Große EEG-Novelle wird verschoben

Teile von demontierten Windkraftanlagen liegen auf dem BodenFoto: Herb / stock.adobe.com
Es wird wohl mindestens bis zum Herbst dauern, bis das Bundeswirtschaftsministerium die Konturen der geplanten größeren Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sichtbar macht. Für Altanlagen, deren Förderung ausläuft, wird es damit eng.

So hatte Altmaier noch am 11. Mai erklärt, sein Ministerium bereite eine umfangreiche EEG-Novelle vor. Diese wolle er noch vor der Sommerpause in das Parlament einbringen, um sie bis zum Jahresende zu verabschieden. Doch jetzt erklärte das Bundeswirt­schaft­sministerium gegenüber den Solarthemen: „Das BMWi wird nach der Sommerpause einen Entwurf für die große EEG-No- ­velle vorlegen.” Bis dahin wolle es sich nicht zu Details der Novelle äußern. So sind hierzu wohl frühestens im September nähere Informationen zu erwarten. Das Parlament trifft sich am 7. September das erste Mal im Plenum wieder.

Noch kein Gesetzentwurf in Sicht

Offenbar steckt das Ministerium bei seiner Arbeit an der Novelle auch noch in den Anfängen. Denn bislang kursieren dazu wohl noch keine ersten Entwürfe – von einem Referentenentwurf ganz zu schweigen. „Mir liegt noch kein Entwurf vor”, bestätigt auch Johann Saathoff, der sich als Bundestagsabgeordneter der SPD sehr intensiv mit  der Energiewende beschäftigt. Für ihn ist klar: „Grundsätzlich muss der Ausstieg aus der Kohle, den wir im Bundestag beschlossen haben, direkt mit dem forcierten Einstieg in die erneuerbaren Energien verbunden werden.” Es sei gut, so Saathoff, „dass wir als SPD noch das 65-Prozent-Ziel zum Anteil Erneuerbarer am Stromverbrauch in das Kohleausstiegsgesetz hereinverhandelt haben. Die weiteren Schritte müssen nun schnell folgen, damit wir die dringend nötige EEG-Reform nach der parlamentarischen Sommerpause verabschieden können.”

Das aber wird kaum möglich sein, wenn die Vorlagen aus dem Ministerium fehlen. Bevor sich die Abgeordneten  mit einem Gesetzesvorschlag befassen, wird das Kabinett einen solchen beraten und ins Parlament einbringen wollen. Und dem gehen in der Regel Abstimmungen zwischen den Ministerien voraus. Das kann dauern. 

Keine Lösung für Altanlagen

Dabei ist das anstehende Vorhaben durchaus komplex. Die Liste dessen, was am EEG zu verändern ist, ist lang. Die notwendigen und möglichen Verbesserungen, um Mieterstrom attraktiver zu machen, gehören dabei sicherlich noch zu den einfacheren Übungen. Doch die Zeit drängt. Denn am 1. Januar 2021 endet für die ersten älteren Wind-,  Solarstrom- und weitere Anlagen die Zeit der EEG-Vergütungen. Wie die Anlagen dann weiterbetrieben werden können, ist noch völlig unklar.  

„So bedarf es dringend einer barrierefreien und kostendeckenden Anschlussregelung für tausende PV-Betreiber, die ab 2021 aus der EEG-Förderung fallen”, sagt Carsten Körnig, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft: „Es wäre unverantwortlich, wenn diese ihre Solarstromanlagen vom Netz nehmen müssen, gleichzeitig aber bereits ab 2023 eine Stromlücke klafft und das Weltklima immer schrillere Alarmsignale sendet.”

Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbandes Windenergie (BWE) sagt: „Hinsichtlich der Bestandsanlagen braucht es eine Überbrückung zur Glättung der Verwerfungen am Strommarkt durch die Corona-Krise.” Wie er näher erläutert, seien bei der Windenergie allein im kommenden Jahr Anlagen mit einer Gesamtleistung von 3.800 bis 4.000 Megawatt betroffen. Bis Ende 2025 folgten jähr­lich weitere 2.300 bis 2.400 MW. Vielen Anlagenbetreibern werde es nicht gelingen, ihren Strom auskömmlich zu vermarkten. Dies gelte vor allem, weil bedingt durch die Corona-Pandemie die Strompreise gesunken seien. Der BWE hat einen Maßnahmenplan zum Weiterbetrieb vorgelegt. Jedoch sind die Anlagenbetreiber von den Rah­menbe­din­gungen abhängig – und diese erfordern letztlich alle eine gesetzgeberische Initiative. 

Wenn die Bundesregierung dies über eine große EEG-Novelle regeln möchte, wird sie sich nach der Sommerpause sehr sputen müssen. Oder sie wird – wie bei der Abschaffung des PV-Deckels – die dringendsten Fragen Stück für Stück in kleinen Novellen lösen müssen.

Lange Aufgabenliste

„Wir haben bereits eine Vielzahl an Themen auf unserer Liste stehen”, sagt Saathoff: „Dazu gehören unter anderem die Anpassung der Ausbaupfade der Erneuerbaren an das 65-Prozent-Ziel, eine Regelung für den Betrieb von Altanlagen und die vom Bundeswirtschaftsminister lange zugesagte Reform des Mieterstromgesetzes.”

