Große Vertikal-Windkraftanlage erstmals im Praxistest

Aufbau einer Windkraftanlage mit vertikal angeordneten Rotoblättern auf dem Windtestfeld - rechts weitere "normale" Windkraftanlagen und links im Hintergrund ein KohlekraftwerkFoto: Agile Wind Power AG
Vertikal-Windkraftanlagen stoßen zunehmend auf Interesse, um im unternehmerischen Bereich zur Deckung der Eigentromversorgung beizutragen. Nun erprobt die Agile Wind Power AG erstmals eine solche Anlage im Windtestzentrum Grevenbroich.

Anfang September hat es die Schweizer Firma Agile Wind Power AG geschafft. Sie hat ihre Vertikal-Windkraftanlage mit einer Leistung von 750 kW auf dem Windtestfeld errichtet. Nach Unternehmensangaben ist die „Vertical Sky A32“, so die offizielle Typenbezeichnung, der weltweit größte Vertikalachser, der einen Zertifizierungsprozess durchläuft. 

Verspäteter Start

Ursprünglich hätte die neue Anlage bereits seit vergangenem Spätherbst im Testbetrieb sein sollen. Beim Aufbau der „Vertical Sky A32“ war es aber immer wieder zu Verzögerungen gekommen. Zuletzt haben dies die Corona-Pandemie und im August insbesondere zu starke Winde bei der Blattmontage verursacht. Die Anlage steht auf dem 105 Meter hohen Gittermast und hat einen Rotordurchmesser von 32 Metern.

Patrick Richter, Gründer und Geschäftsführer von Agile Wind Power, ist froh, dass die Pilotanlage nun endlich laufen kann. Gut zehn Jahre Entwicklungsarbeit mit allen Höhen und Tiefen liegen hinter ihm und seinen Team. Nach den branchenüblichen Sicherheitstests soll es im Oktober mit der Vermessung der Leistungskennlinie und dem Probebetrieb losgehen.

Strom aus Vertikal-Windkraftanlage für Unternehmen

Deshalb will Richter in den nächsten Tagen auch den Stromabnahmevertrag unter Dach und Fach haben. Die Verhandlungen mit der VW Kraftwerke GmbH, einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft der Volkswagen AG, seien auf der Zielgerade. Nach Aussage von Richter gibt es ein „nennenswertes Interesse“ an der optisch ungewöhnlichen Anlage: „Wir haben 50 ernsthafte Anfragen vorliegen“. Der Chef von Agile Wind Power geht deshalb davon aus, dass bereits im kommenden Jahr eine erste Nullserie des Vertikalrotors am Netz ist.

Bis 1,5 MW Leistung

Parallel arbeiten seine Entwicklungsingenieure an weiteren Modellen des Vertikalrotors. „Wir werden in absehbarer Zeit, abhängig von den jeweiligen Windklassen, Anlagen in der Größenordnung zwischen 500 und 1.500 Kilowatt mit einem vergrößerten Rotordurchmesser auf den Markt bringen.“ Als Kunden für seinen Vertikalrotor sieht Richter vor allem mittelständische Industrie- und Gewerbebetriebe, die einen starken Fokus auf die Eigenstromnutzung legen. „Bei einer Windgeschwindigkeit von sechs Metern pro Sekunde lassen sich mit unserer Anlage im Jahr rund 1,5 Millionen Kilowattstunden erzeugen.“

Für die „endlich anstehende Hochlaufphase“ gibt es bei Agile Windpower Power eine klare Arbeitsteilung. Abgesprochen ist bereits, dass das Forschungs- und Entwicklungsteam weiterhin am Stammsitz Dübendorf im Kanton Zürich verbleibt. „Die eigentliche Montage aller Komponenten erfolgt an unserem Standort Lemwerder, von wo aus unsere Anlage bei Bedarf auch verschifft werden kann“, erklärt Richter.

Produktion in Niedersachsen

In der kleinen Wesermarsch-Gemeinde Lemwerder wollen die Eidgenossen künftig die Rotorblätter für ihre Vertikal-Windkraftanlage in größerer Stückzahl fertigen. Dass die Wahl auf Lemwerder als Produktionsstandort fiel, ist kein Zufall. Schon bei der Entwicklung der Rotorarme und -blätter haben die Eidgenossen auf das Know-how aus Norddeutschland zurückgegriffen. Ein Team des früher dort ansässigen Rotorblattherstellers Carbon Rotec, der 2017 in Insolvenz ging, hat die Urform der 27 Meter langen Form für die Rotorblätter mitentwickelt. Sollte Agile Wind Power Erfolg mit ihrem Vertikalachser haben, könnte der Windkraftstandort Lemwerder – zumindest auf niedrigerem Niveau – wieder aufleben. Mittlerweile beschäftigen die Schweizer dort zehn Mitarbeiter.

9.9.2020 | Autor: Ralf Köpke
© Solarthemen Media GmbH

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