssystem?

Ja, im Prinzip schon. Nur für große zig Megawattinvestitionen können Ausschreibungen hilfreich sein. Wir sehen doch heute schon die negativen Effekte der Ausschreibungen in der Windkraft und anderen erneuerbaren Energien. Die Ziele, die bei Ausschreibungen geplant waren, nämlich die Kosten zu senken, das Marktvolumen hochzufahren und weitere, sind alle nicht eingehalten worden. Die Vergütungssätze bei der Windkraft steigen von Ausschreibung zu Ausschreibung. Die Marktvolumina, die schon bei den Ausschreibungen zu gering angesetzt sind, werden in der Windkraft noch nicht einmal erreicht. Dies gilt auch bei Bioenergie. Nur bei den Freiflächen-Photovoltaikanlagen haben wir Überzeichnungen, aber überzeichnete Ausschreibungen zeigen doch auch, dass die Investitionen wesentlich höher sein könnten, als vorgegeben.

In der EU-Erneuerbare-Ener­gien-Richt­linie gibt es eine de-minimis-Regelung, die bei uns nicht genutzt wird. Es müssten nicht bei allen Projekten Ausschreibungen erfolgen, bei der Windkraft erst ab 18 Megawatt. Aus Ihrer Partei, bei Bündnis 90/Die Grünen, höre ich die Forderung, diese Grenze anzuheben. Ist das ein Weg oder nur ein fauler Kompromiss?

Das ist eine sehr sinnvolle Forderung. Ich gehe ein bisschen höher, über die de-minimis-Regelung hinaus. Ich habe gesehen, dass Energiegemeinschaften bis zu 40 Megawatt schultern konnten. Das, denke ich, wäre eine gute Größe. In der Tat macht es Sinn, Ausschreibungen für sehr große Projekte ab dem 100-Megawatt-Bereich zu machen. Das schaffen sowieso nur große Finanzinvestoren. Da können Ausschreibungen durchaus eine sinnvolle Rolle spielen. Aber Akteursvielfalt und Investitionen auf dezentraler Ebene müssen wieder geschaffen werden. Dafür sind Einspeisevergütungen für Projekte bis 40 Megawatt von sehr großer Bedeutung. Man kann über die Grenze streiten. Auch die 18 Megawatt gehen schon in die richtige Richtung.

Unabhängig von EU-Beihilferegeln

Das wäre jedenfalls ein Handlungsrahmen, den die Bundesregierung sofort nutzen könnte, ohne sich mit Brüssel abstimmen zu müssen.

Ja, klar. Und das Abstimmen mit Brüssel ist ja sowieso seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr in dem Maße notwendig, wie es vorher der Fall war. Das Gericht hat erklärt, dass das EEG keine Beihilfe ist.

Ich komme noch einmal zurück auf den privaten Betreiber einer kleinen PV-Anlage. Der sollte sich bemühen, so verstehe ich Ihr Votum, sich breiter aufzustellen als nur mit einer reinen Photovoltaikanlage. Ist denn dieser Ansatz, den ich mal lokale Optimierung der Netzintegration nenne, der richtige? Volkswirte gehen meist davon aus, dass eine Optimierung auf überregionaler Ebene effizienter ist.

Zunächst mal gehen ja sehr viele Hausbesitzer schon in diese Richtung. Immer mehr PV-Anlagen werden mit einem Speicher verbunden. Das macht sehr viel Sinn. Und man sieht schon, dass dies ein Stück weit zu einer Verringerung der Investitionen auf der Verteilnetzebene führt. Auf dieser Ebene finden ja die alles entscheidenden Investitionen statt. Dort müssen sehr viele Erzeugungsanlagen bis zu einer bestimmten Maximalleistung einspeisen, bevor es bei größeren Anlagen direkt in das Mittel- oder Höchstspannungsnetz geht. Dann haben wir auf der Verteilnetzebene auch die Investitionen beispielsweise in die Lade­infrastruktur oder in Wärmepumpen. Das alles ändert das Verteilnetz. Und deswegen ist es sehr wichtig, dass wir viel mehr von unten her denken und die Systemintegration sozusagen wabenförmig, Stück für Stück in jeder Zelle vollständig realisieren. Dann haben wir auch nicht mehr die großen Schwierigkeiten und Probleme mit einem fast unbezahlbaren Netzausbau, der ja dann überdimensioniert wird, wenn man auf der Verteilnetzebene die Chancen nicht nutzt.

Sektorenkopplung: Vorteile für Wärme und Verkehr

Wenn ich mir das EEG ansehe, dann hat es im Stromsektor sehr viel bewegt. Andererseits ist aber in den anderen Sektoren Wärme und Verkehr wenig passiert. Könnte hier ein EEG 2.0 etwas mehr bewirken?

Das ist doch genau das Ziel. Es gibt auch andere Instrumente, die zu nutzen sind, wie beispielsweise in der Gebäudesanierung und eine bessere Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs. Aber trotzdem gilt auch für die Energiebereitstellung für die Sektoren Wärme, Transport und Industrieproduktion, dass diese immer mehr strombasiert sein werden – und zwar ökostrombasiert. 90 Prozent aller zukünftigen Primärenergien werden aus dem Ökostrom kommen. Und deswegen ist der Ausbau des Ökostroms der Kern des Klimaschutzes.

Sie meinen also, Sektorenkopplung kommt automatisch mit einer Kombikraftwerksvergütung?

Eine Kombikraftwerksvergütung mit der Auflage, zu jeder Stunde eines Jahres den Strom so zu liefern, wie ihn der Netzbetreiber braucht, gelingt nur mit Sektorenkopplung. Nehmen wir beispielsweise einen Produktionsbetrieb. Der wird zu bestimmten Zeiten Überschussproduktion haben. Und er wäre gut beraten, wenn er diesen Überschuss für die Wärme oder den Verkehr nutzen würde, statt ihn abzuregeln. Damit kann er einen gewissen Ausgleich zunächst selbst organisieren. In Kombination mit Speichern kann er den Strom dann so ins Netz abliefern, wie er dort benötigt wird. Für diesen Überschussstrom gibt es dann eine Vergütung.

Das ursprüngliche EEG war sehr kurz, es umfasste nur ein paar Seiten. Es ist jetzt auf viele, immer weiter differenzierte Paragrafen angewachsen. Wie dick müsste ein EEG 2.0, wie es Ihnen vorschwebt, sein?

Sehr kurz und knapp. Denn je umfangreicher ein Gesetz ist, umso mehr Bürokratie wird dort angesammelt. Und wir haben im Moment ein solches Bürokratiemonster mit dem derzeitigen EEG, das niemand mehr überschauen kann. Das kann so nicht sein, das muss auch entrümpelt werden.

19.3.2020 | Autor: Guido Bröer, Solarthemen | solarserver.de
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