Jedoch sind Branchenvertreter skeptisch, dass in Berlin die Weichen rechtzeitig gestellt werden. „Die betroffenen Betreiber sollten trotzdem nicht darauf setzen, dass die Politik kurzfristig gegensteuert”, so Axthelm: „Insoweit müssen sie sich vorbereiten und die notwendigen Schritte für einen geordneten Weiterbetrieb jetzt klären.” Es bleibt aber die Frage, wie das gelingen kann. 

„Es kann nicht sein, dass zentrale Entscheidungen zur Zukunft der Energieversorgung ständig vertagt werden“, kritisiert Simone Peter, die Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie e.V. (BEE). Der aktuelle Rechtsrahmen sei nicht angemessen, um die bevorstehenden Herausforderungen der Energiewende rechtzeitig zu meistern. „Das BMWi lässt mit dieser Verzögerung jeglichen Elan und Gestaltungswillen vermissen”, zeigt sich Peter enttäuscht: „So kann man nicht in die Sommerpause taumeln: Wir brauchen endlich einen konkreten Fahrplan für das 65-Prozent-Ziel.“ Eine reine Reparaturnovelle als Konsequenz des wiederholten Verschleppens von Entscheidungen seit dem Amtsantritt der Großen Koalition sei dagegen absolut unzureichend.

Zeitplan kaum zu halten

„Eine umfassende EEG-Reform ist überfällig und darf nicht länger auf sich warten lassen”, lautet auch das Urteil von Körnig. Beispielhaft nennt  er neben den Altanlagen noch zwei  Gründe für den bestehenden Zeitdruck: „1. Die verschärften Klimaziele und der Atom- und Kohleausstieg erfordern eine zeitnahe Vervielfachung der jährlichen PV-Ausbauziele bei gleichzeitiger Nachjustierung des EEG-Degressionsmechanismuss. Andernfalls wird der PV-Ausbau nicht beschleunigt, sondern durch eine gegenwärtig zu starke Degression der Marktprämien voraussichtlich bereits in wenigen Monaten abgewürgt. 2. Das EU-Recht erfordert eine fristgemäße Entlastung von der „Sonnensteuer“ (EEG-Umlage), die seit 2014 Photovoltaik-Investitionen bei Wohn- und Gewerbequartieren erschwert.” Und dies gelte insbesondere auch für Ü20-Anlagen.  

„Diese Punkte können nicht auf das nächste Frühjahr warten”, betont Körnig, der eine große EEG-Novelle bis zum Jahresende aufgrund der Verzögerungen nur noch für schwer möglich hält. „Der BSW fordert, dass sie notfalls über ein Vorziehgesetz noch in diesem Herbst klima- und branchenfreundlich geregelt werden.“

Auch andere Verbände werden ungeduldig. So begrüßte der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) den Beschluss des Kohleausstiegsgesetzes. Gleichzeitig fordert er aber weitere Gesetze im Bereich der erneuerbaren Energien. „Hier wurde ein Stück Geschichte geschrieben”, sagt VKU-Chef Ingbert Liebing zum Kohleausstieg. Dies sei jedoch kein Grund, sich für den Rest der Legislaturperiode zurückzulehnen. „Das nächste große Gesetzesverfahren, das jetzt fast nahtlos an das Kohleausstiegsgesetz anschließen muss, ist die anstehende EEG-Novelle“, fordert Liebing. Dabei müsse der Ausbau erneuerbarer Energien auf Zielkurs 2030 gebracht werden. 

Ebenso steht beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) die EEG-Novelle auf der To-do-Liste, wenn auch aus anderen Gründen. So sieht er es als erforderlich an, die Übergangsfrist bis zur verpflichtenden Einführung eines Messkonzepts sowie der Anschaffung entsprechender Messgeräte zu verlängern. Der BDI will im Rahmen der anstehenden Novelle erreichen, dass diese Frist für die Einführung verlängert wird.  

Großer Änderungsbedarf

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich mit den Ministerpräsidenten der Länder am 17. Juni zudem auf weitere Punkte verständigt, die bei der EEG-Novelle angepackt werden sollen. Dies sind neben der Definition der Ausbaupfade und der Verbesserung des Mieterstroms auch ein stärkerer Ausbau von Offshore-Windkraftanlagen und die Einführung einer Regionalisierungskomponente im Binnenland. Außderdem wollen sie u.a. das Repowering erleichtern, Bürger sowie Kommunen an Windkraftanlagen im Binnenland finanziell beteiligen, das Potenzial von PV-Dachanlagen besser erschließen, neue Ausschreibungsvarianten einführen und zumindest prüfen, wie Eigenstromproduktion mehr Auftrieb bekommen kann.  

Für die große EEG-Novelle haben sich die Politiker viel vorgenommen. Das BMWi wird wohl den Turbo anschmeißen müssen. 

16.7.2020 | Autor: Andreas Witt, Solarthemen | solarserver.de
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