Ökostrom-Handel und EEG: sollte Doppelvermarktung möglich sein?
Das Problem ist so alt wie das EEG selbst. Parallel zu der gesetzlichen Einspeise- und Vergütungsgarantie ist seit Ende der 1990er-Jahre auch ein – zunächst sehr kleiner – Markt für Ökostrom-Produkte auf freiwilliger Basis entstanden. Ein ungeschriebener und damals heftig diskutierter Grundsatz besagt dabei, dass nur Strom, der zusätzlich zum EEG den Neubau von Anlagen anstößt, zum entsprechenden Preis als „Ökostrom” gehandelt werden sollte. Eine Doppelvermarktung des Stroms sollte ausgeschlossen sein. Bei der Konkurrenz verschiedener Zertifizierungssysteme ging es immer auch um diese Frage.
Das ewige Dilemma des Ökostroms
Spätestens seit die Bundesregierung dann 2014 das sogenannte „Grünstromprivileg” abgeschafft hat, das bestimmte Ökostromlieferungen aus der sogenannten „sonstigen“ Direktvermarktung teilweise von der EEG-Umlage befreit hatte, kommen aber in Deutschland verkaufte Ökostrommengen – beziehungsweise deren Herkunftsnachweise (HKN) – fast nur noch aus dem Ausland. Der Ökostromhandel sorgt zumindest in Deutschland nicht mehr nennenswert für den Bau zusätzlicher Erzeugungskapazitäten. Seitdem diskutieren Experten über sinnvolle Alternativen für einen glaubwürdigen Ökostromhandel aus deutschen Anlagen. Zumal gerade Großverbraucher aus der Wirtschaft jüngst aus Klimaschutz- und Imagegründen ein steigendes Interesse daran zeigen.
Doch seit 2004 das sogenannte Doppelvermarktungsverbot im EEG festgeschrieben ist, sind die Spielräume eng. „Im jetzigen System müssten Unternehmen, die Ökostrom aus ihrer Umgebung beziehen wollen, die betreffenden Anlagen quasi aus dem EEG herauskaufen”, sagt der Jurist Markus Kahles von der Stiftung Umweltenergierecht. Das aber erscheint den Firmen vergleichsweise zu teuer. Nicht nur, weil die Sicherheiten einzupreisen wären, die das EEG Anlagenbetreibern bietet. Vielmehr bekommen viele Industriekunden für ihren Graustrom, oder Ökostrom auf HKN-Basis, heute Subventionen in Form von Ermäßigungen bei der EEG-Umlage.
Verbraucherschutz
In der Begründung des Doppelvermarktungsverbotes nach § 79 und § 80 des EEG ließ sich der Gesetzgeber seinerzeit jedoch nicht von dem ökologischen Gedanken leiten, dass durch Ökostromhandel jenseits des EEG zusätzliche Anlagen entstehen sollten. Vielmehr geht es in der Gesetzesbegründung ausschließlich darum, dass Stromverbraucher nicht über die EEG-Umlage mit Kosten für Anlagen belastet werden sollten, die bereits über den freien Ökostrommarkt finanzierbar wären.
Und genau diese Begründung ist nun nach einer Analyse der Juristen Hartmut Kahl und Markus Kahles von der Stiftung Umweltenergierecht teilweise hinfällig, wenn gemäß Bundestagsbeschluss ab 1. Januar 2021 der Steuerzahler über den Bundeshaushalt für einen Großteil der EEG-Umlage aufkommen soll. Im Zuge einer EEG-Novelle habe der Gesetzgeber damit die Möglichkeit, den Verkauf von Strom aus geförderten EEG-Anlagen als Ökostrom zuzulassen. Der Marktwert der dafür europaweit ausgestellten Herkunftsnachweise müsse dann vergütungsmindernd abgezogen werden, so dass die EEG-Umlage entlastet werde. Wolle man diese Option auch auf bestehende Anlagen anwenden, müsse es aber aus Gründen des Bestandsschutzes freiwillig bleiben.
EEG anpassen oder gründlich reformieren?
Gegenüber den Solarthemen machte Markus Kahles deutlich, dass es der Stiftung Umweltenergierecht nicht um den Sturz des Doppelvermarktungsverbotes gehe. Vielmehr wollten die Würzburger Rechtswissenschaftler vor allem darauf hinweisen, dass dessen Begründung durch die Haushaltsfinanzierung der EEG-Umlage mittlerweile teilweise obsolet sei. Diese Haushaltsfinanzierung, mit der sich das EEG noch weiter vom Verursacherprinzip entfernt, als es mit den Industrieprivilegien ohnehin schon der Fall ist, hatte die Stiftung aus beihilferechtlicher Sicht stets kritisch beurteilt. Kahles: „Wir haben uns aus juristischer Sicht die Widersprüche angeschaut zwischen der beschlossenen Haushaltsfinanzierung und der Gesetzesbegründung. Und wir weisen auf gewisse Optionen hin, die sich daraus für den Ökostrommarkt ergeben. Wenn der Gesetzgeber das Doppelvermarktungsverbot nicht aufheben will, kann er natürlich auch die Gesetzesbegründung ändern.”
Zum Vorschlag einer Neuauslegung des Doppelvermarktungsverbotes erklärt Kahles „Wir bewegen uns mit diesem Vorschlag innerhalb des bestehenden Systems. Dieses System kommt zwar langsam an seine Grenze; eine viel grundlegendere Reform wäre sinnvoll. Allerdings sollte man deshalb nicht aufhören, über Optionen innerhalb des jetzigen EEG-Systems nachzudenken.”
6.8.2020 | Autor: Guido Bröer
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