EEG-Novelle nach 20 Jahren: Die Hausaufgaben

Foto: Guido Bröer
Am 1. April vor 20 Jahren ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Kraft getreten. Es hat der regenerativen Strom­erzeugung in Deutschland und weltweit ungeahnte Impulse gegeben. In den letzten Jahren ist die Zahl der EEG-Paragraphen jedoch gewachsen, um den Ausbaus zu steuern und damit zu bremsen. Welche Baustellen muss der Gesetzgeber in Zukunft angehen, um mit einer EEG-Novelle die Energiewende in Richtung 100 Prozent Erneuerbare zu beschleunigen?

Fragt man Thorsten Müller nach den Baustellen eines künftigen EEG und eine EEG-Novelle, so relativiert der Vorsitzende der Stiftung Umweltenergierecht erstmal die Bedeutung der Frage. „Eine entschei­dende Veränderung entsteht dadurch, dass bald nicht mehr der gesamte Erneuerbare-Energien-Ausbau durch das EEG gesteuert werden kann, wie es bisher der Fall war.“

Was Müller anspricht, ist die Tatsache, dass sich nur noch ein zunehmend geringerer Teil der regenerativen Stromerzeugungskapazitäten im Vergütungsmechanismus des EEG befinden wird. Daneben wird es ausgeförderte Anlagen geben, die nach 20 Jahren EEG-Unterstützung weiterhin zur Stromproduktion beitragen. Und es wird zunehmend auch neue Anlagen geben, die keine EEG-Prämien oder -Vergütungen benötigen, weil sie bereits wettbewerbsfähig sind. So finanzieren einzelne Projektierer bereits heute große Photovoltaikparks über langfristige Stromlieferverträge – englisch: Power Purchase Agreements (PPA).

Der forschende Jurist Müller stellt nüchtern fest. „Wenn Anlagen außerhalb der Vergütungsregelungen des EEG entstehen, dann greifen bestimmte Regeln nicht mehr, die der Gesetzgeber einfach als Vergütungsvoraussetzung oder als vergütungsrelevanten Sanktionsmechanismus ins EEG eingebaut hatte.“

EEG als Vehikel für Sanktionen

Ein Beispiel ist die Flächenkulisse für Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Das EEG lässt diese Anlagen seit Jahren nur auf Konversionsflächen und schmalen Streifen entlang von Autobahnen und Schienenwegen zu. Zwar war es nie grundsätzlich verboten, PV-Module auch außerhalb solcher Flächen aufzubauen. Jenseits der im EEG vorgegebenen Areale hätte es aber schlicht keine finanzielle Förderung gegeben.

Ein anderes Beispiel sind die nach 20 Jahren EEG-Vergütung ab Januar 2021 ausgeförderten PV-Anlagen. Für sie verfällt mit der Vergütung auch der Anspruch auf Netzeinspeisung. Es sei denn, dass sich ihre Besitzer auf die aufwändige Direktvermarktung einlassen. Wenn sich eine Institution wie die Bundesnetzagentur (BNetzA) jetzt verschärft Gedanken darum macht, wie diese alten Anlagen im EEG zu halten sind (vgl. Seite 1 ff.), dann hat dies teils genau damit zu tun, dass sie sonst einen Steuerungsverlust im Stromnetz befürchtet. Für den zuständigen Referatsleiter der BNetzA, Peter Stratmann, geht es beim vorgelegten Prosumer-Modell nicht zuletzt darum, einen Eigenverbrauch aus Ü20-PV ebenso wie aus neuen Anlagen zu vermeiden oder aber so zu steuern, dass er sich in Bilanzkreisen sauber abbildet und die Standardlastprofile nicht verfälscht.

Das EEG abschaffen?

Eine andere, heiß diskutierte Frage ist die, wie lange man das EEG als Förderungsinstrument überhaupt noch benötigt. Einige Politiker der CDU/CSU und der FDP reden seit Jahren offen über dessen möglichst baldige Abschaffung, und bei der AfD ist die ersatzlose Streichung des EEG sogar Bestandteil des Grundsatzprogramms.

Müller hält die Frage nach der Abschaffung des EEG für überbewertet: „Das EEG ist recht elegant – es schafft sich schrittweise von selbst ab. Der Markt wird dafür sorgen, dass bestimmte Segmente nach und nach aus dem EEG herauslaufen. Man sieht das heute schon an den ersten PPA für große Photovoltaikanlagen. Und wo der Markt dies nicht leistet, dort brauchen wir das EEG auch weiterhin.“

Ein solcher Bedarf kann entweder damit zu tun haben, dass bestimmte Technologien und Anwendungen, etwa steuerbare Biogasanlagen, Windkraft in Süddeutschland oder Geothermie, noch von der Wettbewerbsfähigkeit entfernt sind obwohl sie für das erneuerbare Energiesysteme nötig sind. Oder es ist eine Frage von weniger risikofreudigen Zielgruppen – Stichwort Bürgerenergie. Deren finanzieller Beitrag und Akzeptanz sind für die Energiewende wichtig.

