Kommentar: Wärme zu Wärme, Strom zu Strom

Zu sehen ist Detlef Koenemann, der den Kommentar: Wärme zu Wärme, Strom zu Strom verfasst hat.Foto: Juliane Henrich
Dr. Detlef Koenemann
Die wachsende Begeisterung für die Photovoltaik ist sicherlich dadurch begründet, dass sie so unglaublich preisgünstig geworden ist und dass man mit dem dadurch gewonnenen Strom fast alles machen kann, zum Beispiel auch Wärme erzeugen. Die Begeisterung hat aber den Nachteil, dass wichtige Grundsätze in Vergessenheit geraten. In der Energieversorgung ist zu berücksichtigen:

1. Wir dürfen uns nicht von einem Rohstoff abhängig machen. Das war die Lehre aus dem Ölpreisschock von 1973, der damals die gesamte Energieversorgung erschütterte. Der Ölpreisschock hat unter anderem dazu geführt, dass man sich von der Monokultur der Kernenergie verabschiedete. Denn damals glaubten tatsächlich viele, dass man die gesamte Stromversorgung auf Kernenergie aufbauen könnte. Der Ölpreisschock hat diese naive Hoffnung zunichte gemacht. Denn vom Uran dürfen wir uns natürlich auch nicht abhängig machen. Wir dürfen uns von gar keinem Energierohstoff abhängig machen. Aber auch nicht von zweien. Weil die Windenergie und die Photovoltaik in den vergangenen 20 Jahren so große Fortschritte gemacht haben, kommen wir wieder in Versuchung, die gesamte Energieversorgung auf nur zwei Säulen aufzubauen. Aber wir würden die Windparks und auch die Solarkraftwerke überfordern, wenn wir von Ihnen verlangten, dass sie nicht unsere Stromversorgung, sondern auch unsere Wärmeversorgung sichern sollten.

Wärme langfristig speichern

2. Wärme zu Wärme, Strom zu Strom. Wenn wir Wärme aus erneuerbaren Energien gewinnen, dann sollten wir sie vorrangig für Wärmeanwendungen nutzen. Entsprechendes gilt für den Strom, den wir aus erneuerbaren Energien gewinnen. Wenn wir auf dem Hausdach keine Wärme, sondern nur Strom erzeugen, dann müssen wir einen Teil des Stroms in Wärme verwandeln, möglichst mit einer Wärmepumpe. Aber Angebot und Bedarf verhalten sich antizyklisch. Im Winter, wenn die Wärmepumpe den meisten Strom braucht, liefert uns die Sonne am wenigsten. Deshalb ist es besser, auf dem Dach nicht nur Strom, sondern auch Wärme zu erzeugen und diese Wärme langfristig zu speichern, am besten in einem möglichst großen Warmwasserspeicher.

3. Keine einzige der erneuerbaren Energien, die uns zur Verfügung stehen, kann unseren Bedarf zu jedem Zeitpunkt im gewünschten Umfang decken. Wir müssen daher alle erneuerbaren Energien nutzen und die strom- und wärmeerzeugenden Systeme so miteinander verknüpfen, dass der Bedarf gedeckt werden kann und möglichst wenig Umwandlungsverluste entstehen. Es ist also eine ganzheitliche Betrachtung der Strom- und Wärme-Erzeugung notwendig. Das gleiche gilt für den Verbrauch. Wir sollten nicht nur den einzelnen Haushalt betrachten, sondern möglichst eine ganze Siedlung, denn dann schwankt der Bedarf nicht so stark und lässt sich einfacher decken.

Ganzheitliche Betrachtung notwendig

4. Bei ganzheitlicher Betrachtung erscheint auch die Wirtschaftlichkeit in einem anderen Licht. Die Kostensenkung der Photovoltaik ist zwar beeindruckend, aber nur die eine Seite der Medaille. Wenn man einen großen Teil des Solarstroms speichern muss, weil man ihn nicht zeitgleich verbrauchen kann, dann erhöhen sich die Kosten deutlich. Die Stromspeicherung in einer Batterie wird immer ein Mehrfaches dessen kosten, was die Stromerzeugung kostet. Wenn man den Strom weder direkt verbrauchen noch speichern will, muss man ihn einspeisen, sodass Stromtransportkosten entstehen. Auch für die Wärmeversorgung gilt, dass man nicht nur die Erzeugungskosten betrachten darf. Das gilt für die gesamte Energieversorgung. Vielleicht werden wir sie in Zukunft dann als „wirtschaftlich“ bezeichnen, wenn sie nicht teurer wird, als sie heute schon ist.

Lesen hier die Kommentare „All electric society ist Illusion“ und „Energie ist nicht billig“ von Detlef Koenemann.

Zum Autoren: Detlef Koenemann ist promovierter Physiker. Von 1992 bis 2008 war er Chefredakteur der Zeitschrift Sonne Wind & Wärme. Seit 2008 ist er als freier Journalist mit den Schwerpunktthemen Solarthermie, Photovoltaik und Windenergie tätig. Außerdem ist er Autor des Buchs „Solare Klostergeschichten“, das anhand der Chronik des Photovoltaik-Symposiums in Bad Staffelstein (1986-2019) die Entwicklung der Photovoltaik in Deutschland beschreibt. Er ist Initiator und verantwortlicher Redakteur des Solarthermie-Jahrbuchs.

Im Bild das Titelbild vom Solarthermie-Jahrbuch SOLARE WÄRME 2023.

Diesen Beitrag hat das Redaktionsteam des Solarthermie-Jahrbuchs verfasst. Sie können das Solarthermie-Jahrbuch 2023 unter diesem Link bestellen.

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