Thema Versorgungssicherheit

Wer über eine EEG-Novelle für fortgeschrittene Phasen der Energiewende nachdenkt, der landet irgendwann beim Thema Versorgungssicherheit. Den Müttern und Vätern des EEG ging es im Jahr 2000 zunächst um einen möglichst schnellen Ausbau der erneuerbaren Kapazitäten. Versorgungssicherheit gehörte damals nicht zur DNA des Gesetzes. Das sieht auch EEG-Mitautor Hans-Josef Fell so. Er möchte die Integration erneuerbaren Stroms in das sektorenübergreifende Energiesystem zum Kernpunkt eines EEG 2.0 und einer EEG-Novelle machen (siehe Interview). Unter anderem schlägt er dafür seit Jahren eine Kombikraftwerksvergütung vor. Sie soll die Anlagenkombinationen dafür belohnen, dass sie ihre Strommengen exakt nach den Bedürfnissen des Netzes liefern.

Erste Ansätze in dieser Richtung lassen sich seit neuestem in den so genannten Innovationsausschreibungen des EEG erkennen. Sie sollen Kombikraftwerke innerhalb sehr eng gefasster Grenzen fördern. Fell hält Ausschreibungen für diesen Zweck freilich für ungeeignet, zumal sie für Bürgerenergieakteure die bekannten Hürden aufbauten.

Ausbau sichern!

Neben der Orchestrierung des Zusammenspiels der verschiedenen erneuerbaren Energien ist Müller aber beim Stichwort Versorgungssicherheit auch wichtig, dass das EEG überhaupt wieder zu einem verlässlichen Instrument für den Ausbau der Erneuerbaren gemacht wird. Spätestens mit der Einführung des Ausschreibungsprinzips habe man das Gesetz auf Mengensteuerung getrimmt, so Müller. „Aber bisher kennt das EEG die Mengensteuerung nur als Steuerung der Obergrenze des Ausbaus. Mit Blick auf die Versorgungssicherheit und günstige Strompreise sowie den Klimaschutz ist allerdings die Absicherung eines Min­dest­zubaus ebenso wichtig.“

Ferner geht es in einem zunehmend regenerativen Energiesystem auch um wichtige Funktionen im Stromnetz wie Blindleistung, Schwarzstartfähigkeit und Frequenzhaltung, die bislang weitgehend von der fossilen Energiewirtschaft sichergestellt werden. Auch bei der diesbezüglichen Emanzipation der Erneuerbaren sieht Müller den Gesetzgeber bei einer EEG-Novelle gefragt. „Wir müssen dafür sorgen, dass Systemdienstleistungen von den Erneuerbaren zunehmend selbst erbracht werden dürfen. Ob dies zwingend in Form von Anreizen geschehen muss, sei dahingestellt. Es könnte auch teilweise einfach zur Auflage gemacht werden.“

Grünstromeigenschaft vermarkten?

Bereits seit seinem Start beißt sich das EEG mit dem parallel entstandenen Ökostrommarkt. Auch das ist ein Thema für die Zukunft. Mit Ausnahme der Regionalstromzertifikate, die mit dem EEG 2017 zugelassen wurden, ist die Grünstromeigenschaft von EEG-Strom nicht handelbar. Der Strom aus EEG-geförderten Anlagen muss an der Börse zwangsvergraut werden. Bislang kam der Widerstand gegen diese Regelungen von Seiten einiger Ökostromhändler. Denen hat der Gesetzgeber 2014 mit der Abschaffung des „Grünstromprivilegs“ – einer reduzierten EEG-Umlage – ein Geschäftsmodell entzogen. Inzwischen steigt aber die Nachfrage großer Wirtschaftsunternehmen. Daraus ergibt sich nach Wahrnehmung von Thorsten Müller möglicherweise eine weitere Baustelle für ein neues EEG. „Es wächst der politische Druck, die Grünstromeigenschaft von Strom aus EEG-Anlagen zur Verfügung zu stellen. Die Nachfrage aus Unternehmen könnte schneller wachsen als das Angebot.“ Letzteres besteht ansonsten nur aus Solarstrom-PPA, Grünstrom aus dem Ausland und demnächst EEG-Altanlagen.

Eine offene Frage ist dabei allerdings, wie hoch der Mehrwert grünen Stroms dauerhaft bleiben wird, wenn auch der Graustrom immer höhere Ökoanteile enthält.

EEG-Umlage schrumpft

Und auch das Dauerthema EEG-Umlage ist für eine künftige EEG-Novelle weniger spannend. Es ist absehbar, dass die Umlage in den nächsten Jahren sinken wird. Und dies nicht erst, seit die Bundesregierung angekündigt hat, die CO2-Abgabe zu ihrer Senkung einzusetzen. Denn auch das tendenzielle Ansteigen der Marktwerte für EEG-Strom an der Börse, die abnehmenden Kosten neuer EEG-Anlagen und das Herausfallen teure Altanlagen aus der EEG-Vergütung nach 20 Jahren wirken senkend auf die EEG-Umlage.

Für Thorsten Müller schließt sich damit ein Kreis: „Mit der Senkung der EEG-Umlage entfallen übrigens auch wieder Steuerungsmöglichkeiten, denn diese sind mit mit den diversen Befreiungstatbeständen für Großverbraucher und Eigenversorger verknüpft.“

Im Klartext: Im Strombereich werden Jahr für Jahr Milliarden an Subventionen über Ausnahmen von der EEG-Umlage an Großverbraucher verteilt. Der Gesetzgeber muss sich im Rahmen einer EEG-Novelle fragen, wie er künftig den Subventionszweck erfüllen will, wenn die EEG-Umlage entfällt.

20.3.2020 | Autor: Guido Bröer, Solarthemen | solarserver.de
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